Historisch interessant, als Krimi enttäuschend
Kommissar Léon Duval steht vor einem Rätsel: Auf dem Friedhof „Le Grand Jas“ in Cannes wurde die Leiche eines jungen Mannes entdeckt, der über einem Grabstein zusammengebrochen ist. Duval forscht – entgegen ...
Kommissar Léon Duval steht vor einem Rätsel: Auf dem Friedhof „Le Grand Jas“ in Cannes wurde die Leiche eines jungen Mannes entdeckt, der über einem Grabstein zusammengebrochen ist. Duval forscht – entgegen der Anweisung seiner Vorgesetzten – zu dem Grab, der sich als ein Gedenkstein für Opfer des Nationalsozialismus in Cannes herausstellt. Und er findet tatsächlich einen Zusammenhang zu dem Ermordeten und den Personen, denen auf dem Stein gedacht wird. Kommissar Duval glaubt nicht an einen Zufall und begibt sich deshalb, unterstützt durch seine Lebensgefährtin Annie, auf eine Reise in Cannes traurigstes Kapitel der Vergangenheit.
„Lange Schatten über der Côte d´Azur“ ist bereits der achte Band der Autorin Christine Cazon rund um Kommissar Léon Duval. Ich habe bisher keinen Vorgängerband gelesen und deshalb fehlen mir auch einige Vorkenntnisse, die im Buch angedeutet, aber leider nicht vollständig erklärt werden. Diese haben mich zwar neugierig gemacht und teilweise etwas unbefriedigt hinterlassen, der Ermittlung an sich aber keinen Abbruch getan. Der Titel des Buches ist mir persönlich zu sperrig, aber das Cover hat mich überzeugt: Das Bild des Friedhofes vor Meereskulisse wird direkt im ersten Kapitel des Buches aufgegriffen und passt so gut zur Handlung.
Christine Cazons Schreibstil lässt sich aufgrund seiner Einfachheit gut lesen. Die Dialoge sind teilweise so schlicht und unaufgeregt gehalten, dass sie fast trivial wirkten. An anderen Stellen sind sie hingegen oftmals in lange Monologe ausgeartet, die beinahe wie Zitate aus einem Geschichtslehrbuch und dementsprechend anstrengend und alles andere als authentisch waren. Das hat mir den Lesefluss erschwert und nicht besonders gut gefallen. Was mir jedoch am meisten gefehlt hat, da das meine primäre Erwartung an das Buch war, ist der Lokalkolorit. Leider ist es dem Buch nicht gelungen, südfranzösisches Flair zu versprühen und die dort so typische Atmosphäre aufzubauen. Die Beschreibungen von Örtlichkeiten, Landschaften und Stimmungen waren mir einfach zu wenig, so dass mich das Buch leider gedanklich nicht an die Côte d´Azur entführen konnte – schade!
Die Geschichte an sich betrachte ich zwiespältig: Einerseits gab es den Handlungsstrang rund um die Geschehnisse in Südfrankreich zur NS-Zeit. Die Themen hier waren eher schwere Kost, da das Buch tief ins Historische und dort in besonders schlimme Ereignisse eintaucht. Wie bereits erwähnt geschah dies auf etwas sperrige Art und Weise in Form sehr unglaubwürdiger „Dialoge“. Christine Cazon scheint sehr ausführlich recherchiert zu haben und dem Leser ein breites Hintergrundwissen mitgeben zu wollen. Dies war zwar interessant, aber in dieser Ausführlichkeit nicht alles von Belang für die Krimihandlung. Die deutsch-französische Geschichte wurde teilweise sehr belehrend ausgerollt und rückte stark in den Fokus. So sehr, dass ich teilweise die eigentliche Geschichte um den Mord fast vergessen hatte. Emotional war der Hintergrund von Jakob Silberstein das einzige am Buch, was mich emotional berührt hat, aber die Verknüpfung von historischen Ereignissen mit der aktuellen Mordermittlung ist meines Empfindens nach leider nicht gelungen. Der zweite Handlungsstrang konnte ebenfalls nicht überzeugen. Die Ermittlung lief gefühlt eher nebenher, da neben ausführlichen Geschichtsstunden auch Duvals Privatleben ausgiebig thematisiert wurde. Dieses hat weder ihn, noch seine Frau Annie in einem besonders sympathischen Licht dastehen lassen, ich empfand deren Dialoge als aggressiv und wenig wertschätzend. Insgesamt war es mir viel zu viel breit ausgewälztes Privatleben, das zulasten der Kriminalgeschichte ging. Sowieso ist diese so stark in den Hintergrund gerückt, dass man das Buch schon fast nicht mehr als Krimi bezeichnen könnte. Für meinen Geschmack hätte dafür mehr Ermittlungsarbeit geschildert und Spannung aufgebaut werden müssen. Die Auflösung des Falles empfand ich dann als sehr unkreativ. Es ging dann plötzlich ganz schnell und nach all den Verwicklungen war das Motiv hinter dem Mord einfach nur enttäuschend.
Insgesamt hat mir das Buch leider nicht besonders gut gefallen. Bis auf Jakob Silberstein habe ich alle Personen als überempfindlich oder unsympathisch wahrgenommen. Die ergreifende historische Geschichte des alten Mannes hat der eigentlichen Story absolut den Rang abgelaufen, so dass das Buch sehr stark von der Krimihandlung abgedriftet ist. Vieles wirkte konstruiert und unglaubwürdig, es fehlte mir komplett an Spannung. Auch habe ich mir einen Krimi mit "Urlaubsflair" versprochen, von dem ich kaum etwas gespürt habe. Mich hat das Buch nicht besonders zufrieden hinterlassen und ich werde deshalb wohl auch keinen weiteren Fall von Duval mehr lesen. Schade.