Cover-Bild Swing Time
24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Sonstiges
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 640
  • Ersterscheinung: 17.08.2017
  • ISBN: 9783462049473
Zadie Smith

Swing Time

Roman
Tanja Handels (Übersetzer)

»Nicht nur Freundschaft, sondern die ganze verrückte, ungerechte Welt wird einem präzisen prüfenden Blick unterzogen.« New York Magazine.Beim Tanzunterricht lernen sich zwei kleine Mädchen kennen und werden Freundinnen. Beide träumen davon, Tänzerinnen zu werden. Doch nur die eine hat Talent. Die andere hat Ideen: über Rhythmus und Zeit, über schwarze Haut und schwarze Musik, über Stammeszugehörigkeit, Milieu, Bildung und Chancengleichheit.

Als sich die beiden Mädchen zum ersten Mal begegnen, fühlen sie sich sofort zueinander hingezogen. Die gleiche Leidenschaft fürs Tanzen und für Musicals verbindet sie, doch auch derselbe Londoner Vorort und die Hautfarbe. Ihre Wege trennen sich, als Tracey tatsächlich Tänzerin wird und erste Rollen in Musicals bekommt. Ihre Freundin wiederum jettet als Assistentin der berühmten Sängerin Aimee um die Welt. Als Aimee in Afrika eine Schule gründen will, reist sie ihr voraus und lässt sich durch das Land, in dem ihre Wurzeln liegen, verzaubern und aus dem Rhythmus bringen.

Dieser grandiose Roman von Zadie Smith, der in den USA und in Großbritannien von Presse und Publikum gefeiert wird, erzählt am Beispiel zweier Freundinnen vom Siegen und Scheitern, vom Beginnen und Enden.

»Bewegend, lustig und wahrhaftig analysiert dieser Roman mit der Eleganz von Fred Astaire oder Michael Jackson Themen wie Hautfarbe und Weltpolitik.« Kirkus Reviews

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.07.2017

Ein kleines Stück Lebensfreude

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„Vielleicht habe ich es auch falsch erklärt, ich bin kein Philosoph. Für mich heißt das etwas ganz Einfaches, als würde man sagen, die Zukunft ist immer schon da, sie wartet auf uns. Warum warten wir nicht ...

„Vielleicht habe ich es auch falsch erklärt, ich bin kein Philosoph. Für mich heißt das etwas ganz Einfaches, als würde man sagen, die Zukunft ist immer schon da, sie wartet auf uns. Warum warten wir nicht auch und schauen, was sie bringt?“

Inhalt

Die Ich-Erzählerin des Buches, die keinen Namen bekommt und dadurch immer etwas fremd und unpersönlich bleibt, entführt den Leser in die bunte, teilweise schillernde Welt des Showbusiness, des Tanzes und eines Lebens auf den großen Bühnen. Geprägt von anmutigen Tänzerinnen, erfolgreichen Entertainern und ambitionierten Mitarbeitern im Hintergrund, weitherzigen Entscheidungen und einer Menge Geld, welches für wohltätige Zwecke im Sinne der Entwicklungshilfe eingesetzt wird, entfaltet sich eine ganz eigene Welt. Im Zentrum des Romans steht die persönliche Lebensgeschichte der Protagonistin, die Einblicke in eine Kindheit voller Hoffnungen schenkt, die später jedoch unerfüllt bleiben und gleichermaßen in ein Erwachsenenleben voller Bemühungen und Selbstansprüche, denen sie nicht genügen kann. Ein ständiges Auf-und-Ab der Gefühle gut verborgen hinter den großen ethischen Fragen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Hautfarbe und der damit verbundenen Rolle in der Gesellschaft prägen den Inhalt über zahlreiche Seiten hinweg.

Meinung

Die erfolgreiche Autorin Zadie Smith, die Trägerin des Welt-Literaturpreises ist, entwirft in ihrem neuesten belletristischen Werk das Porträt einer Frau, die sich selbst zwischen den erfolgreichen Personen ihres Umfeldes sucht und einfach kein passendes Lebensmodell für sich selbst findet, nichts scheint wirklich zu ihr zu passen und immer bleiben Punkte offen, die sie eigentlich nicht verhandeln möchte. Was zunächst wie ein Ausflug in die Kindheit einer Person wirkt, die im Schatten ihrer Freundin steht und immer zwischen allen Stühlen sitzt, manifestiert sich schließlich in einem angepassten aber unerfüllten Leben. Eigene Träume und Hoffnungen werden nicht weiterverfolgt, weil der Alltag sich ausschließlich auf die Wünsche anderer konzentriert.

