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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.10.2024

Anspruchsvoll

Das große Spiel
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Die Bücher von Richard Powers sind immer Höhepunkte im Lesejahr, er schreibt langsam und recherchiert viel, seine Bücher sind nicht einfach "wegzulesen". Besonders liegen ihm Ökologie und die Entwicklung ...

Die Bücher von Richard Powers sind immer Höhepunkte im Lesejahr, er schreibt langsam und recherchiert viel, seine Bücher sind nicht einfach "wegzulesen". Besonders liegen ihm Ökologie und die Entwicklung der elektronischen Medien am Herzen. Er gilt als einer der intelligentesten Menschen des Planeten und das merkt man bei seinem anspruchsvollen Stil, der aber trotzdem gut lesbar ist.
In diesem neuen Buch widmet er sich vor allem den Themen Ozeanologie und KI.
Die Hauptfiguren sind Evie, eine Ozeanologin, Ina, eine Künstlerin aus Ozeanien, Rafi, ein Büchernarr, und sein Freund Todd, der mit der "sozialen" Plattform Playground Milliarden verdient hat. Alle treffen auf der abgelegenen Insel Makatea im Pazifik zusammen.
Das Buch behandelt die großen Themen unserer Zeit eindringlich und anschaulich. Man taucht mit Evie in die Ozeane der Erde und lernt die geheimnisvollen Lebewesen der Tiefsee kennen, die noch längst nicht erforscht sind. Man entwickelt mit Todd ein immer größer werdendes Netzwerk, in dem die KI irgendwann die Herrschaft an sich reißt. Man schafft mit Ina Kunstwerke aus Plastikmüll und folgt Rafi durch die Welt der alten Bücher.
Das Buch ist keine leichte Feierabendlektüre, liefert aber viel Stoff zum Nachdenken und beschäftigt mich noch lange.
Für mich wieder ein ganz großer Wurf von Richard Powers!

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Veröffentlicht am 25.09.2024

Intensiv

Sing, wilder Vogel, sing
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Honora hatte es von Anfang an nicht leicht. Ihre Mutter starb bei der Geburt, der Vater hatte kein Interesse an dem Mädchen und verheiratet sie bei erster Gelegenheit an William, der sie auf seine Art ...

Honora hatte es von Anfang an nicht leicht. Ihre Mutter starb bei der Geburt, der Vater hatte kein Interesse an dem Mädchen und verheiratet sie bei erster Gelegenheit an William, der sie auf seine Art liebt. Honora bleibt eine Außenseiterin, sie ist klug, aber einsam.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts die große Hungernot über Irland hereinbricht, gerät auch diese Familie in Not. Gemeinsam mit den anderen Dorfbewohnern ziehen sie zum englischen Grundherren, der ihnen aber Nahrung und sogar Wasser verweigert, die Herren dinieren gerade... So müssen die gepeinigten Menschen den Rückweg antreten und viele Bewohner sterben unterwegs. Honora überlebt als eine der Wenigen und geht nach Amerika, wo sie aber auch lange nach dem Glück suchen muss.
Ich habe schon einige Bücher über Irland und die große Hungernot gelesen, z.B. "Trinity" von Leon Uris. Die Grausamkeit der englischen Landlords muss unbeschreiblich gewesen sein und auch die Kirche mischte fleißig mit, die Menschen ruhig zu halten und sie auf das Paradies im Jenseits zu vertrösten.
Allerdings hatte ich noch nie von dem Geschehen in Doolough gehört und auch die Verbindung Irlands zu den amerikanischen Ureinwohnern war mir nicht bekannt.
Honora ist eine sehr starke Persönlichkeit, die sich manchmal anzupassen versucht, aber ihre Seele nicht verkauft. Sie braucht ein großes Maß an Freiheit und ist eine sehr mutige Frau.
Der Stil des Buches ist klar und eindringlich. Man kommt Honora sehr nahe. Mich hat das Buch sehr beeindruckt und ich habe viel gelernt.

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Veröffentlicht am 17.09.2024

Gratwanderung

Die Frauen jenseits des Flusses
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Kristin Hannah widmet sich in diesem Buch einem fast vergessenen Kapitel der amerikanischen Geschichte. Der Vietnamkrieg war lang, vergeblich und forderte viel zu viele Todesopfer auf beiden Seiten. Dass ...

