Gute Grundidee, öde Umsetzung
Ich wollte das Buch gerne lesen, da ich die Idee dahinter sehr spannend fand. Können sich zwei Fremde durch das Beantworten eines Fragenkataloges innerhalb kurzer Zeit so gut kennenlernen, dass sie sich ...
Ich wollte das Buch gerne lesen, da ich die Idee dahinter sehr spannend fand. Können sich zwei Fremde durch das Beantworten eines Fragenkataloges innerhalb kurzer Zeit so gut kennenlernen, dass sie sich anfreunden oder gar eine Beziehung eingehen würden?
Die Umsetzung allerdings war so la la. Zuerst einmal konnte ich den beiden Protagonisten nicht viel abgewinnen. Hildy ist irgendwie total farblos und langweilig. Sie erfüllt das typische Klischee der netten High School-Schülerinnen: Eigentlich total gut aussehend, aber denkt, sie sei für Männer nicht interessant genug. Sie lebt eigentlich ein angenehmes Leben in einer wohlhabenden Familie, hat jedoch Kummer, da ihre Eltern kurz vor der Trennung stehen. Um das Klischee perfekt zu machen, hat sie natürlich noch einen obligatorischen besten schwulen Freund.
Hildys Gegenpol bildet Paul. Der Typ mit der tättowierten Träne unter dem Auge. Der Typ, der abweisend, unfreundlich und brutal ehrlich ist. Der Bad Boy, der eine schwere Kindheit hatte und niemanden an sich ranlassen will.
Da wird es natürlich schwierig, ein ernsthaftes Gespräch zu führen, wenn zwei solch verschiedene Welten aufeinandertreffen. Und tatsächlich läuft der Versuch total aus dem Ruder. Ein teurer Fisch fliegt – Ich mag es übrigens nicht, wie wenig Hildy dem Wert eines Fischlebens beimisst! – und Hildy macht sich aus dem Staub. Was im Nachhinein ärgerlich ist, weil sie Paul eigentlich ziemlich supi fand, obwohl er so mies zu ihr war. Aber der macht sie zum Glück ausfindig, und so geht das mit den Fragen eben online weiter.
Und spätestens hier hat mich die Langeweile gepackt. Vielleicht lag es daran, dass ich erst kurz vorher „New York zu verschenken“ von Anna Pfeffer gelesen hatte, welches komplett im Chat-Stil verfasst wurde. Ich finde diese Art von Kommunikation anstrengend. Vor allem wenn sie mit Tipp- und Grammatikfehlern verziert wird, um das Ganze authentisch zu machen. Die Fragen und vor allem die Antworten der beiden erschienen mir schier endlos. Und das ewige Herumgeeiere, fast schon wie im Kindergarten, nervte mich zunehmend. Erst im letzten Viertel konnten die beiden mich dann nochmal aufwecken, als es wieder zum Real Life-Treffen kam und noch so einige Dinge geklärt wurden. Das Ende war dann auch total überraschend – nicht.
Die 36 Fragen an sich sind ganz interessant. Ich kann mir gut vorstellen, dass man mit seinem Gegenüber eine Bindung eingehen kann, wenn man sich darauf einlässt. Und ja, Hildy und Paul lernen sich dadurch immer besser kennen. Aber mal ehrlich: Würden die beiden nicht toll aussehen und hätten sich nicht bereits auf den ersten Blick optisch anziehend gefunden, hätten die 36 Fragen sie auch nicht zusammengebracht. Im Endeffekt konnten sie damit halt ausschließen, dass der heiße Hengst/die süße Schnecke kein totaler Psycho ist. Aber ich fand weder Paul noch Hildy besonders liebenswert. Paul hat immerhin noch den „Ich hatte schweres Leben, bin aber gar nicht so tough, wie ich tue“-Mitleidsbonus. Und ja, sie sind beide ganz nett. Aber das war’s halt eben auch. Von daher hat die Geschichte mir kein Herzklopfen entlockt, sondern eher ein müdes Lächeln.
Alles in Allem ist „36 Fragen an dich“ ein ganz netter Roman mit einer guten Grundidee, die allerdings meiner Meinung nach recht öde umgesetzt wurde. Wer aber kein Problem mit langweiligen Stereotypen und Klischees hat, der wird sich hier ganz gut unterhalten fühlen.