Die angerissene Freundschaftsbeziehung, die auf mich sehr ambivalent wirkt, nimmt einen eher kleineren Teil der Erzählung ein, während das Bild der Hauptprotagonistin um sie selbst rotiert und ihre persönlichen Handlungen aus allerlei Perspektiven betrachtet. Dabei entsteht im Lauf des Romans schon eine fast drückende Stimmung, weil der Leser unterschwellig die enttäuschte, verpasste und ungelebte Sicht auf all die verstrichenen Chancen erhält.

Der Schreibstil an sich ist tatsächlich das große Plus dieser Erzählung, denn darin erkennt man als ambitionierter Leser sehr viel Schönheit und Liebe zum geschriebenen Wort. Zwar erschweren diverse Zeitsprünge den Lesefluss, doch man findet sich erstaunlich gut in den jeweiligen Aussagen zurecht. Klar definierte Kapitel gepaart mit größeren Erzählabschnitten schaffen eine gängige Struktur, die zum Lesen ebenso animiert wie die Wortwahl selbst.

Fazit

Ich vergebe 2,5 Lesesterne, die ich gerne zu 3 Sternen aufrunde, für diesen Roman, der mich leider auf Grund seiner etwas ermüdenden Handlung nicht fesseln konnte. Zu langatmig und ausufernd waren die Passagen, zu wenig Dramatik und keinerlei positives Entwicklungspotential der Protagonistin haben mir die Freude am Buch leider kontinuierlich genommen. Immer habe ich darauf gehofft, der Funke würde noch überspringen, doch dem war leider nicht so. Die guten Ansätze der Handlung wirken teilweise so langweilig, dass ich einige Seiten nur noch quergelesen habe, während mich andere Passagen wieder ganz gut unterhalten haben. Auf die Autorin bin ich aufmerksam geworden und möchte gerne noch ein anderes Werk von ihr lesen, bei diesem hier fehlte mir einfach die innere Beteiligung, das Herzblut und die Kraft, die ich mir im Vorfeld erhofft hatte.

Veröffentlicht am 18.08.2017

Gepflegte Langeweile

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Zum Inhalt:
Eine nicht namentlich bekannte Ich-Erzählerin erzählt aus ihrem Leben als Mischlingskind in London und - als Begleiterin eines Stars - in der ganzen Welt, jedoch vornehmlich in New York und ...

Zum Inhalt:
Eine nicht namentlich bekannte Ich-Erzählerin erzählt aus ihrem Leben als Mischlingskind in London und - als Begleiterin eines Stars - in der ganzen Welt, jedoch vornehmlich in New York und Afrika.

Mein Eindruck:
Schon lange habe ich mich nicht mehr so durch ein Buch gequält. Bestsellerliste hin oder gefeierte Schriftstellerin her – in diesem Buch passiert so gut wie gar nichts wirklich, es wird nur darüber geredet, dass etwas passiert. Suggeriert der Klappentext noch, dass es um die Lebensgeschichten zweier Mischlingsmädchen geht, von denen eine Talent zum Tanzen hat, die andere ein unerschöpflicher Quell an Ideen ist, produzieren beide letzten Endes nur eins: Heiße Luft im Übermaß. Eine „Idee“ habe ich nicht an einer Stelle gefunden, auch tiefere Gefühle gibt es nicht, - weder für die Mutter, noch für den Vater, auch nicht für die Freundin und die Männer sind alle nur Fußnoten. Und auch sonst liest man und wartet darauf, dass etwas Mitreißendes passiert, aber irgendwie plätschert das ganze Buch einfach nur so vor sich hin. Die Autorin (oder die Übersetzung) schafft es nicht an auch nur einer Stelle, einen wirklich zu packen, in das Geschehen zu zerren, dieses Geschehen plastisch werden zu lassen. Die Protagonistin führt ein sehr luxuriöses Leben (Privatjet, selbst nach der Ungnade schicke Wohnung), aber genauere Beschreibungen fehlen. Dazu gibt es viele wirklich unglaubhafte Aspekte an der Story der Erzählerin: Einerseits behauptet sie, den Eingangstest für eine exquisite Schule machen zu dürfen, später studiert zu sein (wobei während des gesamten Buches nicht klar wird, in was sie ihren Abschluss gemacht hat), andererseits machen ihr sogar kleine Mädchen etwas im Rechnen vor. Das mag ja heutzutage funktionieren, wo öfter einmal durch die Welt wabert, dass jeder das Abitur hinterhergeworfen bekommt, in den 80er Jahren war das definitiv nicht so.
Ich bin von diesem ganzen langweiligen Mist absolut enttäuscht und ich frage mich, ob der Verlag für die positiven Kritiken bezahlt hat oder nur kein kleines Mädchen da war, das angesichts des Kaisers nicht vorhandener Kleider sagte „Aber er hat doch gar keine an!“

