Cover-Bild Hast du uns endlich gefunden
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Rowohlt
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 304
  • Ersterscheinung: 19.10.2021
  • ISBN: 9783498001223
Edgar Selge

Hast du uns endlich gefunden

Das literarische Debüt von Edgar Selge: Ein Zwölfjähriger erzählt seine Geschichte zwischen Gefängnismauer und klassischer Musik. Exemplarisch und radikal persönlich.

Eine Kindheit um 1960, in einer Stadt, nicht groß, nicht klein. Ein bürgerlicher Haushalt, in dem viel Musik gemacht wird. Der Vater ist Gefängnisdirektor. Der Krieg ist noch nicht lange her, und die Eltern versuchen, durch Hingabe an klassische Musik und Literatur nachzuholen, was sie ihre verlorenen Jahre nennen.
Überall spürt der Junge Risse in dieser geordneten Welt. Gebannt verfolgt er die politischen Auseinandersetzungen, die seine älteren Brüder mit Vater und Mutter am Esstisch führen. Aber er bleibt Zuschauer. Immer häufiger flüchtet er sich in die Welt der Phantasie.
Dieser Junge, den der Autor als fernen Bruder seiner selbst betrachtet, erzählt uns sein Leben und entdeckt dabei den eigenen Blick auf die Welt. Wenn sich der dreiundsiebzigjährige Edgar Selge gelegentlich selbst einschaltet, wird klar: Die Schatten der Kriegsgeneration reichen bis in die Gegenwart hinein.
Edgar Selges Erzählton ist atemlos, körperlich, risikoreich. Voller Witz und Musikalität. Ob Bach oder Beethoven, Schubert oder Dvořák, Marschmusik oder Gospel: Wie eine zweite Erzählung legt sich die Musik über die Geschichte und begleitet den unbeirrbaren Drang nach Freiheit.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.05.2022

Melodie eines Lebens

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Es ist 1960, der Zweite Weltkrieg ist noch gar nicht so lange her, der zwölfjährige Edgar lebt mit Eltern, den älteren zwei Brüdern Werner und Martin sowie dem jüngeren Andreas neben der Jugendstrafanstalt, ...

Es ist 1960, der Zweite Weltkrieg ist noch gar nicht so lange her, der zwölfjährige Edgar lebt mit Eltern, den älteren zwei Brüdern Werner und Martin sowie dem jüngeren Andreas neben der Jugendstrafanstalt, in der sein Vater Gefängnisdirektor ist. Musik spielt in der Familie eine große Rolle, täglich wird musiziert und regelmäßig werden Hauskonzerte veranstaltet. Edgar ist ein neugieriges Kind, das aber trotzdem lieber für sich bleibt und in seiner Phantasiewelt lebt. Der vergangene Krieg wird ungerne thematisiert und falls doch, führt dies regelmäßig zu Streitgesprächen zwischen dem Vater und den älteren zwei Brüdern.

Eine ungewöhnliche Erzählweise hat der Autor gewählt. Der zwölfjährige Edgar weicht manchmal dem älteren Mann, zu dem er herangewachsen ist, der sich darüber mokiert, aufgrund der Pandemie geschützt werden zu müssen. Dies geschieht fließend, manchmal mitten im Kapitel, ist aber nie verwirrend oder lässt mich im Unklaren zurück. Es ist, als ob Edgar mir seine Geschichte erzählt und jeden Gedanken, der ihn ereilt, sofort verfolgen und mir darlegen muss. Es sind raue Zeiten, die Erziehung hart und nicht immer kindergerecht. Dazu kommt, dass Edgar kein einfaches Kind ist, seltsam entrückt und eigensinnig ist er, lügt, stiehlt und sieht sich meistens im Recht. Natürlich rechtfertigt dies alles nicht, gezüchtigt zu werden. Es sind andere Zeiten, rau und ungerecht.

„Ich will nicht zugeben, von jemandem geschlagen zu werden, den ich liebe. Und noch weniger will ich zugeben, dass seine Schläge meine Liebe nicht ausgelöscht haben. Ich will nicht einer sein, der den liebt, der ihn schlägt.“ (Seite 131)

Edgar testet immer wieder seine Grenzen aus, als Kind bereits, aber auch immer noch als erwachsener Mann. Die Aufarbeitung der Vergangenheit seiner Eltern ist ihm wie ein Zwang, auch hier übertritt er Grenzen, ist sich dessen bewusst und bereut, um es das nächste Mal genauso zu machen.

