Turbulent und witzig, aber manchmal übertrieben
Ich war schon erwachsen, als ich das erste Mal mit Jane Austens „Pride and Prejudice“ in Berührung kam, dennoch bin ich dem Buch von der ersten Seite an verfallen. Es war romantisch, es war witzig und ...
Ich war schon erwachsen, als ich das erste Mal mit Jane Austens „Pride and Prejudice“ in Berührung kam, dennoch bin ich dem Buch von der ersten Seite an verfallen. Es war romantisch, es war witzig und es war ein akkurates Gemälde der Zeit. Die Geschichte der jungen Frau, die gegen alle Widerstände den sozialen Aufstieg schafft und den reichen Mann heiratet, ist so alt, wie die Zeit selbst, doch selten war sie so originell und lebendig erzählt wie hier. Gleichzeitig bin ich schon seit meiner Jugend aktive Fanfiction-Schreiberin und -Leserin. Ich was, was transformative Werke sind und erkenne ihren eigenen, originellen Wert an. Auch, wenn ich mir sicher bin, dass es niemals jemandem gelingen wird, Austens Genialität mit einer Transformation ihres Werkes zu toppen, bin ich doch mehr als bereit, mich auf Fanfictions einzulassen. Entsprechend begeistert war ich, als mir „Vermählung“ von Curtis Sittenfeld in die Hände fiel.
Die Geschichte um Liz Bennet und Fitzwilliam Darcy folgt beinahe punktgenau den Ereignissen aus „Pride and Prejudice“, allerdings in einer modernen Zeit, denn wir schreiben das Jahr 2013. Dass Töchter Anfang zwanzig als Probleme gelten, wenn sie unverheiratet sind, ist längst nicht mehr üblich, und so hat die Autorin das Alter angehoben. Jane und Liz sind beide in der späteren Hälfte ihrer Dreißiger. Viel Zeit wird zu Beginn darauf verwendet, die Hintergründe aller Figuren zu beleuchten. Das könnte ermüdend sein, doch es war spannend geschrieben und die Autorin hat sich Mühe gegeben, den Figuren des Originals treu zu bleiben. Während Jane und Liz bereits auf eigenen Beinen stehen und Liz sogar genug Geld verdient, um vollständig unabhängig von den Eltern zu sein, leben Lydia, Kitty und Mary immer noch zu Hause, obwohl auch sie bereits alle die Zwanzig überschritten haben.
Einer der berühmtesten Sätze des Originals ist Darcys Aussage, Elisabeth Bennet sei „not handsome enough to tempt me“ – und Sittenfeld hat es sich nicht nehmen lassen, auch den modernen Darcy von Anfang an arrogant zu zeichnen: Es wundere ihn nicht, dass Liz noch Single sei. Liz ist entsprechend beleidigt und sie zeigt es ihm auch. Genauso, wie sie Caroline Bingley ihr Missfallen zeigt. Sie ist offener und direkter als ihr Vorbild, da es in unserer Zeit üblicher ist, offen und direkt zu sein. Manchmal wird auch sie dabei übermäßig beleidigend, aber der eine Punkt, der bei Austen so wichtig war, kommt hier dafür umso mehr zum Vorschein: Liz Bennet ist voller Vorurteile. Sie urteilt schnell und mit Hingabe, insbesondere über jene, die weniger weltgewandt sind als sie (ihre Familie) und jene, die vom Kleinstadtleben nichts wissen und deswegen Snobs sind (Darcy und Anhang). Jane auf der anderen Seite ist ihr liebenswürdiges, etwas naives Selbst, perfekt ausgedrückt in ihrem Beruf als Yoga-Lehrerin, mit dem sie nicht genug verdient, um ihren Lebensstil in New York zu finanzieren. Sie ist ein ausgeglichener, aber dennoch leicht zu verunsichernder Mensch.
Am lustigstens in diesem Buch war die Verwandlung von Bingley: Denn Bingley hat tatsächlich in der titelgebenden Reality-TV-Sendung „Vermählung“ mitgemacht, was im Buch immer wieder erwähnt wird und eine große Rolle spielt. Es ist beinahe niedlich, wie alle Beteiligten immer so tun, als würden sie das nicht sehen, aber dennoch bestens informiert sind. Wer gibt schon zu, dass er Reality-TV, insbesondere den „Bachelor“, schaut? Außer natürlich Lydia und Kitty, die keinerlei Probleme damit haben. Sie sind ihre vulgären, nur mäßig intelligenten Selbsts, aber: Sie sind herausragend schön und durchtrainiert und folgen einer neumodischen Diät. Auch das erscheint mir mehr als passend, denn natürlich würden Lydia und Kitty dem neuesten Schrei hinterher rennen und dann auf alle herabsehen, die zu zurückgeblieben sind, um den Trend zu verstehen.
Die Geschichte folgt auf turbulentem Pfade dem Original, doch die Autorin baut auch diverse Geschehnisse und Handlungsfäden ein, die neu sind. Während im Original außer der Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehungen rein gar nichts passiert (was für das Leben in der Zeit auch aussagekräftig ist), passieren hier tatsächlich Dinge. Es gibt Konflikte und Probleme, die über das Zwischenmenschliche hinausgehen. Dennoch frage ich mich, ob es wirklich 600 Seiten gebraucht hätte, um diese Geschichte zu erzählen. Streckenweise wird aus den neu eingebauten Ereignissen mehr gemacht, als wirklich nötig gewesen wäre, und so empfand ich einige Geschehnisse als übertrieben und unnötig. Trotzdem habe ich mich sehr gut amüsiert und immer wieder laut aufgelacht, wenn Darcy und Lizzy mal wieder einen besonders pointierten Schlagabtausch geführt haben.
FAZIT:
Mit „Vermählung“ ist Curtis Sittenfeld eine Adaption des berühmten „Pride and Prejudice“ gelungen, die sich nicht verstecken braucht. Deutlich modern und mit eigenen Einfällen, bleibt das Buch doch stets nahe genug an der Vorlage, um allen Fans Freude zu bereiten. Gelegentlich sind die gesellschaftskritischen Untertöne oder Charakterisierungen nicht so subtil wie im Original, so dass Handlungen übertrieben wirken, doch es hat meine Leselust nie wirklich gebrochen.