Magisch und faszinierend
Inhalt
Nahri hat sich in Kairo eine bescheidene Existenz als Heilerin aufgebaut - träumt aber von einem richtigen Medizinstudium. Um diesem Ziel näher zu kommen, macht sie auch von ihren Talenten als ...
Inhalt
Nahri hat sich in Kairo eine bescheidene Existenz als Heilerin aufgebaut - träumt aber von einem richtigen Medizinstudium. Um diesem Ziel näher zu kommen, macht sie auch von ihren Talenten als Diebin und Betrügerin Gebrauch. Bis sie bei einem Ritual auf die Idee kommt, in ihrer geheimnisvollen Muttersprache zu singen - und prompt den Daeva Dara heraufbeschwört. Dieser erkennt sie als ein Mischwesen und letzten Abkömmling einer ausgestorben geglaubten Blutlinie. Und obwohl er das Ergebnis solcher schändlicher Verbindungen von Dschinn und Menschen verabscheut, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Nahri nach Daevabad zu bringen.
In Daevabad hat der junge Prinz Ali mit Moral- und Loyalitätskonflikten zu kämpfen - und der Politik und Geschichte, welche die Stadt zu zerreissen drohen.
Die Geschichte
Unmöglich über “Die Stadt aus Messing” zu sprechen und nicht zuallererst auf das Worldbuilding zu sprechen zu kommen. Es ist schlichtweg beeindruckend und mitreissend. Die Autorin hat eine durch und durch magische Welt erschaffen, die durch ihre Komplexität, Glaubwürdigkeit, Originalität und Exotik einen unwiderstehlichen Sog entwickelt. Von der Historie über die verschiedenen Stammeskulturen bis zur Gesellschaftsstruktur passt jedes Puzzleteil stimmig ins Gesamtbild, das auf zauberhafte Weise zum Leben erwacht. Ein so monumentales Werk wirft aber auch einen Schatten: Es erfordert schon einiges an Konzentration, bei all den verschiedenen Stämmen, Titeln, exotischen Namen und Fehden nicht den Überblick zu verlieren. Bestimmt wäre mir das leichter gefallen, hätte ich das alles geschrieben gesehen und nicht nebenbei bei der Hausarbeit gehört.
In und mit dieser wimmelnden und wabernden Welt erwachen vielerlei Haupt- und Nebenfiguren zum Leben. Auch diese glänzen durch Komplexität und Originalität, starke Motivationen, undurchsichtige Motive und detailliert ausgearbeitete Persönlichkeiten. Sowohl Entwicklungsbögen als auch unerwartete Enthüllungen sind stets im Charakter verankert und logisch nachvollziehbar. Und so verwundert es auch nicht, dass der Plot - der massgeblich von den Entscheidungen und den Handlungen der vielfältigen Figuren geformt wird - mit viel Spannung und unerwarteten Wendungen aufwartet. Einzig der romantische Subplot konnte mich, vor allem zu Anfang, nicht überzeugen. Das uralte, übersinnliche Wesen, das seine Vorurteile auf wenigen Seiten überwindet und sich auf wenigen Seiten in das junge, einfache Mädchen verliebt - das trifft so gar nicht meinen Geschmack und erschien mir auch in der Umsetzung nicht sehr glaubwürdig. Schade, denn die zwischenmenschlichen Beziehungen und Dynamiken sind ansonsten mitreissend, erfahr- und nachvollziehbar dargestellt. Mit den sich entwickelnden Geschehnissen und Andeutungen vor allem zum Ende des Buches, könnte ich mir aber vorstellen, dass diesem Subplot im Weiteren noch mehr Substanz zugefügt werden könnte. Vielleicht ist das aber auch nur meine Hoffnung.
Jedenfalls: Plot und Struktur überzeugen durch Raffinesse und einen ausgeklügelten Plan. Nach einer gefühlten Spannungsflaute zur Mitte (interessant ist es trotzdem geblieben), nimmt das Tempo dann wieder rasant zu, die Ereignisse überstürzen sich und schlagen Hacken - und haben mich trotzdem nicht abgehängt.
Sprecherin
Lara Hoffmann schafft es, die magische Welt der Dschinn gefühlvoll zum Leben zu erwecken und verleiht dem zauberhaften Aspekt der Geschichte stimmige Atmosphäre. Speziell in Nahris Perspektive ist ihre Interpretation für mich stimmig und der Charakter der jungen, aber starken Frau gut eingefangen. Auch Ali, die philosophisch-moralische Seele im Körper und in der Rolle des gnadenlosen Kriegers, finde ich gut getroffen. Es gibt aber auch viele Szenen und Situationen, da entfaltet Hoffmanns Stimme einfach nicht genügend Kraft für die gewaltigen Bilder und Ereignisse und klingt für mich oftmals zu weinerlich. Dadurch erhält die Geschichte einen mädchenhaften Unterton, der eher dem nicht so geglückten Subplot entspricht, als dem epischen Gesamtwerk gerecht wird.
Fazit
“Die Stadt aus Messing” hat mich mitgerissen und nicht mehr losgelassen. Die Welt und die Charaktere, die Handlung und der Aufbau haben mich als Gesamtpaket überzeugt und lassen mich über kleinere Schwächen getrost hinwegsehen. Der zweite Band landet ganz oben auf meiner Leseliste - diesmal aber in Buchform.