„Seine Angst geht mir nahe. Und ihre Pflichterfüllung, ihre nicht ausgelebte Wut über diese Pflichterfüllung, erschreckt mich so sehr, dass ich ihre Liebe ganz vergesse.“ (Seite 237)

Was für ein wunderbares Buch, ganze Sätze wollte ich markieren, rausschreiben und behalten. Die Erzählweise ist so intensiv, so eindringlich, oft war es für mich sehr emotional und schwer auszuhalten, wenn es erzählt, dieses manchmal so undurchschaubare Kind. Edgar urteilt nicht, weder verurteilt, noch beurteilt er. Er erzählt und stellt fest, er spricht zum toten Vater, erklärt gedanklich etwas einem der Brüder, er reflektiert sein Verhalten und stellt sich so bloß. Dies ist dermaßen interessant und spannend, dass ich gerne weiter zugehört, dringend weitere Episoden erfahren hätte aus seinem Leben. Ich wäre für eine Fortsetzung bereit. Volle Punktzahl und eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Es ist ein sehr persönliches Buch über die Kindheit des Autors

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In seinem Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“ erzählt Edgar Selge von seiner Kindheit. Er führt uns ein in seine Familie, stellt uns seine Eltern und seine 3 Brüder vor und lässt uns an seiner musikalischen ...

In seinem Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“ erzählt Edgar Selge von seiner Kindheit. Er führt uns ein in seine Familie, stellt uns seine Eltern und seine 3 Brüder vor und lässt uns an seiner musikalischen Erziehung teilhaben.

Der Roman beginnt mit der Vorbereitung eines Hauskonzertes. Der Vater, ein passionierter und ganz passabler Klavierspieler, ist Direktor der Jugendstrafanstalt in Herford und lädt an die 80 Gefangene zu diesem Konzert ein, die er persönlich unter den 400 Inhaftierten aussucht. Zusammen mit einem Violinisten wird er nachmittags das Konzert vor den Gefangenen und abends vor Freunden geben.
Zu diesem sehr musikalische Vater, einst Oberstaatsanwalt im 3. Reich, hat Edgar ein sehr schwieriges Verhältnis und das gesamte Ausmaß wird erst im Laufe des Romans erkennbar.
"Wer so intensive Prügel bekommt wie ich von dir, Papa, der kann auch als Kind ein tieferes Verständnis vom Leben haben."

Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich beginne dieses Buch und staune über die musikalisch, klassische Erziehung, die Edgar und seine Brüder erhalten. Alle Achtung, was der junge Mann da mit auf seinen Weg bekommt. Aber sehr bald bemerke ich die Kehrseite, die Härte und Brutalität, die in dieser Familie herrscht und es erstaunt mich, mit welcher Selbstverständlichkeit der Autor über die eigenen Kindererlebnisse erzählt.
"Ich weiß, es ist nicht gut, zu stehlen. Das braucht mir niemand erzählen. Es ist nicht gut, seinem Bruder eine Mark aus dem Geldbeutel zu klauen. Wer das nicht begreift, dem fehlt jedes moralische Grundverständnis. Mir ist jedenfalls vollkommen klar, dass man das nicht machen darf. Mich braucht auch niemand zu verprügeln oder zu ohrfeigen, um mir das beizubringen. Aber ich will diesen Film sehen. Und anders geht es nicht."
Es ist nicht das erste Buch, in dem ich über die Nazivergangenheit von Familienmitgliedern lese, aber dieses Buch bringt das Thema auf eine nächste Stufe. Diese Deutlichkeit ist doch sehr erstaunlich.
"Das Vaterland! Davon macht ihr euch gar keine Vorstellung, was das für und bedeutet hat!"
Sehr intensiv werden jene Szenen erzählt, die zu den Prügelattacken des Vaters geführt haben. Ich habe in manch einer Rezension von jungen Bloggern von einer „Triggerwarnung“ gelesen. Das zeigt, wie sich die Gesellschaft in den letzten 80 Jahren verändert hat. Die junge Generation hat tatsächlich keine Ahnung, wie das früher war. Was die Prügelei als Erziehungsmethode betrifft, ist das ein enormer Fortschritt

Fazit
„Hast du uns endlich gefunden“ von Edgar Selge ist ein sehr persönliches Buch über die Kindheit des Autors. Sein Erzählton ist atemlos, körperlich, risikoreich, voller Witz und Musikalität (Zitat auf der Rückseite des Buchumschlags).

