"Es tut mir leid...", flüsterte der Sterbende, als ich dicht genug bei ihm war, um seinen Atem an meiner Wange zu spüren, "...aber Joshua hat Sie auserwählt!"
["Das Joshua-Profil", S. 24]
Inhalt:
Max Rhode ist ein recht erfolgloser Thrillerautor, der nach seinem Bestseller "Die Blutschule" kein ordentliches Werk mehr zustande gebracht hat. Immer auf der Suche nach neuen Ideen, verbringt der Vater einer Pflegetochter namens Jola, seine Zeit oft in seinem Arbeitszimmer und recherchiert für sein nächstes Buch. Als ihn eines Tages ein Anruf erreicht und er von einem Arzt ins Krankenhaus gebeten wird, um sich die letzten Worte eines ihm unbekannten Verbrennungsopfers anzuhören, ist es gerade die Jagd nach neuen Thrillerideen, die ihn ans Krankenbett des Sterbenden führt. Mit seinen letzten Atemzügen, will der Mann Max davor bewahren, sich innerhalb des nächsten Jahres strafbar zu machen, denn Joshua hätte ihn auserwählt und Joshua irrt nie. Doch für Max ergeben die Worte des Mannes keinen Sinn, er tut sie als Spinnerei ab und zwei Monate später, hat er sie schon wieder vergessen, bis die Hölle losbricht und sich der junge Autor nicht nur auf der Flucht, sondern ebenfalls auf der verzweifelten Suche nach seiner entführten Tochter befindet...
Meinung:
Obwohl Sebastian Fitzek schon längst zu meinen Lieblingsautoren gehört und mein Herz bereits vor Jahren für sich gewinnen konnte, gibt es eine Handvoll Werke aus seiner Feder, die ich noch nicht entdeckt habe. Das hat zwei Gründe: zum einen möchte ich mir seine Schätze einteilen, um möglichst lange etwas von ihnen zu haben, zum anderen kann ich seine Werke auch immer nur in einem gewissen Abstand lesen. Ich liebe seine Bücher und ich liebe seine Ideen, doch die Handlung und besonders die Auflösung seiner Werke sind oft sehr abstrus, der ganze Thriller oft stark konstruiert, aber das ist eben Fitzek, das ist seine Handschrift, trotzdem brauche ich deshalb manchmal eine Fitzek-Pause.
Dem ist es schließlich auch geschuldet, dass "Das Joshua-Profil" eine beträchtlich lange Zeit auf meinem SuB lag und darauf gewartet hat, mich in seine Welt zu ziehen. Eine Welt, die erneut durch die typische Fitzek-Handschrift gekennzeichnet ist, sich letztlich aber gar nicht wie ein richtiger Fitzek liest. Dabei kann ich gar nicht sagen, woran ich dies genau festgemacht habe, es war mehr der Leseprozess, der sich einfach anders angefühlt hat, was das Buch an sich jedoch nicht schlecht macht. Ganz im Gegenteil: der Thriller war durchweg sehr überzeugend.
Fitzek schlüsselt die Ereignisse nur sehr langsam auf, was dazu führt, dass man als Leser in einem rasanten Tempo von Kapitel zu Kapitel springt, um endlich das Rätsel um Joshua aufzulösen und damit das Puzzle zu vervollständigen. Dabei legt der Autor die Handlung aus sehr vielen verschiedenen Blickwinkeln dar. So begleiten wir nicht nur den Protagonisten auf seiner Flucht, sondern ebenfalls seine entführte Pflegetochter Jola, Maxs Staranwalt Toffi und mehrere weitere Buchfiguren, die im Verlauf der Geschichte eine Rolle bekommen. "Das Joshua-Profil" lebt von seinen verschiedenen und zahlreichen Figuren, denn sie bringen nicht nur Tempo, sondern auch Spannung in jedes Kapitel. In meinen Augen waren sie es, die dieses Werk so besonders gemacht haben. Sie und die Themen, die Fitzek hier besonders herausgearbeitet hat.
