Einleitung:
Titel: Nordlicht – Die Tote am Strand
Autor: Anette Hinrichs
erschienen: 15.04.2019
Verlag: Blanvalet
Genre: Kriminalroman
Zeitrahmen: Gegenwart
Ich habe dieses Buch in einer Leserunde gewonnen und bedanke mich dafür bei der Autorin und dem Verlag. Da ich ohnehin gern Krimis lese und darüber hinaus zum Zeitpunkt der Leserunde in Dänemark im Urlaub war, hatte dieses Buch für mich seinen ganz eigenen Reiz. Ich bin also entsprechend erwartungsvoll an den Roman heran gegangen – und wurde nicht enttäuscht!
Handlung:
In Kollund wird am Strand eine tote, junge Frau gefunden. Die Identität des Opfers wird relativ schnell festgestellt, obwohl diese sich ein anderes Erscheinungsbild zugelegt hatte und ohne Papiere aufgefunden wurde. Die junge Frau war vor 12 Jahren spurlos verschwunden. Warum wurde sie jetzt in ihrer Heimat zum Opfer?
Die Ermittler Vibeke Boisen und Rasmus Nyborg übernehmen den Fall mit ihrer neu zusammen gestellten Ermittlergruppe aus deutschen und dänischen Kollegen. Eine Zeit lang sieht es so aus, als würden die Ermittler im Dunklen tappen und auch nicht so recht voran kommen, obwohl es reichlich Spuren und Tatverdächtige gibt. Der Verdacht verhärtet sich, dass irgendjemand lügt und dass hinter all den ermittelten Spuren etwas viel Größeres steckt, das auf keinen Fall ans Tageslicht kommen soll. Aber wer und was?
Neben der Ermittlungsarbeit haben Boisen und Nyborg ihre ganz persönlichen Dämonen aus der Vergangenheit zu bewältigen, was ihnen mehr oder minder gut gelingt.
Meine Meinung:
Das Cover ist großartig. Etwas geheimnisvoll, denn was mag sich am Ende der Treppe wirklich befinden? Ist es der Strand, an dem die Tote gefunden wurde? War es dort, wo Opfer und Täter aufeinander trafen? Die Haptik ist schön. Beim Lesen hat man immer das Gefühl über Dünengras zu streichen. Im Laden würde mich dieses Cover dazu einladen, etwas genauer hinzuschauen.
In den ersten Kapiteln werden die wichtigsten Figuren vorgestellt und natürlich das Opfer. Das Aufeinandertreffen der beiden Ermittler Vibeke Boisen aus Flensburg und Rasmus Nyborg aus Esbjerg verläuft nicht eben freundschaftlich. Beide sind dem Anderen gegenüber skeptisch und das nicht zu unrecht. Die beiden Persönlichkeiten könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie: zielgerichtet, offen und gerade heraus, hält sich an die Regeln. Er: ist eher der unorthodoxe Ermittler. Brillant, aber Regeln schränken ihn eher ein. Rasmus Nyborg hat mich von Anfang an an Schimanski erinnert, der mit seinen Methoden ja auch keineswegs überall auf Wohlwollen stieß und auch schon mal handgreiflich wurde. Dazu eine gewisse schnodderige Art und ein selbst gewähltes Lotterleben. So in etwa könnte man auch Rasmus Nyborg beschreiben. Dabei ist er aber sympathisch und je besser man ihn kennenlernt, desto mehr kann man seine Beweggründe verstehen und nachvollziehen. Vibeke wirkte anfänglich auf mich sehr reserviert und zugeknöpft. So hatte sie ziemliche Schwierigkeiten mit dem in Dänemark üblichen Du und missbilligt so einige von Rasmus‘ Methoden. Dennoch arbeiten die beiden gut und vor allem erfolgreich zusammen. Ihr komplettes Team wurde neu zusammen gestellt und wächst mit dem Fall gut zusammen, sodass die Spezialisten ihre Fähigkeiten zielführend einbringen können. Boisen und Nyborg sind authentische, sehr sympathische Charaktere mit ganz eigenen Problemen, die sie nicht jedem auf die Nase binden. Und eben diese ganz eigenen Probleme machen sie so menschlich und man fühlt sich ihnen näher.