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Veröffentlicht am 04.12.2021

Bedrückend und beglückend gleichermaßen

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Im Buch ist und bleibt Edgar Selge 12 Jahre alt. Jedenfalls meistens ist das so. Daran ändern auch gelegentliche Perspektivwechsel nichts. Ein Zwölfjähriger erzählt von sich im Spiegel seiner Familie. ...


Im Buch ist und bleibt Edgar Selge 12 Jahre alt. Jedenfalls meistens ist das so. Daran ändern auch gelegentliche Perspektivwechsel nichts. Ein Zwölfjähriger erzählt von sich im Spiegel seiner Familie. Das ist außerordentlich beeindruckend gut gelungen. Und doch fehlt es mir, dass Edgar nicht älter wird. Ich würde gerne miterleben, wie es ihm gelingt, seine Austernschale zu sprengen. Denn so manches, was mich im Buch berührt, legt der gereifte, erwachsene Edgar dem 12-Jährigen in den Sinn. Reizvoll zwar, aber nicht immer schlüssig nachzuvollziehen.

Wir erleben die 60er Jahre in einer mittelgroßen Stadt. Es wird uns das Gesellschaftsbild einer privilegierten Familie gezeichnet, einerseits musisch-kulturell gebildet, andererseits einem Konglomerat von nationalsozialischem und wilhelminischem Denken verhaftet. Der Vater, einst Staatsanwalt, ist Gefängnisdirektor, und zwar „ein besonders gut klavierspielender Gefängnisdirektor“, der regelmäßig ausgewählte Gefängnisinsassen einlädt zu Hauskonzerten. Edgar kämpft mit Liebe um dieses Vaterbild, das von Strenge, Härte und brutalen Prügelstrafen genauso geprägt ist wie von göttlich beseeltem Klavierspiel. Edgar trägt schwer an dem Gefängnis in sich, weil er „nicht den Mut hat, andere zu enttäuschen“. In vielen Szenen und Episoden, Erinnerungsfetzen, Träumen und Momentaufnahmen erleben wir Edgar als seismographisch feinen Beobachter und gleichzeitig als einen stillen Außenseiter im Familiengefüge. Herausragend gut, wie Edgar Selge es schafft, gleichzeitig Musik sehr tief empfindend zu beschreiben und parallel dazu genauso tief die Menschen zu erfassen, die Musik machen oder hören oder daran verzweifeln. Oder wenn der Autor Beethoven gleichsetzt mit Dostojewskij in seiner Hoffnung auf Unmögliches. Oder wenn er in bildhaft-starker Sprache von seinem Musiker-Bruder erzählt, der „Etüden schaufelt wie ein Kohlenarbeiter“. Dass Edgar Selge besonders wissbegierig die Spuren der Hitler-Zeit in seiner Familie sucht und es für wichtig hält, sich sogar als 73-Jähriger im Buch dazu zu Wort zu melden, hebt das Buch damit aus der rein privat-persönlichen Seite mit all dem Bedrückenden und Aufwühlenden weit heraus.


Fazit: Ein Buch, das ich als ebenso bedrückend wie beglückend empfand. Ein Buch zum Mehrfachlesen!

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Die eigene Familiengeschichte

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Unter Schauspielern scheint es derzeit angesagt zu sein, die eigene Familiengeschichte in Buchform niederzuschreiben. Ich erinnere da etwa an Joachim Meyerhoff mit seiner sehr humorigen Buchserie. In eine ...

Unter Schauspielern scheint es derzeit angesagt zu sein, die eigene Familiengeschichte in Buchform niederzuschreiben. Ich erinnere da etwa an Joachim Meyerhoff mit seiner sehr humorigen Buchserie. In eine ähnliche Richtung geht dieses Buch. Der als Schauspieler bekannte Autor Selge erzählt autobiografisch seine Familiengeschichte. Dabei steht im Fokus die Zeit um 1960, als er etwa zwölf Jahre alt war. Aus kindgerechter Perspektive arbeitet er vor allem seine Beziehung zu seinem Vater auf, der Despot war und gewalttätig gegenüber dem Sohn, ja sich ihm sogar sexuell unzüchtig annäherte, von Edgar aber dennoch geliebt wurde. Betrachtenswert ist auch, wie Selge die Einstellung der Eltern zum Nationalsozialismus und ihre Neuorientierung in der Nachkriegszeit darstellt. In seiner Familie gab es viele Schicksalsschläge. Dennoch durchzieht den ganzen Roman ein humoriger Grundton; alles ist angefüllt mit Anekdoten, die einen immer wieder schmunzeln lassen.
Sehr lesenswert.

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