Ein besonderer Brückenbauer
Der Autor Yassir Eric ist im Nordsudan in einem priveligierten Elternhaus aufgewachsen. Er wurde für eine Führungsposition in seinem Clan erzogen. Schon mit acht Jahren wurde er für zwei Jahre weitab von ...
Der Autor Yassir Eric ist im Nordsudan in einem priveligierten Elternhaus aufgewachsen. Er wurde für eine Führungsposition in seinem Clan erzogen. Schon mit acht Jahren wurde er für zwei Jahre weitab von der Familie in eine Koranschule geschickt, in der ein liebloser Drill herrschte. Die Kinder dort wurden im Hass auf alles Andersgläubige sozialisiert. So werden Extremisten erzogen, die nichts hinterfragen, sondern das eigene System bedingungslos durchsetzen.
"Ich wuchs mit Geschlechtertrennung ... auf und sah Frauen ... als minderwertig an. Zudem war ich es gewohnt, Fremde und Andersgläubige abzuwerten,..., Meinungsvielfalt kannte ich nicht. Das patriarchalische System, in dem ich aufwuchs, prägte mich, Entscheidungen über meine Zukunft traf ich nie selbst ...Das war Aufgabe meines Vaters und Großvaters."
Viele Informationen und vieles an Allgemeinwissen wird in solchen Systemen unter den Tisch gekehrt, damit wirklich nichts hinterfragt wird.
"Wem beigebracht wird, das Leben des anderen geringer zu schätzen, wenn der Glaube zu verteidigen ist, der kommt auf eine Spur, die oftmals direkt in die Gewalt führt."
Yassir hat dies so erlebt und er war tatsächlich gewaltbereit, wie in seinem Bericht zu lesen ist. Als sein geliebter Onkel, der ihm wie ein Vater ist, zum Christentum konvertiert, wird er in den Grundfesten erschüttert. Der Onkel wird aus der Familie ausgestoßen, niemand hat Mitleid, dass er als Ungläubiger inhaftiert wird. Die Schande ist schlimmer. Yassir jedoch beginnt Dinge zu hinterfragen, er versucht sich durch das Lesen der Bibel eine eigene Meinung zu verschaffen und richtet nach besonderen Erlebnissen sein Leben neu aus. Die Familie ist entsetzt, er wird verstoßen und muss um sein Leben fürchten.
Es ist bewundernswert, wie sehr Yassir an seinen neuen Werten festhält und wie unerschrocken er seinen Weg verfolgt. Zum Glück stehen ihm immer wieder Menschen bei. Er lebt zunächst in Kenia und versucht sich für verfolgte Menschen in seiner Heimat einzusetzen.
Später ist sein Einleben in Deutschland nicht so leicht, hier wird gut nachvollziehbar beschrieben, mit welchen Problemen Migranten zu kämpfen haben. Immer wieder gibt es aber berührende, zwischenmenschliche Begegnungen. Einiges kommt ihm an unserer Kultur merkwürdig vor. Die Unterschiede /Vorzüge / Nachteile beider Kulturen werden beleuchtet und für gegenseitiges Verständnis geworben.
Das Buch endet sehr emotional mit einer Begegnung, die er für unmöglich gehalten hat, sowie mit einem sehr persönlichen Brief an seinen Vater, der ihn für tot erklärt hat.
Das Buch wird durch einen Fototeil in der Mitte des Buches gekonnt ergänzt. Mir hat der Erzählstil mit den gelegentlichen erläuternden Einschüben sehr gut gefallen. Ein Buch, dass deutlich macht, wie prägend ein extremer Erziehungsstil sein kann, aber auch was jeder Einzelne tun kann, damit Integration gelingt.