"Möchtest du mehr darüber erfahren?"
Ich hatte mich schon zum Gehen gewandt, als seine Worte mich mitten in der Bewegung stoppen ließen.
"Worüber?", fragte ich emotionslos, obwohl mein Herz zuckte, als wolle es laut "Ja!" rufen. Doch ich bekam keine Antwort.
Erst, als ich auf meinem Rad durch die überraschend milde Abendluft jagte, realisierte ich, dass ich ihn nicht nach seinem Namen gefragt hatte.
Und er mich nicht nach meinem.
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INHALT:
Um über die Runden zu kommen und die Pflege für ihre kranke Großmutter bezahlen zu können, arbeitet die 17-jährige Sara nachts als Diebin für Diamanten - denn schon von klein auf kann sie diese hören und ist daher eine der Besten in ihrem Job. Doch als sie nach einem ihrer Coups dem gut aussehenden, schweigsamen Damir begegnet, beginnt sich ihre Welt auf den Kopf zu stellen. Ihr Körper und ihre Wahrnehmung verändern sich, immer wieder hat sie Visionen einer anderen Zeit und die Menschen reagieren seltsam auf sie. Aber erst, als sich die Ereignisse zu überschlagen beginnen, realisiert Sara, in welch großer Gefahr sie nun schwebt...
MEINE MEINUNG:
Bettina Belitz schreibt außergewöhnliche Romane, die man mag oder nicht - dazwischen gibt es selten etwas. Auch der Auftakt ihrer neuen Diamantkriegersaga, "Damirs Schwur", ist originelle Fantasy, getragen vom bildlichen, großartigen Schreibstil. Doch die Geschichte, erzählt aus der Ich-Perspektive von Sara, ist sehr geheimnisvoll und durch die wenigen Erklärungen teilweise schwammig und auch seltsam esoterisch angehaucht, was durchaus erst einmal sehr ungewöhnlich und manchmal auch abschreckend anmutet.
Sara ist eine Protagonistin, die auf den ersten 100 Seiten und auch danach immer mal wieder sehr zu überzeugen weiß: Tough, mutig und kämpferisch ist sie eine Protagonistin, die sich nichts sagen lässt und dennoch weiß, wann es wichtig ist, zurückzustecken. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto unsicherer wird sie jedoch, denkt sich immer wieder neue Verschwörungstheorien aus und verrennt sich vollkommen in unlogischen Gedankengängen, die irgendwann anfangen zu nerven. Titelgeber des Bandes, Damir, lernt man dafür so gut wie gar nicht kennen, er spricht kaum und wenn, dann nur in kryptischen Andeutungen, was recht anstrengend ist. Er erhält keinen Charakter, was eventuell gewollt ist - wodurch man ihm aber auch nicht nahe kommt. Interessante Persönlichkeiten sind dagegen Saras grausame Mutter Jaga, der gefährliche, oft irre Hehler Kratos und ganz besonders der fürsorgliche, freundliche Anwalt Herr Goldwasser, der im Grunde der Einzige ist, der Sara endlich mal Informationen bieten will.
Das erste Viertel war für mich definitiv der beste Teil des Romans: Saras Diebstähle, ihr elegantes Eindringen in Häuser, die Beschreibung der Unterwelt - das alles ist sehr intensiv, mitreißend und glaubwürdig. Auch wenn die restliche Welt eher vage bleibt, weil die Autorin nicht genau benennt, wo die Geschichte spielt, hat man doch bald das Gefühl, sich ebenfalls in dieser schmutzigen, brutalen Stadt zu befinden. Es spielt sich wohl alles in der Zukunft ab, vielleicht ein paar Jahrzehnte weiter von uns aus gesehen, auch das wird jedoch nie ganz deutlich. Das ist leider ein Problem, was sich durch die gesamte Geschichte zieht: Es ist alles so vage, Informationen über Hintergründe und auch über das, was mit Sara passiert, gibt es kaum. Oft fragt man sich auch, warum sich die Strippenzieher so vehement dagegen wehren, ihr mehr zu offenbaren, denn das bringt das Mädchen nur noch mehr in Gefahr.
Besonders als Sara sich in ihrer Paranoia und ihren Schuldzuweisungen suhlt, begeht sie einen Fehler nach dem anderen (während der Leser ihr immer bereits voraus ist) - doch selbst aus extrem lebensgefährlichen Situationen wird sie sehr spät gerettet, was mir ihre Gegenüber nicht wirklich sympathischer gemacht hat. Und sogar die Informationen, die sie zum Ende hin endlich erhält, bleiben kryptisch und geben dem Leser nur wenige Vorstellungen darüber, was wirklich vor sich geht. Dafür ist der Schluss aber gut gewählt und passt endlich wieder zu der starken Protagonistin, die man zum Anfang des Bandes kennen gelernt hat. Da darf man gespannt sein, was die Autorin für den nächsten Teil bereit hält.
FAZIT:
"Damirs Schwur" ist wunderbar geschrieben und fesselt über weite Teile - aber der Inhalt kam bei mir oft nicht so richtig an. Alles ist sehr kryptisch gehalten, was sowohl die Protagonistin als auch den Leser zur Weißglut treibt, vor allem, weil man oft so viel mehr weiß als sie. Mit mehr Informationen könnte Band 2 aber definitiv überzeugender werden. Knappe 3 Punkte.