Die Glücksspenderin
Die Enddreißigerin Juli Mahlo lebt allein in einer Wohnung, die sie bereits mit Mutter und Großmutter geteilt hat, angefüllt mit alten Erinnerungen und vielen Dingen aus der Vergangenheit. Sie liegt über ...
Die Enddreißigerin Juli Mahlo lebt allein in einer Wohnung, die sie bereits mit Mutter und Großmutter geteilt hat, angefüllt mit alten Erinnerungen und vielen Dingen aus der Vergangenheit. Sie liegt über dem familieneigenen Blumenladen. Juli ist sich allein völlig genug und führt ein Tagebuch über die möglichen Ängste der Menschen, ihre eigenen eingeschlossen. Obwohl Juli sehr zurückgezogen lebt, hat sie die Gabe, ihren Mitmenschen eine gute Zuhörerin zu sein. Wenn sie Blumen austrägt, kommt sie mit ihnen ins Gespräch und hilft ihnen, sich ihr zu öffnen und ihr zu erzählen, was sie bewegt, während Juli schon mit einem Blick in die jeweilige Wohnung und einem Schnuppern nach dem dort enthaltenen Geruch Verbindungen herstellt, was den Menschen wohl fehlen könnte und worunter sie wohl leiden, damit sie ihnen helfen kann. Diese Gabe kann sie allerdings nicht bei sich selbst anwenden, bis Oskar Lensky vor ihrer Tür steht – ein Traummann, der ihr Herz höher schlagen lässt. Dass Oskar sich nicht nur in ihr Leben schleicht, sondern sie auch zu einem Familiengeheimnis führt, ahnt Juli noch nicht.
Tanja Kokoska hat mit ihrem Buch „Juli verteilt das Glück und findet die Liebe“ einen sehr unterhaltsamen, gefühlvollen und leisen Roman vorgelegt, der den Leser während der Lektüre in eine ganz besondere Atmosphäre versetzt, es ist, als lese man ein Weihnachtsmärchen. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, manchmal schon zu gewollt prosaisch. Bis ins kleinste Detail transportiert die Autorin Julis Welt dem Leser, so dass man alles genau vor Augen hat: vom monströsen Schrank im Flur bis hin zum staubigen Geschirr in einer Schublade. Alles wirkt wie der Blick in eine Schneekugel, verträumt und irgendwie auch heimelig. Die Autorin weiß das Herz des Lesers mit ihrer blumigen Sprache anzurühren und alles durch ihre bzw. Julies Augen zu sehen. Berührend dabei ist, in welcher Einsamkeit Juli sich befindet, völlig von der Umwelt abgeschottet, und selbst völlig weltfremd in ihren Träumereien gefangen ist. Die Realität lässt Juli nicht in ihre Wohnung dringen, trotzdem wagt sie sich aus ihr heraus, um die Realität anderer Menschen zu verändern und zu verschönern.
Die Charaktere sind schön ausgestaltet und mit Leben versehen. Sie wachsen dem Leser mit ihren schrulligen Eigenheiten schnell ans Herz und lassen ihn so mitfiebern und bangen, was sie wohl erwarten wird. Juli wirkt für ihr Alter eher wie ein naives Kind, dass sich die Welt so zurechtlegt, damit sie in ihr zurechtkommt. Es scheint oftmals, als würde sie gar nicht in der Gegenwart leben, sondern völlig entrückt in der Vergangenheit, weil sie sich vor der Welt draußen fürchtet. Juli hat sensible Antennen für ihre Mitmenschen, sucht ständig nach Lösungen für deren Probleme und ist eine gute Zuhörerin. Ihre eigenen Wünsche erkennt der Leser erst genauer, als sie die Begegnung mit Oskar hat. Auch die weiteren Protagonisten passen gut in die von der Autorin geschaffene Märchenwelt und bestechen mit ihren Erlebnissen und Schicksalen.
„Juli verteilt das Glück und findet die Liebe“ ist ein recht unterhaltsames Buch für alle, die sich gern in der Sprache verlieren und eine bildhafte Sprache mögen. Ein gerade für diese Jahreszeit sehr passender Roman, der eine Leseempfehlung verdient.