„Nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.“ (Dietrich Bonhoeffer)
1914. Rechtzeitig vor der Hochzeit der adligen Wilhelmine von Rahden trifft die Deutsche Luise in Estland ein, um dort als deren Zofe zu arbeiten. Die beiden Frauen hegen schnell ein freundschaftliches ...
1914. Rechtzeitig vor der Hochzeit der adligen Wilhelmine von Rahden trifft die Deutsche Luise in Estland ein, um dort als deren Zofe zu arbeiten. Die beiden Frauen hegen schnell ein freundschaftliches Verhältnis. Wilhelmine würde lieber ein Medizinstudium aufnehmen, als den ihr zugedachten Baron zum Ehemann zu nehmen. Trotzdem macht sie sich in Begleitung von Luise auf den Weg nach Livland, um ihren Zukünftigen kennenzulernen. Als Luise Julius begegnet, ahnt sie nicht, dass es sich hier um den Bräutigam handelt und verliebt sich sofort in ihn. Wilhelmine nutzt die Gunst der Stunde und schmiedet gemeinsam mit Luise einen Plan, damit jede von ihnen das Leben bekommt, das sie sich wünscht. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges könnte alles zunichtemachen…
1989 Estland. Merike begehrt endlich auf gegen ihren despotischen Großvater Andrus und schließt sich mit Hilfe von Lenja der Unabhängigkeitsbewegung gegen Russland an. Zudem spürt sie ein altes Familiengeheimnis auf, das bislang gut gehütet wurde…
Christine Kabus hat mit „Die Birken der Freiheit“ den zweiten Band ihrer Estland-Serie vorgelegt, der dem Vorgänger in punkto Unterhaltung und Spannung in nichts nachsteht. Die Geschichten können unabhängig gelesen werden, denn ihre Handlungen unterscheiden sich voneinander. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer Zeitreise ein, um zum einen 1914 mit Luise eine abenteuerliche Reise von Deutschland nach Estland anzutreten sowie 1989 auf Merike zu treffen, die sich in Zeiten des politischen Umbruchs von Estland behaupten muss. Der perspektivische Wechsel lässt die Spannung steigen und den Leser den Zusammenhang zwischen den beiden Handlungsebenen erst nach und nach erahnen. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und den historischen Hintergrund fundiert in ihre Geschichte eingewebt. So erlebt der Leser nicht nur den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, sondern erfährt auch von der Freiheitsbewegung Estlands, die sich gegen die russische Führung im Land wehrt und die Unabhängigkeit des Landes erkämpfen will. Auch die farbenfrohen Beschreibungen der Örtlichkeiten sowie deren Geschichte lassen während der Lektüre Bilder im Kopf des Lesers entstehen und vermitteln den Eindruck, er sei direkt vor Ort. Die politische Situation beider Zeitebenen lassen Parallelen zur derzeitigen Lage zu, vor allem aber der damalige Untergang des Eisernen Vorhangs rückt noch einmal intensiv in das Gedächtnis des Lesers.
Die Charaktere sind facettenreich und lebendig in Szene gesetzt und fangen den Leser mit ihren glaubwürdigen Eigenschaften schnell ein, der sich ihnen gern an die Fersen heftet und mitfiebert. Wilhelmine ist eine Frau ohne Standesdünkel mit eigenem Kopf und dem Herz an der richtigen Stelle. Für ihre Freiheit spielt sie mutig ein gefährliches Spiel. Luise ist fleißig und besitzt ein freundliches Wesen, das sich Wilhelmine nur schwer widersetzen kann. Merike wächst über sich hinaus, sie fasst sich ein Herz und steht endlich für sich selbst ein. Großvater Andrus ist ein Tyrann, der nur seinen eigenen Willen gelten lässt. Merikes restliche Familie dagegen ist warmherzig, jedoch besitzt keiner die Stärke, sich gegen Andrus aufzulehnen.
„Die Birken der Freiheit“ können den Leser mit einer gelungenen Mischung aus Historie, unterschiedlichen Zeitebenen sowie Liebe und Familiengeheimnissen überzeugen, der das Buch kaum aus der Hand legen kann. Verdiente Leseempfehlung für eine gut recherchierte und unterhaltsame Geschichte!