Mallorca für alle Sinne
Wenn ich „Mallorca“ höre, denke ich zuallererst an den Ballermann und die Partyszene. Béatrice Courtot hat mir in „Das Tal der Orangen“ eine bisher völlig unbekannte Seite der Insel gezeigt und die Sehnsucht ...
Wenn ich „Mallorca“ höre, denke ich zuallererst an den Ballermann und die Partyszene. Béatrice Courtot hat mir in „Das Tal der Orangen“ eine bisher völlig unbekannte Seite der Insel gezeigt und die Sehnsucht nach den Gassen und Stränden von Sóller geweckt, den Orangenhainen und Wochenmärkten, den Fincas und Volksfesten. „Damit die Insel einem schenkt, was man von ihr erwartet, muss man sich ihr nähern und lauschen und fühlen, sie berühren, alles ansehen, ohne der Sache überdrüssig zu werden.“ (S. 189)
Anaïs betreibt in Paris das Café de l’Ensaïmada, welches ihre Urgroßmutter Magdalena zum Ende der 30er Jahre gegründet hat. Sie ist überrascht, als sie einen Anruf aus Marseille bekommt, dass man bei der Renovierung eines Hotels eine alte Blechschachtel von Magdalena gefunden hat. Darin befinden sich ein Foto, ein Heft, eine Gewehrkugel und ein Medaillon. Anaïs, die sich nie weiter mit ihrer oder Magdalenas Herkunft beschäftigt hat, beginnt nach deren Vergangenheit zu recherchieren und stößt so auf das Städtchen Sóller und die Orangenfarm, welche früher Magdalenas Vater gehörte und heute von Miquel betrieben wird.
Bisher hat Anaïs nichts vermisst und ist in ihrer Arbeit für das Café aufgegangen, doch die Erinnerungsstücke ihrer Urgroßmutter wecken ihre Sehnsucht nach Mallorca. Sie beginnt, Magdalenas Geschichte zu recherchieren und nach ihren eigenen Wurzeln zu suchen „... ich glaube, auf gewissen Weise versuche ich, sie wieder zum Leben zu erwecken. Aus Liebe zum Kochen, aber auch zu ihr.“ (S. 57)
Parallel auf zwei Zeitebenen werden Anaïs Suche und Magdalenas Leben erzählt, wobei mir der historische Teil etwas besser gefiel.
Durch Magdalena habe ich zum ersten Mal erfahren, dass der spanische Bürgerkrieg auch vor Mallorca nicht halt gemacht hat und was die Bewohner erdulden mussten. Magdalena wird als echte Kämpferin mit einem großen Herz geschildert, die ich nur bewundern konnte. Sie ist erst geflohen, als ihr eigenes Leben in unmittelbarer Gefahr war und hat sich danach in Frankreich erfolgreich ein neues Leben aufgebaut. Dass sie später über das Erlebte nicht mehr sprechen wollte, konnte ich gut verstehen.
Anaïs Nachforschungen werden sehr spannend beschrieben. Sie ist überrascht, wie freundlich die Mallorquiner sie aufnehmen und wie sehr sie sie unterstützen. Am Ende deckt sie sogar Geheimnisse auf, die auch Magdalenas ehemalige Freunde noch nicht kannten.
Die Insel, ihre Bewohner und deren Bräuche und die überbordende, fast schon tropische Flora und Fauna ziehen sich als roter Faden durch das Buch und machen seinen besonderen Flair aus. Magdalenas Kapitel beginnen jeweils mit einem Rezept für ein landestypisches Gericht, wobei mir besonders die Ensaïmadas gefallen würden, die dem Café ja auch ihren Namen gegeben haben.