Die Familie Jörgensen betreibt eine Spedition, die finanziell in Schieflage geraten ist. Leif ist ein jähzorniger, brutaler Mann, der seine Familie mehr beherrscht als sie zu lieben oder zu führen. Seine Frau Agnes leidet unter ihm und hatte Zeit ihres Lebens Angst ihre Meinung zu vertreten. Die beiden haben 2 Kinder – Liva und Peter. Im Zuge der Ermittlungen kommt die Vergangenheit der Familie ans Licht und welche Leiche Leif im Keller hat.
Ebenso spannend ist die Geschichte der Familie Troelsen. Der Vater – Jesper – ist aufstrebender Politiker mit scheinbar blütenweißer Weste. Sein Sohn Alexander leidet schon seit frühester Jugend darunter, dass er seinem Vater nichts recht machen kann. Er ist erfolgreicher Anwalt, verliert aber seinen Job unter merkwürdigen Begründungen, als die Polizei ihn im Zuge ihrer Ermittlungen befragt. Er ist weder tatverdächtig noch kann er irgendetwas dafür, dass die Polizei ihren Job macht. Mir tat Alexander fast ein wenig leid, dass nun – unter diesen Umständen – sein mühsam aufgebautes Leben beginnt zu bröckeln. Und wieder ist es sein Vater, der ihn nicht unterstützen will. Die nach außen hin so saubere Familie wirkt im Verlauf des Romans immer weniger sauber. Es kommen Geheimnisse ans Licht, die man ihnen nicht zugetraut hätte.
Der Autorin gelingt eine interessante und spannende Mischung aus Ermittlungen, Beschreibung der dänischen Gepflogenheiten (die man, sofern man vor Ort ist, quasi sofort überprüfen kann und bestätigt bekommt) und menschlichen Problemen der Protagonisten. Der Fall selbst ist nicht vorhersehbar und am Ende gelingt eine Wendung, die ich so nicht erwartet hätte. Bis zum Schluss hätte der Täter aus meiner Sicht kein Motiv gehabt. Erst mit der Auflösung der Zusammenhänge, machte die Lösung einen Sinn. Vorher rätselt man mit, macht sich seine eigenen Gedanken, die aber alle nicht zu einem Mordmotiv taugen wollen.
Der Schreibstil ist angenehm. Die Sätze lassen sich leicht verschlingen und so wird das Buch sehr schnell zu einem Pageturner. Zumindest ging es mir so, weil ich meine Vermutungen widerlegt bzw. bestätigt haben wollte. Die Spannungsbögen bleiben kontinuierlich erhalten und die Absätze enden bisweilen mit kleinen Cliffhangern, die es einem abnötigen möglichst schnell weiter zu lesen.
Das Buch ist in Kapitel aufgeteilt und diese wiederum in Absätze, die mit der jeweiligen Örtlichkeit überschrieben sind. Das hilft bei der Orientierung zwischen den Orten, da der Roman an mehreren unterschiedlichen Stellen spielt. Das finde ich gut gelöst und vermeidet Verwirrung beim Leser.
Mir gefielen besonders die Figuren mit ihren ganz persönlichen Geheimnissen, die erst nach und nach zu Tage treten, die Offenlegung der Vergangenheit und die Verstrickung der Figuren in ihr. Darüber hinaus mag ich die eingestreuten Hinweise über Dänemark, denn nicht jeder weiß all diese Dinge.
Am Ende kann man sich die Ermittler ziemlich gut vorstellen und mit ihnen fühlen, jedoch bleiben Fragen offen, deren Antwort definitiv Platz in einem weiteren Roman haben sollten. Für den aktuellen Fall sind diese Fragen nicht ausschlaggebend. Der ist vollständig abgeschlossen und in sich schlüssig.
Auch könnte die Unterschiedlichkeit der Ermittler Konfliktpotential beherbergen und möglicherweise kommt es dazu ja auch in einem weiteren Roman.
Fazit:
Ein spannender Auftakt-Krimi zu einer neuen Reihe mit einem konträren Ermittlerduo, das Sympathie ausstrahlt, aber auch ganz eigene Probleme hat. Sie sind keine Superbullen, sondern liebenswerte Menschen, die einen guten Job machen. Wer Krimis an der Küste mag, kommt hier, bedingt durch die eingestreuten Details über Dänemark, voll auf seine Kosten. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung und 5 von 5 Sternen.