Mein Fazit:
Möglicherweise kann die Autorin schreiben, mit diesem Buch hat sie es mir nicht bewiesen

Veröffentlicht am 18.08.2017

Leider langweilig

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Zusammenfassung. Swing Time erzählt die Geschichte eines Mädchens auf ihrem Weg, erwachsen zu werden: von Siegen und Verlust, von Familie und Freunden, von Arbeit und Freizeit.

Erster Satz. Es war der ...

Zusammenfassung. Swing Time erzählt die Geschichte eines Mädchens auf ihrem Weg, erwachsen zu werden: von Siegen und Verlust, von Familie und Freunden, von Arbeit und Freizeit.

Erster Satz. Es war der erste Tag meiner Schmach.

Cover. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich Menschen gibt, denen das Cover gefällt, ich mag es gar nicht. Es ist zu grell und (für mich, aber vielleicht übersehe ich ja auch etwas) völlig bedeutungsleer.

Inhalt. Selten fiel es mir schwerer, den Inhalt eines Romans zusammen zu fassen als bei diesem. Bis jetzt ist mir noch nicht klar, worum es überhaupt geht: Geht es um das Erwachsenwerden? Um schwarze Kultur? Um Entwicklungshilfe? Um Freundschaft? Um Familie? Man weiß es nicht. Also, ich weiß es nicht.
Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass ich dieses Buch stellenweise so ungeheuer langweilig fand, dass das weiterlesen schwerfiel. Das mag jetzt sehr harsch klingen, aber sich durch über 600 Seiten zu kämpfen, von denen mindestens die Hälfte entweder langweilig war oder ich mich fragte, wo genau das jetzt hingehen soll, das ist halt einfach echt kein Vergnügen.
Und dabei ist die Thematik an sich ja spannend! Tanz, Musik, Erwachsenwerden, Konflikte – was also macht dieses Buch falsch? Ich weiß es nicht.

Personen. Das mit den Personen ist halt so eine Sache. Die Erzählerin ist so frustriert (oder genervt von ihrem Leben oder keine Ahnung, was es sonst ist), dass einfach niemand in ihrer Erzählung gut wegkommt. Vielleicht ist das so ein Ehrlichkeitsding, sie beschönigt halt einfach gar nichts, und dann kommt im Endeffekt vielleicht niemand mehr gut weg. Aber das machte es mir schwer, Sympathie für die Figuren aufzubringen.

Fazit. Tja. Vielleicht habe ich dieses Buch zur falschen Zeit gelesen, vielleicht kann ich es in zwei Jahren noch einmal in die Hand nehmen und bin dann ebenso begeistert wie so viele andere, aber zu jetzigen Zeitpunkt ist das unmöglich.
Ich mochte die Figuren nicht, ich fand die Handlung in weiten Teilen uninteressant und die wenigen positiven Dinge, die ich sagen kann, belaufen sich auf die Ehrlichkeit und die im Prinzip gute Idee.

Veröffentlicht am 16.08.2017

„Unterschiedlich ist nur die Größe der Blase“ - oder wie man anspruchsvoll scheitert

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Alles beginnt mit dem Ende: Die Erzählerin, deren Namen nie genannt wird, verliert publikumswirksam ihren Job als persönliche Assistentin eines Superstars der Musikindustrie und steht kurz im Rampenlicht ...

