Sympathisch und originell, Gewichtung nicht ganz mein Fall
Der Untertitel zu „Tobis Städtetrip“ verspricht: „Hessen ganz besonders entdecken“ und das ist durchaus kein leeres Versprechen. Hier wurde eine hr-Serie in Buchform umgesetzt. Ich kannte die Serie nicht ...
Der Untertitel zu „Tobis Städtetrip“ verspricht: „Hessen ganz besonders entdecken“ und das ist durchaus kein leeres Versprechen. Hier wurde eine hr-Serie in Buchform umgesetzt. Ich kannte die Serie nicht und habe mir erst danach eine Folge angesehen, was mir geholfen hat, einige der Dinge, die mir im Buch nicht zusagten, besser zu verstehen. Das erwähne ich deshalb, weil es hilfreich sein kann, das Konzept der Fernsehsendung zu kennen, um nicht mit falschen Erwartungen an das Buch heranzugehen.
Das Buch nimmt seinen Text letztlich aus den in der Sendung gesprochenen Texten und versieht diese mit vielen Fotos aus den Folgen. Alle Fotos sind in Farbe, fast durchweg gut gelungen, überhaupt ist die visuelle Gestaltung ansprechend. Kleine, zusammenfassende Bemerkungen in blauen, kreisförmigen Feldern lockern den Text noch zusätzlich auf. Der Text liest sich überwiegend gut, teilweise wurde mir die Lesefreude ein wenig beeinträchtigt, wenn es betont locker mit Begriffen wie „Style“, „Tattoo“ oder „Location“ zugange ging, die Leser geduzt werden oder die Lesbarkeit durch die Unterwerfung unter das Gender-Diktat (wenigstens nicht mit grausigen Sonderzeichen) litt. Allgemein aber macht das Lesen Spaß.
Jedes Städtekapitel beginnt mit einer kleinen Einführung und endet mit einem Fazit. Letztere fand ich besonders erfreulich und habe mich immer darauf gefreut. Sie sind sehr persönlich, fassen alles gelungen zusammen und haben Pfiff. Auch der Text selbst ist oft sehr persönlich gehalten. Das hat mir beim Lesen sehr gefallen, denn Tobi läßt uns immer wieder an seinen Gedanken teilhaben. Und wenn man dann zur Unionskirche in Idstein liest, daß Tobi ein paar Klänge auf der Orgel spielen darf und er schlicht berichtet: „Bis in die letzte Reihe klingt der Ton und macht mir eine kleine Gänsehaut. So schön ist das“, dann haben wir wirklich daran teil und empfinden es weit besser als bei jeder kunstvollen, aber unpersönlichen Beschreibung. In einem Luftschutzbunker in Kassel schildert Tobi: „Hier gibt es keinen Komfort, nur raue Steinwände und Stehplätze für Hunderte, dicht gedrängte Menschen. Körper an Körper warteten sie hier, bis das Schlimmste vorbei war. Bei dem Gedanken daran schnürt sich mir die Kehle zu.“ Diese Unmittelbarkeit der Gedanken ist eine große Stärke des Buches und macht den Text ungemein sympathisch.
Die Auswahl der Einträge hat mir oft weniger zugesagt. Da half es, sich auf das Konzept der Sendung zu besinnen und darauf, daß dieses Buch kein Reiseführer im herkömmlichen Sinne ist. Viele herrliche Aspekte der Orte, über die hier berichtet wird, kann man in den Sendungen sehen, ohne daß viele Worte gemacht werden müssen – die Bilder sprechen dann bei malerischen Altstädten oder prächtigen Burgen für sich. Bei der Umsetzung in die Buchform hätte man daran denken sollen, daß sich dies nicht ohne weiteres in die Schriftform transportieren läßt. So war ich bei den Beschreibungen oft befremdet, wenn die wesentlichen Schönheiten eines Ortes gar nicht erwähnt oder mit ein, zwei lapidaren Sätzen abgetan wurden, während man lauter Cafés, Restaurants oder Geschäfte beschrieben bekommt. Bei manchen Orten dachte ich: „Gut, jetzt weiß ich, was ich essen und kaufen kann, aber was kann ich sehen?“ Auch die Geschichten von Leuten, die sich mit ihrem Restaurant/Geschäft o.ä. ihren Traum verwirklicht haben, ähnelten sich irgendwann zu sehr, um so geballt interessant zu sein – das funktioniert in einem Fernsehformat einfach besser. Hier hätte man bei der Übertragung von Fernseh- auf Buchformat etwas besser auf die Stärken und Schwächen jedes Mediums achten und den Inhalt entsprechend anpassen können. Die zeigt sich exemplarisch am Kapitel zu Königstein/Kronberg. So wird im Text die Königsteiner Burg recht ausführlich bedacht, die absolut sehenswerte Kronberger Burg aber mit keinem einzigen Wort erwähnt, während sie in der Fernsehsendung den – wenn auch sehr kurzen – Auftakt bildet. In diesem Kapitel zeigt sich leider auch ein ziemlich dicker Schnitzer: das für Kronberg erwähnte „Sofias Cafe“ gibt es dort gar nicht mehr. Ein solches Café befindet sich weiterhin in Königstein (und es ist auch dieses, welches in der Fernsehsendung besucht wird), in Kronberg wird der Besucher aber etwas enttäuscht vor einer Physiotherapiepraxis stehen. Nicht mehr existierende Lokalitäten sollten in einem gerade erst erschienenen Buch nicht vorkommen, hier wäre mehr Sorgfalt angebracht gewesen.
Sehr oft hatte ich aber auch viel Freude an den kleinen Geschichten und historischen Hintergründen zu diversen Sehenswürdigkeiten. Es wird anschaulich und vielfältig berichtet, immer mit dieser persönlichen Note, die das Buch so angenehm macht. Ich habe hier einiges Bekannte unterhaltsam gelesen und viel Neues erfahren. Es gab zahlreiche Anregungen, was man in Hessen alles entdecken kann und auch wenn mir persönlich insgesamt die Gewichtung nicht zusagte, ist bemerkenswert, welche originellen Orte hier vorgestellt werden und wie unterschiedlich diese sind. Hier und da hätte die Umsetzung von Fernsehsendung auf Buch besser gestaltet werden können, aber „Tobis Städtetrip“ ist eine sympathische Reise durch Hessen, auf dem man dieses Bundesland wirklich „ganz besonders“ entdecken kann.