Kristin Hannah widmet sich in diesem Buch einem fast vergessenen Kapitel der amerikanischen Geschichte. Der Vietnamkrieg war lang, vergeblich und forderte viel zu viele Todesopfer auf beiden Seiten. Dass auch Frauen in Vietnam stationiert waren, entzog sich bisher meiner Kenntnis, sie waren vorwiegend im medizinischen Bereich tätig.
Eine davon ist die fiktive Frances McGrath, die nach dem Tod ihres Bruders in Vietnam als Krankenschwester dort tätig werden will. Sie ist idealistisch und hofft andere junge Männer retten zu können, wenn sie es bei ihrem Bruder schon nicht geschafft hat. Doch dann knallt sie hart auf den Boden der Realität. Die Arbeit bringt sie an die Grenzen ihrer körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit und als sie nach zwei Jahren in die Heimat zurückkehrt, wird sie mit ihren Alpträumen und Flashbacks vollkommen allein gelassen. Sie versucht irgendwie wieder in den normalen Alltag zurückzufinden, aber das gelingt ihr nicht.
Wie man in den USA mit den Veteranen und Veteraninnen des Vietnamkrieges umging, das ist ein bitteres und beschämendes Kapitel. Erst zehn Jahre nach dem Ende des Krieges wurde ein Mahnmal für die Gefallenen eingeweiht. Die Leiden der Verletzten wurden kaum anerkannt, viele wurden drogensüchtig oder begingen Selbstmord. Durch Agent Orange erkrankten viele an Krebs und Frauen erlitten Fehlgeburten.
Das alles schildert Hannah am Beispiel von Frances sehr eindrücklich und intensiv. Dabei gelingt ihr die Gratwanderung, den Krieg nicht zu verherrlichen oder die Soldaten zu heroisieren. Sie hat sehr gut recherchiert und bleibt nah an der oft schrecklichen Realität. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen und möchte es doch manchmal, denn einige Stellen sind schwer auszuhalten.
Ein sehr gutes Buch mit einem Thema, das auch bei uns zu oft vergessen wird!

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Veröffentlicht am 11.09.2024

Dramatisch

Das elfte Manuskript
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Hanne Wilhelmsen, ehemalige Ermittlerin in Oslo und nach einer Schussverletzung an den Rollstuhl gefesselt, hat ein Buch geschrieben, das bei einem großen norwegischen Verlag erscheinen soll. Eine junge ...

Hanne Wilhelmsen, ehemalige Ermittlerin in Oslo und nach einer Schussverletzung an den Rollstuhl gefesselt, hat ein Buch geschrieben, das bei einem großen norwegischen Verlag erscheinen soll. Eine junge Lektorin namens Ebba Braut soll sich um das Buch kümmern. Doch der Verlag und mit ihm Ebba stecken in Schwierigkeiten, denn das neue Manuskript der berühmtesten Autorin des Verlags ist verschwunden. Als Hanne davon erfährt, ist ihr Ehrgeiz geweckt und sie hilft Ebba bei der Suche. Gleichzeitig taucht eine Frauenleiche in einem Kofferraum eines Autos auf, ihr wurde das Gesicht entfernt und das macht die Identifizierung schwierig. Der junge Polizeibeamte Henrik Holme sucht den Rat von Hanne.

Zwei ganz unterschiedliche Erzählstränge, die von den drei Hauptpersonen zusammengehalten und zusammengeführt werden, machen das Buch sehr spannend und zum Schluss auch dramatisch. Die Protagonisten sind sehr unterschiedlich und ergänzen sich dabei hervorragend. Erst auf den letzten Seiten wird das perfide Spiel aufgedeckt, das weit in die Vergangenheit zurück reicht.

Das Buch ist einer der besten Krimis, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Da stimmt alles von der ersten bis zur letzten Seite. Anne Holt in Hochform!

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Veröffentlicht am 26.08.2024

Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Reise nach Laredo
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Arno Geiger ist ein vielseitiger Autor und hat sich in diesem Buch an einen historischen Stoff gewagt.
Kaiser Karl VI., der Herrscher, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, ist 58 Jahre alt und krank. ...

Arno Geiger ist ein vielseitiger Autor und hat sich in diesem Buch an einen historischen Stoff gewagt.
Kaiser Karl VI., der Herrscher, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, ist 58 Jahre alt und krank. Sein Reich hat er an seine Söhne übergeben und sich in ein Kloster zurückgezogen. Die Gicht und Depressionen plagen ihn, sein einziger echter Gesprächspartner ist sein Beichtvater.
Auch der zwölfjährige Geronimo lebt auf dem Hof, ein unehelicher Sohn Karls. Er wird einmal als Carlos d'Austria einen gewissen Ruhm als Feldherr erlangen, aber jetzt ist er nur eine zusätzliche Belastung. Als er Karl zu einer Reise nach Laredo ans Meer überreden will, entsteht eine unerwartete Dynamik.
Leider erfährt man in diesem Buch nur wenig über den historischen Hintergrund Karls, das sollte man aber googeln. Denn dadurch kann man das Geschehen besser einordnen.
Geiger stellt die menschlichen Aspekte Karls in den Vordergrund, seine Einsamkeit als Herrscher, die Vorwürfe, die er sich im Nachhinein über manche Entscheidungen macht, die Liebe, die er nicht geben konnte. Das macht den Kaiser nahbar jenseits aller Herrscherattitüde.
Sprachlich hat mich das Buch voll überzeugt, Geiger schreibt wie immer präzise und ausdrucksstark.
Ein wirklich gutes Buch!

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