Ein fast nie zu Ende gehender Sommer
»Sommernachtstod« ist ein Kriminalroman mit einer tristen Grundstimmung. Ort der Handlung ist das kleine Dorf Refringe in der südschwedischen Provinz Schonen. Vor 20 Jahren ist hier ein kleiner Junge verschwunden ...
»Sommernachtstod« ist ein Kriminalroman mit einer tristen Grundstimmung. Ort der Handlung ist das kleine Dorf Refringe in der südschwedischen Provinz Schonen. Vor 20 Jahren ist hier ein kleiner Junge verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Der kleine Billy Nilsson ist zu diesem Zeitpunkt fast fünf Jahre alt.
In der ersten Hälfte des Buches erfahren wir in abwechselnden Kapiteln, was sich im Sommer 1983 zugetragen hat. 20 Jahre später blicken wir auf die Gegenwart. Die meisten Kapitel enden mit einem Cliffhanger. Die Handlung wird in der nächsten oder einer noch späteren Episode fortgesetzt. Anders de la Motte erzählt die Geschichte mit psychologischem Tiefgang bis hinein in die Gegenwart.
Eine starke Charakterzeichnung der einzelnen Figuren hilft uns, die Handlung besser zu verstehen. Magdalena Nilsson war kein Kind von Traurigkeit, was Männer betrifft. Das Verschwinden ihres Lieblingskindes Billy hat sie nie verwunden und letztlich in den Tod getrieben. Ihr Vater Harald Olsson war froh, als sie Ebbe Nilsson geheiratet hat, ein eher unscheinbarer Typ. Olsson ist so etwas wie der Patriarch in dem kleinen Dorf Refringe. Die älteren Geschwister von Billy – Veronica und Mattias – haben später ihr Heimatdorf verlassen.
Mehrmals erscheinen kurze Zwischentexte, die sich wie Liebesbriefe lesen und immer mit »Liebling« beginnen. Meines Erachtens will uns der Autor auf etwas aufmerksam machen, was keiner im Dorf wissen soll.
Der hiesige Polizeichef Krister Månsson ist mit diesem Fall überfordert, und schon bald übernehmen zwei Kriminalbeamte aus Stockholm die Ermittlungen. Lediglich ein Schuh von Billy wird bei der Suchaktion gefunden. Ein gewisser Tommy Rooth wird verhaftet, muss aber wieder freigelassen werden, da man ihm nichts nachweisen kann.
Nach 20 Jahren kehrt Veronica wieder in ihre Heimat zurück. Sie will Frieden mit ihrem Vater schließen und hofft, dass endlich Licht in die damaligen Ereignisse kommt.
Veronica heißt jetzt Vera Lindh und arbeitet als Gesprächstherapeutin in der Trauerbewältigung. Obwohl sie drogen- und alkoholabhängig ist, versucht sie anderen Menschen zu helfen. Und nach all den Jahren ist sie davon überzeugt, dass ihr kleiner Bruder noch lebt. Mit ihrem Bruder Mattias hat Veronica (Vera) erst jetzt wieder Kontakt aufgenommen. Er arbeitet bei der Polizei in Stockholm.
De la Motte legt mehrere Spuren aus, die den Leser zum Nachdenken anregen (Bsp.: Isak aus der Therapiegruppe will einen Freund gehabt haben, dessen Beschreibung auf Billy passt).
Zum Ende hin kommt es zu einigen Überraschungseffekten, aber auch zur Aufklärung, wie sich damals alles zugetragen hat. Bezeichnend ist die Metapher zum Schluss: Der Sommer zieht sich in Refringe zurück – es kommt Nordwind auf.
Fazit:
Mit der deutschen Ausgabe »Sommernachtstod« hat es der Autor 2018 erstmals auf die deutschen Bestsellerlisten geschafft.
Mich hat diese Geschichte berührt. Je mehr ich gelesen habe, umso häufiger hat mich die Frage beschäftigt, was mit dem kleinen Billy geschehen ist.
Das Setting hat mich überzeugt. Obwohl das Buch aus meiner Sicht kein Pageturner ist, ist es spannend geschrieben und man kann es flüssig lesen. Ich halte daher fünf Sterne für angemessen.