Alles beginnt mit dem Ende: Die Erzählerin, deren Namen nie genannt wird, verliert publikumswirksam ihren Job als persönliche Assistentin eines Superstars der Musikindustrie und steht kurz im Rampenlicht öffentlicher Schaulust. Der Druck durch die Gaffer erhöht sich durch ein Video aus Kindertagen, das die Erzählerin und ihre beste Freundin Tracey veröffentlicht: „Jetzt weiß endlich jeder, wer du wirklich bist“, ist der gehässige Kommentar. Nach diesem Prolog entwickelt sich die Erzählung, die genau der Frage nachgeht: Wer ist sie denn eigentlich wirklich? Wie wurde sie, was sie ist? Und wie sind die anderen? Es geht um die jeweilige Wahrnehmung, um die „Blase“, in der sich der Einzelne befindet, jeder in seiner. „Unterschiedlich ist nur die Größe der Blase“, in der man seine Welt einrichtet und die so verletzlich schimmert: „Die dünne Außenhaut der Blase.“ (S. 620)

Sieben Kapitel in kurzen Szenen geben die zwei Geschichten der Erzählerin in sich abwechselnden Episoden wieder: die Kindheit und ihr Verhältnis zu Tracey sowie die zehn Jahre vor dem Eklat, die sie bei der Sängerin Aimee verbringt und in ihrem Weltverbesserungsprojekt in Afrika. Die Erzählerin entstammt der Ehe einer engagierten Schwarzen aus Jamaika und einem passiven Weißen aus London, gilt also in der Schule und dem Studium als Schwarze, als Migrantin. In Afrika hingegen wechselt ihre Identität: Sie wird als weiße wahrgenommen. Die Zeiten und Personen sind verbunden durch Tanz: Swing Time ist ein Roman über tänzerischen Ausdruck und Körperlichkeit. Seinen Namen hat sich der Roman aus dem Tanzmusical „Swing Time“ von 1936 mit Fred Astair entliehen, über den die namenlose Erzählerin nachdenkt und die Autorin Zadie Smith zu Wort kommt, indem sie Programm des Romans liefert, das einen großen Bogen aufmacht:

„Ging es in allen Freundschaften - in allen Beziehungen - um einen (…) Austausch von Qualitäten, einen Austausch von Macht? Ließ sich das auch auf Völker und Nationen ausdehnen, oder war es etwas, das nur zwischen Einzelpersonen stattfand? Was gab mein Vater meiner Mutter - und umgekehrt? (…) Was gab ich Tracey? Was gab Tracey mir?“ (S. 171)

Die gefeierte englische Autorin Zadie Smith wird oft als „Stimme der Migranten“ wahrgenommen, weil sie mit viel Gefühl, Sachverstand und Erfahrung das Thema „fremd daheim“ immer wieder ins Zentrum ihrer Texte stellt. Selbst Tochter einer Jamaikanerin und eines weißen Engländers aus dem armen Norden Londons, erzählt sie immer wieder auch ihre Geschichte als Kind zweier Hautfarben. In „Swing Time“ spricht Smith große Themen an: Identität, Freundschaft, Rassenproblematik, Armut, Einfluss von Reichtum und/oder Geld, Emanzipation, Bildung, Schaden und Nutzten von Entwicklungshilfe etc. Wem die Aufzählung zu lang vorkommt, hat das Problem erfasst, das ich mit „Swing Time“ hatte: Zadie Smith wollte zu viel, erklärte zu viel, redet zu viel.

Der Eindruck der Geschwätzigkeit wird durch die Ich-Perspektive verursacht: Die Erzählerin berichtet nicht nur chronologisch über ihr Leben, sie reflektiert auch andauernd die Episoden, Momente und Erlebnisse, die sie referiert. Oft werden sie in größere Kontexte gestellt, Gedanken ausgeführt, das Übergeordnete angesprochen oder das Vergleichbare angeführt. Beim Lesen entsteht immer wieder das Gefühl, eigentlich noch über einen Satz nachdenken zu wollen, eigentlich noch verstehen zu wollen, während der Erzählfluss weiterströmt und die ganze Reflexion mit sich reißt. Im Erzählpogramm zu „Swing Time“ führt die Erzählerin angesichts der Darstellkunst Fred Astairs und seiner Selbstreflexion aus:

