Überzeugender Historienroman
Thomas Majhens Roman wird auf zwei Handlungsebenen erzählt, wodurch eine Inhaltszusammenfassung etwas komplexer ist. Einerseits wird die Geschichte von Hans Oster erzählt, der sich mitten in der Blomberg-Fritsch-Affäre ...
Thomas Majhens Roman wird auf zwei Handlungsebenen erzählt, wodurch eine Inhaltszusammenfassung etwas komplexer ist. Einerseits wird die Geschichte von Hans Oster erzählt, der sich mitten in der Blomberg-Fritsch-Affäre wieder findet. Oster und sein Verbündeter Erwin von Witzleben bereiten einen Putsch gegen die Nationalsozialisten und Hitler vor. Sie bauen ein Netzwerk aus mächtigen Männern auf – und sprechen in dieser Geschichte überraschend offen miteinander.
Der zweite Handlungsstrang betrachtet eine Clique aus Augsburger Schülern rund um den Protagonisten Christoph. Hautnah erleben die vier, welche Auswirkungen die Politik der Nazis auf die „normale“ Bevölkerung haben. Im Mittelpunkt steht stets die Frage, auf welche Seite sie sich stellen werden und ob die Propaganda es schafft, sie und ihre Weltsicht zu manipulieren.
In diesem zweiten Handlungsstrang dringt Thomas Majhen tief in die menschliche Psyche vor und schafft eine faszinierende Geschichte. Ein Teil der Realität, der jedoch in der Literatur nur zu selten betrachtet wird. Hierdurch entsteht eine frische Abwechslung. Schleichend erlebt man beim Lesen die Veränderungen in der Bevölkerung: die Juden, die nach und nach verschwinden, den Einfluss, den die Partei auf den Alltag nimmt und wie immer weniger Menschen es wagen, ihre Meinung kundzutun. Hier liegt für mich die größte Stärke dieses Buches.
Auch wenn die beiden Handlungsstränge nicht unmittelbar miteinander verbunden sind, so entsteht durch diese doch ein interessantes Wechselspiel. Der Handlungsstrang um Hans Oster behandelt vor allem die Historie. Hierbei wirkt der Schreibstil zuweilen zäh und wie aus dem Geschichtsbuch, durch den fiktiven Handlungsrahmen wird dies jedoch aufgelockert. Wer sich mit Militärhistorie allerdings noch nie beschäftigt hat, könnte von den zahlreichen Fachbegriffen etwas erschlagen werden – diese werden aber so gut wie möglich im Text erklärt, sodass alles verständlich bleibt. Geschichte erwacht hier zum Leben. Vor allem dank der guten Recherche-Arbeit des Autoren, der akribisch auf jedes Detail achtet und Realität und Fiktion geschickt miteinander vermischt. Wer sich weitergehend mit der Thematik befassen möchte, auf den wartet am Ende des Buches eine Liste mit Literaturverweisen, die der Autor für seine Recherche genutzt hat – etwas, das mir bei einem Historienroman immer gut gefällt.
Bei diesen „formalen“ Aspekten muss ich leider aber auch anmerken, dass der Buchsatz des E-Books nicht besonders Nutzerfreundlich ist. Zum einen gibt es keine Kapitel-Verlinkungen, sodass man sich entweder immer ein Lesezeichen setzen muss oder keine Textstelle mehr wieder findet. Zum anderen war es für mich – vor allem abends – aufgrund des geringen Zeilenabstands schwierig, mich auf die komplexe Handlung (die mich eigentlich sehr begeistert hat!) zu konzentrieren. Aber das ist nur ein kleiner Makel und angesichts des faszinierenden Inhalts möchte ich dem Buch hierfür auch keinen Stern abziehen.
Für mich ist „Die Clique der Ehrlosen“ ein historischer Roman, der mit vielen Konventionen seines Genres bricht und dabei doch alles richtig macht. Auch wenn man wohl ausgesprochener Geschichtsfreak sein muss, um sich ganz und gar auf das Buch einlassen und es genießen zu können. Von mir gibt es eine klare Empfehlung an alle Geschichtsfans und diejenigen, die mehr über diese Zeit lernen wollen.