Denn wie so oft, basiert die Grundidee des Autors auf einem sehr aktuellen und kritischen Thema. Da ich dieses hier aber nicht ansprechen kann, ohne entscheidende Puzzleteile der Handlung zu offenbaren, werde ich es nicht genau benennen, sondern lediglich äußern, dass Fitzek dieses Thema wieder sehr schockierend und authentisch aufbereitet hat, sodass es nach der letzten Seite im Kopf des Lesers nachpocht und zum Nachdenken, sowie zur Meinungsbildung bzw. Positionierung anregt.
Dieses Thema bildet zwar den roten Faden innerhalb der Geschichte, ist jedoch nicht die einzig kritische Materie, die in die Handlung verwoben wird. Zusätzlich spinnt Fitzek noch mehrere Tabuthemen in die Handlung, die das Leseerlebnis teilweise sehr beklemmend machen und bei dem ein oder anderen Leser definitiv dazu führen können, dass dieser das Werk abbricht. Warum Sebastian Fitzek in "Das Joshua-Profil" nicht nur einen pädophilen Charakter erschafft, der nach und nach die Sympathiepunkte der Leser gewinnen kann, sondern sich ebenfalls mit Missbrauch, Misshandlung und Pflegefamilien auseinandersetzt, erklärt er in seinem grandiosen vierzehn-seitigen Nachwort, das man als Weiterführung der Geschichte verstehen und somit unbedingt lesen sollte. Hier findet man nicht nur seine Begründung der Themenschwerpunkte, sondern ebenfalls viele sehr kluge und überzeugende Denkansätze, mit denen man sich definitiv einmal beschäftigt haben sollte.
Obwohl dieser Thriller über überzeugende und spannende Figuren, sowie kritische und aktuelle Themen verfügt und als Gesamtpaket sehr gut funktioniert, hat er nur eine Vier-Sterne-Bewertung von mir bekommen. Warum? Zwar hört jedes Kapitel sehr ungewiss und damit dramatisch auf und durch den Perspektivwechsel wird man regelrecht angespornt, schnell weiterzulesen, um an diese mitreißende Stelle zurück zu gelangen, aber trotzdem hat die Handlung nicht für das gewohnte Kribbeln in meinen Fingern gesorgt, nicht meinen Herzschlag beschleunigt und nicht meine Hände zum Schwitzen gebracht. Es war zwar spannend, aber nicht nervenzerreißend spannend. Und das ist letztlich genau der Funke, der mir gefehlt hat, den ich vermisst habe. Warum das Buch für mich nicht so spannend war, wie für manch andere Leser? Stellenweise ist es mir sehr schwer gefallen, mich auf die Handlung der Geschichte einzulassen, mich in sie hineinziehen zu lassen. Im Gegensatz zu anderen Werken des Autors (ausgenommen "AchtNacht"), geht es bei "Das Joshua-Profil" ziemlich rasant zu. Verfolgungsjagden und Versteckspiele bestimmten die Kapitel, diese waren mir jedoch teilweise etwas zu sehr konstruiert, etwas zu abgehoben, schlicht: ich konnte sie nicht immer ganz nachvollziehen, was mich dann aus der Spannungswelle, aus der Geschichte geworfen und immer wieder leicht zum Stocken gebracht hat.
Fazit:
„Das Joshua-Profil“ von Sebastian Fitzek ist auf der einen Seite ein sehr typisches Werk des Autors, auf der anderen Seite wiederrum nicht, verfügt aber über ein gelungenes und mitreißendes Gesamtpaket. Dieses Gesamtpaket wird bestimmt durch überzeugende Figuren, spannende Kapitel und ein rasantes Tempo, wirkt jedoch stellenweise stark konstruiert und übertrieben, weshalb es im Gesamtschnitt einen Stern einbüßen musste. Trotzdem handelt es sich hierbei um einen guten Thriller, der zum Nachdenken anregt, indem er aktuelle Themen, aber auch Tabuthemen authentisch aufgreift und aufarbeitet.