Der neue Roman der Bestsellerautorin Tara Haigh beinhaltet zwei parallele Erzählungen auf unterschiedlichen Zeitebenen. Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Man taucht sofort in das Geschehen ein.
Laura, die aus dem Kloster Avila geflohen ist, kommt 1492 mit dem Schiff auf der Insel an. Die karge Landschaft ist so ganz anders als ihre baskische Heimat, weckt aber ihr Interesse. Im Norden der Insel lebt ihre Familie und hat eine Zuckerrohrplantage.
Jana, die von einem Fremden eine Bananenplantage auf der Insel erben kann, sieht aus dem Flugzeug Berge und Canyons, die auf sie sofort eine Faszination ausüben.
Beide Frauen haben nicht nur ähnliche Empfindungen, als sie Gran Canaria sehen, sie verbindet das Schicksal. Das Geheimnis darum ist der rote Faden, der die die Geschichte von Laura und Jana vereint.
Auch in diesem Roman greift Tara Haigh historische Fakten, die weniger bekannt und literarisch bisher kaum in Erscheinung getreten sind, auf. Es sind Kultur und Lebensweise der Guanchen, der Ureinwohner der Kanaren. Sie wurden von den Spaniern grausam verfolgt und ausgerottet. Noch heute haben 40 Prozent der Bevölkerung Vorfahren unter den Guanchen.
Im Roman ist es die junge Laura, die durch den Vorarbeiter Aquil und den Missionar Calvino mehr über die Guanchen erfährt. Sie gibt als Assistentin von Calvino, dem konvertierten Juden, Kindern der Einheimischen Unterricht, um sie an die veränderten Lebensumstände vorzubereiten. Die Spanier herrschen grausam über die Insel und Laura erlebt das hautnah. Es sind spannende Momente, wo man als Leser mit Laura mit fiebert, als in einer Aktion Kinder vor den Spaniern in Sicherheit gebracht werden.
Laura erlebt aber auch Abenteuer in ihrer Liebe zu Aquil, die es zu dieser Zeit nicht geben darf. Beide sind für mich ein Sinnbild der Zukunft. Der Autorin gelingt es ausgezeichnet die historischen Umstände jener Zeit zu schildern. In Spanien herrschen die katholischen Könige Isabella und Ferdinand, gestützt auf die Inquisition der Kirche. Die Sklaverei ist all gegenwärtig und erlebt eine Blütezeit. Aber die Veränderung der alten Welt bricht an, als Christoph Columbus von den Kanaren gen Westen aufbricht, um einen neuen Seeweg nach Indien zu finden und eine neue Welt entdeckt.
Intrigen ihrer Schwester und eines mächtigen Gönners ihrer Familie verurteilen die Liebesbeziehung zu Scheitern. Laura und Aquil kämpfen verzweifelt darum.
Dieser Teil des Romans hat mich begeistert. Laura ist eine sympathische Protagonistin und glaubwürdig dargestellt. Sie ist klug und belesen. Sie tritt den Guanchen unvoreingenommen gegenüber und wird von ihnen akzeptiert. Laura ist eine mutige junge Frau und gibt nicht auf. Hier zeigt die Autorin, wie man gut recherchierte historische Fakten mit einer spannenden Liebesgeschichte verbinden kann. Auch die Nebenfiguren, wie ihr Vater und ihre Schwester Ines oder der Portugiese Rui, sind authentisch und ihr Handeln nachvollziehbar.
Leider ist ihr das bei dem Teil, der in der Gegenwart angesiedelt ist, nicht so gut gelungen. Jana und ihr Freund Marcel , der Schweizer Hotelerbe, sind zu klischeehaft dargestellt. Die Reise Janas auf die Bananenplantage und ihre späteren Erkundungen auf der Insel sind farbenreich beschrieben. Man merkt den Landschaftschilderungen die Liebe und Kenntnis der Autorin zur Insel an. Sie schafft Bilder von großer Intensität.
Die spirituellen oder esoterischen Empfindungen von Jana, die sich bei ihr an bestimmten Orten auf Gran Canaria einstellen, sind für mich wenig glaubwürdig. Hier soll eine Verbindung zur Vergangenheit geschaffen werden, die nicht vorhanden sein kann. Eine interessante Person ist Tara Haigh mit dem einheimischen Guide Eloy gelungen, der mich aufgrund seines Auftretens und seiner kanarischen Vorfahren an Aquil erinnert.
Das Ende von Janas Erbe, welches sie nach Sichtung aller historischen Dokumente und Artefakte annimmt und in dem der Bezug zum Titel des Romans hergestellt wird, war für mich leider einfach absurd.
Deshalb kann ich auch nur 3 Sterne vergeben, obwohl der die Geschichte um Laura um Einiges besser war. Hier hat die Autorin ein großartiges Panorama aus Spannung und Liebe, eingebettet in einer einzigartigen Beschreibung von Gran Canarias zu Columbus Zeiten, geschaffen. Das ist meine ganz persönliche Meinung.
Zu empfehlen ist der Roman allen, die eine romantische und spannende Liebesgeschichte aus vergangenen Zeiten mögen und jenen die Gefühle jenseits der Zeiten für möglich halten.
Das Rezensionsexemplar wurde mir dankenswerter Weise von NetGalley zur Verfügung gestellt und hat meine Meinung in keiner Weise beeinflusst.