Kein Burnout eher ein boreout
“ Sie wollte zu der jungen Frau sagen: Es ist kompliziert. Ich bin jetzt ein Mensch, der ich nie sein wollte, und ich weiß immer noch nicht, wie ich damit zurechtkommen soll. Ich wäre gern zufriedener, ...
“ Sie wollte zu der jungen Frau sagen: Es ist kompliziert. Ich bin jetzt ein Mensch, der ich nie sein wollte, und ich weiß immer noch nicht, wie ich damit zurechtkommen soll. Ich wäre gern zufriedener, stattdessen sitze ich in einem selbst erschaffenen Gefängnis und quäle mich ohne Ende.” (S. 72)
Das Cover dieses Romans passt wie die Faust aufs Auge und ja,mit genau dieser Brutalität. Knallig, überspitzt. Der Text trifft einen ins Fleisch - mich zumindest. Nightbitch von Rachel Yoder ist ein Roman, der mich zugleich bewegt und abgestoßen hat. Warum? Weil es die Geschichte einer Frau erzählt, die das langweiligste Leben aller Hausfrauen führt und dann ausbricht aus den geordneten Bahnen. Nicht so wie es schon viele literarisch verarbeitet haben. Nein, ihre Protagonistin, die namenlos bleibt, wird zu einem Tier.
„Ihr Problem war wohl, dass sie zu viel nachdachte, »toxisches Grübeln« und so weiter, deshalb hörte sie damit auf, und zurück blieb nur ein körperliches Gefühl der Erschöpfung.“ (S. 40)
Vor allem die Annäherung an die Protagonistin ist spannend. Zunächst ist sie fast attributlos, nur das Kind wird benannt. Nach und nach ergibt sich ein Bild über eine aufsteigende Künstlerin, eine starke Frau, die Wirkung mit Kunst erzielte, eine Galerie leitete. Und nun allein mit dem Kind zu Hause, weil es sich nicht „rentiert“ und das Multitasking eben nicht die Lösung des „Ich-kann-alles-haben-und-muss-es-nur-durchziehen“ ist.
“War es langweilig? Ja, war es, dass wusste die Mutter, und sie wünschte sich, dass jemand, irgendwer, diese Monotonie verstand, diese den Verstand lähmende Routine, diese Verlangsamung des Denkens ab dem Moment des Aufwachens.” (S. 60)
Eine einsame Person, die das Kind unterfordert und die depressiv durch ihren Alltag schliddert. Ihr Mann nur eine Randfigur. Und in diese Situation hinein wird sie immer wieder zum Hund. Mal durch den Habitus, mal durch nächtliche Streifzüge. En Detail beschrieben und glaubwürdig erzählt.
“ Eine wilde, komplizierte Frau mit eigenartigen Sehnsüchten. Wütend und stur, aber auch weich und zärtlich. Sie war eine Schöpferin, und sie war die dunkle Macht, die nachts umher-streifte, Sie war halb Intellekt und halb Instinkt, sie war der pure Fluchtreflex.” (S. 275)
Und hier beginnt die Faszination meinerseits. Rachel Yoder nutzt genau das was Literatur kann, dass nicht mögliche auf dem Papier möglich machen. Ausbrechen aus der Realität. Das „Was wäre wen?“-Spiel auf die Spitze treiben.
Zum Schluss des Romans – aber so weit möchte ich nicht spoilern – ergibt sich noch eine Wendung die eine Interpretation in mannigfaltiger Art möglich macht.
Dies ist ein Buch wo ich lange sinniert habe, wem kann ich dieses Buch empfehlen und mir fallen schon ein paar (vor allem Frauen) ein, trotzdem bleibt es speziell.
Fazit: Das Mutterdasein und seine Hürden neu erzählt mit viel Faszinosum.