Gesellschaftskritik als Debüt - außergewöhnlich aber gelungen
Das Auswahlverfahren im Hotel Weitblick soll richtungs- & zukunftsweisend sein, denn im Wochenend-Seminar soll derjenige auserkoren werden, der am besten für den Geschäftsführerposten geeignet ist. Das ...
Das Auswahlverfahren im Hotel Weitblick soll richtungs- & zukunftsweisend sein, denn im Wochenend-Seminar soll derjenige auserkoren werden, der am besten für den Geschäftsführerposten geeignet ist. Das Auswahlseminar wird von Dr. Tankwart geleitet, der führ seine Effizienz und seine Menschenkenntnis bekannt ist. Doch das Seminar droht ihm zu entgleiten, denn die Teilnehmenden legen plötzlich ein Verhalten an den Tag, das dem Erziehungsmuster einer Nazi-Pädagogin folgt....
Auf "Hotel Weitblick" muss man sich ganz unvoreingenommen einlassen, damit dieser außergewöhnliche Debütroman seine komplette Wirkung entfalten. kann. Zwar habe ich ein wenig Probleme, mich mit der Wahl des stilistischen Mittels anzufreunden, denn die Autorin verzichtet komplett auf wörtliche Rede und setzt auch schon mal hinter nicht zu Ende gesprochenen Sätzen einen Punkt, aber erstmal im Lesefluss, kann man sich den Ereignissen in der Abgeschiedenheit nur schwer entziehen. Es ist fast wie bei einem Unfall, bei dem man weiß, dass man nicht gaffen soll, aber man tut es unweigerlich trotzdem und genau das passiert hier auch - die Figuren halten noch am ersten Tag ihre sorgsam gehütete Maskerade aufrecht, aber so nach und nach bröckelt die Mauer und das wahre Ich kommt zum Vorschein.
Die ihnen gestellten Aufgaben verwirren zunehmend die Teilnehmer und sind nicht unbedingt das, was sie in einem Assessmentcenter erwartet haben. Und doch habe alle Aufgaben nur ein Ziel - nämlich aufzuzeigen, dass alle Bewerber auf den Posten einem ganz bestimmten, von klein auf eingeimpften Muster folgen und so sich quasi dem Gehorsam unterwerfen. Hier werden die Finger in die Wunden gelegt, nachgebohrt und das Innerste nach außen gekehrt, Wünsche und Sehnsüchte, aber auch Versagensängste und Leistungsdruck suchen sich einen Weg an die Oberfläche und hinterlassen eine Schneise der Verwirrung und der seelischen Narben, die unbewusst wieder aufbrechen.
Kein leicht zu lesendes Buch und dabei doch sehr ehrlich - es regt zum Nachdenken an, zeigt sich provokativ und streitsüchtig und hält dem Leser den gesellschaftskritischen Spiegel vor.
Auf jeden Fall ein gelungenes Debüt, das neugierig auf nachfolgende Bücher macht.