15 Jahre ist es zwischenzeitlich her, seit Charlottes Vater morgens mit dem Segelboot auf den Atlantik hinausgefahren und nicht mehr zurückgekommen ist. Genau so lange ist es auch her, dass Charlotte zum letzten Mal im malerischen Ort Barfleur in der Normandie gewesen ist. Zu viele Erinnerungen verbinden sie mit diesem Ort – sie hat jedoch nie wirklich daran geglaubt, dass ihr Vater nicht mehr lebt.
Charlotte arbeitet als Museumskuratorin und wohnt mit ihrem Freund Gregor in Köln. Eines abends bekommt sie einen Anruf von ihrer Großcousine Sophie, die zur Zeit Urlaub in Barfleur macht. Sophie ist sich sicher, dass sie in einem Café in Barfleur Charlottes verschollenen Vater gesehen hat. Es gibt noch andere Hinweise, die sie in ihrer Meinung bestärken und so bittet sie Charlotte, zu ihr in die Normandie zu kommen.
Erste Recherchen vor Ort ergeben, dass niemand diesen Mann kennt oder gar gesehen hat. Hat Sophie sich geirrt? Die Fotos, die sie mit ihrem Handy gemacht hat, beweisen jedoch das Gegenteil.
Handelt es sich tatsächlich um Charlottes Vater oder sind sie einer Täuschung aufgelegen? Bei ihren Nachforschungen deckt Charlotte nicht nur Geheimnisse ihres Vaters auf sondern sie stößt auch auf die Geschichte ihres Großvaters Johann und einer Französin namens Mathilde, deren Liebe in Zeiten der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen keine wirkliche Chance hatte.
„Wiedersehen in Barfleur“ – ich muss gestehen, dass ich dieses Buch fast nur aufgrund seines Titels gewählt habe. Als ich jung war, habe ich (gemeinsam mit meinen Eltern und meiner Schwester) viele Sommerurlaube in Valognes, ca. 25 km von Barfleur entfernt, verbracht. Ich kenne Barfleur, Honfleur und all die Orte wie Saint Vast la Haague, Le Have, den Leuchtturm von Gatteville, die in diesem Buch als Handlungsschauplätze gewählt wurden, ebenso wie den Küstenstreifen, an dem am 6. Juni 1944 die Alliierten gelandet sind. Es ist zwar schon lange her, aber aufgrund der bildhaften Beschreibungen durch die beiden Autorinnen, konnte ich mir vieles wieder vorstellen.
Hinter dem Pseudonym „Claire Bonamy“ verbergen sich die Autorinnen Eva Philippon und Andrea Russo, die dieses Buch gemeinsam geschrieben haben. Meiner Meinung nach haben sie diese Aufgabe wirklich hervorragend gemeistert, denn es war zu keinem Zeitpunkt für mich als Leser erkennbar, welche Autorin welchen Part geschrieben hat bzw. dass überhaupt ein Wechsel stattgefunden hat.
Das Buch ist in 2 Handlungsstränge aufgeteilt. Der Teil in der Gegenwart folgt Charlotte und ihren Recherchen bezüglich des Mannes, den Sophie angeblich in Barfleur gesehen haben möchte, und der ihrem Vater so sehr ähnlich sieht. Über diese Recherchen hinweg stößt sie auch auf die Vergangenheit ihres Großvaters Johann und seiner französischen Geliebten Mathilde.
Vor 15 Jahren war Charlotte mit dem Franzosen Matthieu liiert. Ihre Beziehung zerbrach an der Tatsache, dass Charlotte nicht mit dem Verschwinden ihres Vaters klar gekommen ist. Zufällig macht Matthieu gerade ein paar Tage Urlaub bei seinen Eltern in Barfleur und die beiden treffen aufeinander …...
Der 2. Handlungsstrang erzählt die Geschichte von Mathilde. Sie beginnt, als Mathilde 10 Jahre alt ist und endet in Paris im Jahr 1949. Mathilde lernt Johann im Sommer 1940 kennen, als die Deutschen während des 2. Weltkrieges Frankreich besetzt hielten. Ihre Liebe entstand also zu einer Zeit, in der man den französischen Frauen „horizontale Kollaboration“ mit den deutschen Soldaten vorgeworfen hat und dieses Vergehen sowohl für Mathilde als auch für Johann Konsequenzen hatte.
Alle Charaktere wurden von den Autorinnen liebevoll und authentisch erstellt. In historischen Romanen finde ich meistens die Vergangenheit interessanter als die Gegenwart, denn hier und heute lebe ich selbst. Ich finde es faszinierend, wie man früher gelebt hat – und wie komfortabel wir dagegen heute z. B. unsere Wasche waschen.
Eine große Rolle kommt einem Bild des Malers Paul Signac zu, der für einige Jahre in Barfleur gewohnt hat. Charlotte findet dieses Bild in der Zeichenmappe ihres Vaters.
Ein bekanntes Bild von Paul Signac trägt den Namen „Der Hafen von Barfleur“ das er im Jahre 1931 gemalt hat. Ich hatte zwar schon von Paul Signac gehört/gelesen. Dass er einige Jahre in Barfleur lebte, erfuhr ich jedoch erst durch diesen Roman.
Nach Aussage der Autorinnen besteht die Möglichkeit, dass es einen 2. Band geben könnte. Bisher gibt es jedoch keinerlei konkrete Angaben dazu. Ich würde mich freuen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder nach Barfleur reisen zu können. Sollte dieses Buch jedoch als Einzelband stehen bleiben, ist die Geschichte auf jeden Fall in sich abgeschlossen. Am Ende bleibt nur eine einzige Frage offen, die aber nicht unbedingt einer Antwort bedarf.