„(…) dass es nämlich vor allem darauf ankam, sich selbst wie jemand Fremdes zu behandeln, unabhängig und unvoreingenommen in Bezug auf sich selbst zu bleiben.“ (S. 171)

Das versucht die Erzählerin fortwährend, und man möchte ergänzen: leider. Obwohl sie ständig präsent ist, bleibt die Hauptperson unfassbar und unpersönlich, Sie ist bis zum Ende „jemand Fremdes“, und deshalb stellt sich unaufgefordert ständig die Frage: Warum soll ich das lesen? Was interessiert mich das Schicksal der Erzählerin ohne Namen oder das Traceys mit ihrer kaputten Persönlichkeit oder ihrem kaputten Hintergrund? Warum?

Am Ende enttäuscht das Buch, obgleich es flüssig geschrieben ist, weil es hinter seiner Geschwätzigkeit vermuten lässt, dass es an seinem großen Anspruch gescheitert ist.

Veröffentlicht am 09.08.2017

Willkommen in der Matrix

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Hm. Den Matrix-Film mochte ich übrigens nicht, zu überzogen, zu düster – aber er wird im Buch oft zitiert, wohl als Bild dafür, dass die Ich-Erzählerin jemanden neben sich wahrnimmt, der anscheinend fast ...

Hm. Den Matrix-Film mochte ich übrigens nicht, zu überzogen, zu düster – aber er wird im Buch oft zitiert, wohl als Bild dafür, dass die Ich-Erzählerin jemanden neben sich wahrnimmt, der anscheinend fast in einer Art Paralleluniversum lebt.

Laut Klappentext erzählt Zadie Smith von der Freundschaft zweier Mädchen bis ins Erwachsenenalter, wobei Freundschaft hier „Ferrante-mäßig“ daher kommt: beide Mädchen leben unterhalb der Mittelschicht und Freundschaft bedeutet ein sehr merkwürdiges aufeinander-Bezogensein, mit Phasen der Unzertrennlichkeit, aber auch der Entzweiung, mit merkwürdiger Unterordnung der einen gegenüber der anderen; das ist der Part der mich auch schon bei Ferrantes „Genialer Freundin“ genervt hat. Auch!

Das ist ein Buch über Träume und Hoffnungen – die beiden Mädchen lernen sich beim Ballettunterricht kennen, doch nur Traceys Talent reicht für die Akademie. Die Ich-Erzählerin hat schulische Begabung, doch wegen des Widerstandes gegen ihre ehrgeizige Mutter führt sie das nicht immer weiter. In der Realisierung von Träumen dürfte man dennoch am ehesten dieser Mutter Gewinner-Punkte zusprechen, wenn auch eher für sich selbst.

Dies ist ein Buch über das Leben eines modernen internationalen Stars, dessen Assistentin die Ich-Erzählerin ist: Aimee reist durch die Welt für Konzerte mit einem Tross an Mitarbeitern, denen sie das Privatleben aussaugt: Dauer-Erreichbarkeit, ein goldener Gruppen-Käfig, wohltätige Projekte und ein Misstrauen gegenüber denen, die sie nur ausnutzen wollen, der „Kundschaft“, was sich auf ihr Personal überträgt (da es ja absichtlich oder ungewollt Informationen preisgeben könnte): Freunde, Partnerschaften, Kinder? Eher selten. Die Abgehobenheit dieses Lebens wird nachvollziehbar beschrieben, ja, als geradezu zwingend.

Das ist ein Buch über irgendetwas wie schwarze Identität: Die Mutter von Tracey ist weiß, ihr meist abwesender Vater schwarz. Bei ihrer Freundin ist es „falsch herum“, wie sie sagt. Mit Aimee reist die Ich-Erzählerin später nach Afrika: trotz des Besuchs an den Stätten des Ursprungs der Sklaverei und damit auch des Ursprungs ihrer eigenen Geschichte (die Mutter wurde auf Jamaika geboren) scheitert sie, immer wieder, an ihren Missverständnissen und Vorannahmen. Vielleicht geht es auch um Identität generell – um Ziele, um das, was einen ausmacht. Vielleicht.

Dies ist ein Buch über die Achtziger und Neunziger Jahre in Großbritannien, erst mit den typischen Spielsachen, später mit dem Rausch des Booms der privaten TV-Sender, an dem die Ich-Erzählerin als Angestellte teilnimmt.

