Mit Marlenes Geheimnis habe ich – so glaube ich zumindest – das erste Buch von Brigitte Riebe gelesen. Und das, obwohl der Name natürlich ein Begriff ist.
Das neue Buch von ihr reizte mich auf Grund des Themas und so griff ich begeistert zu.
Die Begeisterung hielt – das ganze Buch über. Brigitte Riebe schaffte es, mit mitzunehmen. Ihr gelang es, mich voll in die Geschichte hinein zu katapultieren. Sie schaffte es, dass ich atemlos die Geschichte verfolgte, dass ich dran blieb und jeder Minute entgegenfieberte, die ich zum Lesen Zeit hatte.
Worum geht es in dem Roman?
Grob gesagt ist es ein Familienroman – es geht um drei Frauen aus drei Generationen und die Tatsache, wie ein Ereignis – eine Kette von Ereignissen – das Leben mehrerer Generationen beeinflussen kann.
Marlene hat die Vertreibung aus der Heimat nach dem Krieg längst hinter sich gelassen. Vor mehr als siebzig Jahren begann sie mit ihrer Mutter Eva am Bodensee ein neues Leben. Eine florierende Schnapsbrennerei, die die Früchte der Region verarbeitet, ist ihr ganzer Stolz. Erst als ihre Nichte Nane kurz nach Evas Beerdigung die Aufzeichnungen der Großmutter liest, bricht die Vergangenheit ohne Vorwarnung herein. Und ein lang gehütetes Geheimnis kommt zutage …
Die Autorin hat es vom ersten Moment an durch ihren Schreibstil geschafft, mich auf die Geschichte von Marlene, ihrer Mutter Eva und Nane, der Nichte von Marlene neugierig zu machen. Der Schreibstil ist packend und fesselnd, dabei so detailreich und bildhaft, dass ich immer mal wieder inne halten musste.
Ganz besonders bei einigen Szenen aus der Vergangenheit, welche durch die Aufzeichnungen von Eva zum Leben erwachen, musste ich immer wieder unterbrechen. Die Grausamkeiten, die Hoffnungen und immer wieder der Kälte der damaligen Zeit – mich haben diese sprachgewaltig geschilderten Szenen auch nachts nicht losgelassen.
Geschickt verwebt Brigitte Riebe Vergangenheit und Gegenwart. Kapitelweise wagt sie diese Sprünge in die unterschiedlichen Zeiten, dabei weiß der Leser aber zu jeder Zeit, wo er ist. Ich bin teilweise solchen Büchern gegenüber, die zwischen zwei Zeiten hin und herspringen, sehr skeptisch, denn ich komme da auch gerne mal durcheinander.
Hier aber kam ich sehr gut mit, wusste immer wo ich mich befand und hatte Spaß an den Perspektivwechseln. Dadurch wurde die Geschichte zwar „aufgelockert“ und man konnte mal „Luft holen“. Aber man kam nicht aus der Erzählung raus, der Spannungsbogen wurde nicht unterbrochen. Die „Ruhephasen“, wenn die Geschichte im Hier und Jetzt spielte, brauchte ich als Leser auch, um nicht zu sehr in der Vergangenheit hängenzubleiben.
Mich hat diese Geschichte sehr aufgewühlt und ich kann mich gut in Nane und ihre Gefühle hineinversetzen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was sie beim Lesen der Aufzeichnungen ihrer Großmutter empfunden haben muss. Ich kann gut verstehen, wie sie das aufgewühlt hat. Ich kann gut verstehen, dass sie beim Lesen der Aufzeichnungen auch ab und zu mal raus musste.
Nane war für mich ein Charakter, den ich – fast – von Anfang an mochte. Zuerst erschien sie mir ein wenig weinerlich, oberflächlich. Aber ihre Beschäftigung mit der Vergangenheit fokussierte sie in der Gegenwart und machte ihr deutlich, was wirklich wichtig ist. Dazu noch Souki, die ich von Anfang an liebte ?
Aber auch Marlene war ein Charakter, wie ich ihn mag. Brummig und dabei doch liebevoll und beschützerhaft den gegenüber, die sie mag.
Eve lernte ich durch die Aufzeichnungen sehr gut kennen. Wusste ich am Anfang nicht so ganz, was ich von ihr halten soll … sie kam mir naiv und sprunghaft vor … nötigt sie mir im Laufe der Geschichte sehr viel Respekt ab.
»Die Vergangenheit verlierst die nie« so lautete einer von Evas Lieblingssätzen.
»Aber wenn du heute nicht lebst, dann wirst du auch die Zukunft verlieren.«
Marlenes Geheimnis ist ein Buch, das begeistert. Ein Buch das fesselt und betroffen macht; ein Buch das mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Ein Buch, das mich dazu bringt, vielleicht doch im Familienkreis mal nachzufragen. Wie war das damals? Wie hast Du die Zeit erlebt. Und zwar nachzufragen, ehe es zu spät ist. Ehe aus dieser Generation keiner mehr eine Antwort geben kann.
Liebe Brigitte Riebe; ich danke Dir für dieses tolle Buch, welches mich gefesselt und mir unruhige Nächte bereitet hat. Ich habe die Geschichte geliebt und gehasst, ich habe mich begeistern lassen.
Für den wunderbaren, bewegten Roman vergebe ich 5 von 5 Sternen