Super Idee und guter Einblick, einseitige Geschlechterdarstellung
Evas KinderEvas Kinder ist ein eindrückliches und atmosphärisch starkes Hörbuch, das seine Zuhörer:innen mitnimmt in eine faszinierende Welt vor rund 55.000 Jahren. Besonders hervorzuheben ist die jugendgerechte ...
Evas Kinder ist ein eindrückliches und atmosphärisch starkes Hörbuch, das seine Zuhörer:innen mitnimmt in eine faszinierende Welt vor rund 55.000 Jahren. Besonders hervorzuheben ist die jugendgerechte Aufarbeitung eines historischen Themas, das sowohl spannend als auch emotional erzählt wird. Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart gelingt über die Hauptfigur Katja, die in ihrer heutigen Lebensrealität ebenso wie in der Geschichte, die sie entdeckt, mit Ausgrenzung, Identitätsfragen und Zugehörigkeit konfrontiert wird.
Die anschauliche Erzählweise ist eine der großen Stärken des Hörbuchs. Landschaften, Gerüche, Geräusche und Emotionen werden so lebendig beschrieben, dass man sich mitten in der prähistorischen Welt wiederfindet. Dazu kommt eine überzeugende Sprecherleistung, die jede Figur mit eigener Stimme und Tiefe versieht und die emotionale Wirkung der Geschichte noch verstärkt. Auch die Gefühle der Figuren – Verlust, Angst, Mut, Hoffnung – sind intensiv und authentisch spürbar.
Dennoch bleiben einige kritische Punkte nicht unerwähnt. So sind beide dargestellten Gesellschaften eindeutig patriarchalisch organisiert. Auch wenn ich keine Historikerin bin, weiß ich, dass es in der Menschheitsgeschichte durchaus matriarchale oder gleichberechtigtere Strukturen gegeben hat. Dass dieses Thema – das auch Katjas Identität und Erfahrungen als dunkelhäutige weibliche Jugendliche berühren würde – nicht aufgegriffen wird, ist eine verpasste Chance. Es wäre spannend gewesen, das Geschlechterverhältnis differenzierter zu beleuchten.
Zudem fällt auf, dass die „wissenden Figuren“ in der Rahmenhandlung ausschließlich männlich sind: der archäologische Onkel und der Lehrer. Damit wird ein Rollenbild reproduziert, das Wissen und Vernunft Männern zuschreibt, während Katja als impulsiv dargestellt wird – sie nimmt einen Fund mit, obwohl sie es besser wissen müsste. Das ist nicht nur klischeehaft, sondern zementiert ein veraltetes Weltbild.
Auch die Konstruktion der Rahmenhandlung wirkt streckenweise wenig glaubwürdig. Ein Referat, das kaum jemand ernsthaft verfolgt – schon gar nicht ohne Video oder anschauliche Medien – wird dennoch zum Auslöser einer historischen Zeitreise. Solche Schwächen im Plot untergraben ein wenig die ansonsten gelungene Dramaturgie.
*Fazit:
Evas Kinder* ist ein intensives, stimmungsvolles Hörbuch, das wichtige Themen wie Identität, Menschlichkeit und kulturelle Entwicklung spannend vermittelt. Trotz seiner eindrucksvollen Stärken in Atmosphäre, Emotionalität und Sprache bleibt es in der gesellschaftlichen Tiefe und der Rollenverteilung leider hinter seinen Möglichkeiten zurück. Ein hörenswertes Werk – mit Luft nach oben in Sachen Diversität und gesellschaftlicher Reflexion.