Dies ist ein Buch vom Scheitern (wieder Klappentext) – die Ich-Erzählerin arbeitet sich unermüdlich mit Andeutungen darauf hin, dass es sowohl einen Bruch mit Tracey geben wird als auch einen mit Aimee. Ich hatte da mit so einigem gerechnet – die Gründe kommen so spät, dass ich eher entnervt war und auch enttäuscht ob ihrer Nichtigkeit. „Später hieß es, ich sei Aimee eine schlechte Freundin gewesen, schon immer, ich hätte die ganze Zeit nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, sie zu verletzen, sogar zu zerstören.“ S. 281 „Sie hat mir etwas furchtbares angetan. Als wir zweiundzwanzig waren.“ S. 204

Und entnervt trifft es insgesamt: Ich weiß nicht so recht, was für ein Buch von den vielen oben es denn nun sein soll – am ehesten über die Identität, aber dafür gibt es so verdammt viele breit ausgeführte Nebenansätze. Dann braucht zwar auch Ferrante insgesamt vier Bände für ihre Geschichte und zeigt damit Längen, für mich besonders im ersten Buch, aber auch bei Zadie Smith wurden mir die 640 Seiten oft seeehr lang (fast noch nervender, dass es zwischendurch immer wieder fesselte). Sie spricht viele aktuelle Themen an, bis zum „hintenrum“ aus Afrika ‘raus (= über Lampeduse), über die Unfähigkeit des britischen Erziehungswesens, das Kindern armer Eltern Aufsätze über Ferienerlebnisse oder Gartenprojekte aufbrummt (in Abwesenheit von Ferienfahrten und Gärten) – kratzt dabei aber nur an sehr vielen Oberflächen. Und dann diese Andeutungen im Buch zu dem, was kommen wird, das sich im kapitelweisen Wechsel durch Vergangenheit und Jetztzeit arbeitet, dabei immer und immer und immer wieder ein Stückchen vom Ohr des Kaninchens zeigt, das es letztlich aus dem Hut zieht.

Sprachlich gelingt das durchaus immer wieder schön: „In der stetig wachsenden Lücke zwischen ihnen [meinen Eltern] spielte sich meine Kindheit ab.“ S. 33 Oder: „Sie maß die Zeit in Buchseiten. Eine halbe Stunde, das waren für sie zehn gelesene Seiten oder auch vierzehn, je nach Schriftgröße, und wenn man sich die Zeit so vorstellt, dann bleibt davon nichts übrig für irgendetwas anderes, es bleibt keine Zeit, in den Park zu gehen, oder sich ein Eis zu holen…“ S. 278 Solche Bilder sind toll, häufig wird es jedoch überzogen „Wie ist es wohl den Mädchen auf den Baumwollfeldern ergangen – oder denen in den viktorianischen Armenhäusern?“ S. 94 Nun, man vergebe mir die Plattitüde: wohl nicht gut. Auch die anscheinend ernstgemeinte Sicht der Ich-Erzählerin, ihr eigenes Leben für sehr „brav“ zu halten, während sie beschreibt, wie sie mit 15 und unter Einverständnis ihrer Mutter bis nach Mitternacht allein ausgeht, mit der Wodka-Flasche dabei, wobei sie dann mit einem völlig Unbekannten im Nebenzimmer ungeschützten Sex hat. Ja, gibt’s alles, die meisten Teenager machen Alkohol-Experimente, aber: das Selbstbild?

Ich musste mich durch’s Buch quälen, von wenigen Passagen ausgenommen, blieb ratlos zurück. Und: warum der „Rebecca“-Touch, der die Ich-Erzählerin namenlos lässt? Warum wird das afrikanische Land für Aimees Projekt nie genannt – ich war irgendwann ganz fixiert auf die Identifikation (wohl Gambia, auf S. 303 wird dessen Hauptstadt Banjul genannt, die Beschreibung des Königs passt https://de.wikipedia.org/wiki/Yahya_Jammeh). Nein, ich denke, dass muss man nicht lesen. Es blieb mir fern, war mir zuletzt zu viel Gejammer aus den Perspektiven von drei Protagonistinnen, denen es eigentlich doch hätte gut gehen können. Nur zwei Sterne von fünf, trotz der Sprache.