Ein stilistisch gelungener, aber (für mich) wenig greifbarer Erzählband
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorneIn seinem Roman "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne" erkundet Saša Stanišić die verpassten Chancen und Wege, die das Leben aufzeigt ...
In seinem Roman "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne" erkundet Saša Stanišić die verpassten Chancen und Wege, die das Leben aufzeigt – jene Möglichkeiten, die wir wählen oder an denen wir vorbeigehen. Der preisgekrönte deutschsprachige Autor, der 1978 in Višegrad geboren wurde und seit seiner Jugend in Deutschland lebt, ist bekannt für seine Werke, die sich zwischen humorvollen und tiefsinnigen Geschichten bewegen.
Worum geht's genau?
Stanišić beleuchtet in einer Reihe von Erzählungen die Entscheidungen und Möglichkeiten, die sich im Leben eröffnen – und ebenso die verpassten Chancen, die diese Wege mit sich bringen. Durch verschiedene Charaktere und Begebenheiten, die sich überschneiden und verweben, setzt sich das Bild einer vielschichtigen Welt zusammen, in der die Protagonisten an Scheidewegen stehen. Da gibt es etwa die Reinigungskraft, die endlich die Zügel ihres Lebens in die Hand nehmen möchte, oder einen Vater, der sich darin übt, gegen seinen kleinen Sohn im Memory-Spiel zu gewinnen. Auch der Schriftsteller selbst erscheint und erzählt von einer Reise nach Helgoland, bei der er erkennt, dass er diese Reise möglicherweise bereits erlebt hat.
Meine Meinung
Ich habe mir länger Gedanken darüber gemacht, ob ich das Buch lesen soll. Das Cover hat mich sofort angesprochen und der ungewöhnliche Titel finde ich nach wie vor GRENZGENIAL und hat meine Neugier geweckt. Der Klappentext hingegen schien mir nicht ganz so vielversprechend, dennoch wollte ich mich überraschen lassen. Leider war das Buch für mich dann aber nicht das, was ich erwartet hatte. Ich hatte auf einen durchgehenden Roman gehofft und wurde stattdessen mit einer Sammlung von Geschichten konfrontiert. Zwar sind diese Geschichten miteinander verbunden und die Figuren tauchen teilweise auch in den Erzählungen anderer auf, doch für mich fehlte der rote Faden, der alles zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen würde. Es war, als ob ich eine Ansammlung von Momenten betrachte, ohne das große Ganze wirklich zu erfassen.
Zu den Charakteren konnte ich nur schwer eine Verbindung aufbauen. Besonders gelungen fand ich jedoch die Geschichte der Jugendlichen, die die Zukunft "spielerisch" anprobieren & (nicht) einloggen. Auch die zweite Geschichte von Dilek fand ich ansprechend und nachvollziehbar. Doch bei den übrigen Geschichten fühlte ich mich weniger eingebunden, und einige empfand ich sogar als eher mittelmäßig und nicht besonders einprägsam.
Der Schreibstil von Saša Stanišić hat mir an sich sehr gut gefallen. Seine Wortwahl ist präzise, und er hat eine besondere Art, mit Sprache umzugehen, die das Lesen an vielen Stellen angenehm machte. Dennoch empfand ich einige Passagen als zu langatmig. Vielleicht fehlte mir hier auch der nötige Zugang oder die Bereitschaft, mich tiefer auf manche der Themen einzulassen. Bei einigen Stellen war mir nicht klar, wie sie zu verstehen waren oder welche Botschaft Stanišić vermitteln wollte.
Fazit
Leider hat mich "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne" nicht überzeugt. Der fehlende rote Faden und die distanzierte Beziehung zu den Charakteren sind einige Gründe für die Bewertung. Daher vergebe ich 2 von 5 Sternen, da der Stil zwar ansprechend, das Buch für mich jedoch insgesamt nicht zugänglich und stimmig war.