Eintauchen in ein vergangenes Wien
Das Autoren-Duo Thomas Hofmann und Beppo Beyerl hat sich auf die Spuren längst vergangener Gebäude in Wien geheftet. Sei es, dass diese Bauwerke durch Naturkatastrophen, Brände, Kriege oder dem Verschönerungswahn ...
Das Autoren-Duo Thomas Hofmann und Beppo Beyerl hat sich auf die Spuren längst vergangener Gebäude in Wien geheftet. Sei es, dass diese Bauwerke durch Naturkatastrophen, Brände, Kriege oder dem Verschönerungswahn zerstört worden sind. Alle haben sie gemeinsam, dass allenfalls nur mehr Bilder oder Gedenktafeln an sie erinnern.
Unterteilt ist die Reise in die Vergangenheit in folgende Kapitel:
Die Zeit gibt die Bilder
Monumente, die es nicht mehr gibt
Vergangene Freuden
Alles in Bewegung
Aus dem Alltag von gestern
Selbst als historisch interessierte Wienerin ist es möglich, neues zu erfahren und zu entdecken. Die Autoren erzählen Geschichte und G‘schichterln im Plauderton und scheuen sich nicht, auch Tragisches zu erwähnen (siehe Ringtheaterbrand S.81).
Auch in der Vergangenheit hörte man den Aufschrei von Zeitgenossen, die den einen oder anderen Neubau als „Verschandelung“ bezeichnete. Berühmtestes Beispiel ist das Loos-Haus am Michaelerplatz, das auch Kaiser Franz Joseph eine Bemerkung wert war.
Gut hat mir der Abschnitt „Alles in Bewegung“ gefallen. Hier nimmt das Autoren-Duo die technischen Errungenschaften unter die Lupe. Das Flugfeld in Aspern (S. 181), der erste Flughafen Wien, der jetzt das größte Stadtentwicklungsgebiet Europas ist oder Spielereien wie die Zahnradbahn auf den Kahlenberg (S. 171) oder die berühmt-berüchtigte Reichsbrücke (S. 189). Die erste Konstruktion wurde von den Wienern „Selbstmörder-Brücke“ genannt.
Als Fan von historischen Bahnhöfen bedaure ich den Abriss des alten Franz-Josephs-Bahnhof im Jahr 1974 sehr. Auf meinem Schulweg bin ich täglich vorbeigegangen. Seine Integration in einen Stahl-Glas-Palast einer großen Bank hat ihn und seinen Zweck fast zu Gänze verschwinden lassen. Wer an diesem Koloss vorbeigeht, kann nur erahnen, dass es sich hier um einen Bahnhof handelt.
Das letzte Kapitel “Aus dem Alltag von gestern“ widmen die Autoren den sogenannten „kleinen Leuten“, die, wie die „Ziegel-Behm“ einen maßgeblichen, aber unbedankten Anteil an der Stadt von gestern hatten.
Die Reise durch ein längst versunkenes Wien lässt mich an Mephisto in Johann Wolfgang von Goethes Faust I denken:
„... denn alles, was entsteht,
ist wert, daß es zugrunde geht...“
Diese manchmal wehmütig anmutende Begegnung mit Bekannten und Unbekannten, mit Verlorenem und Verwehten ist durch eine Vielzahl von historischen Abbildungen untermauert (sic!). “
Fazit:
Für Wien-Liebhaber, egal ob Einheimische oder Besucher, ein gelungenes Buch, das anregt, die Stadt mit anderen Augen zu betrachten. Es gibt noch viel mehr zu entdecken! Gerne gebe ich hier 5 Sterne.