Cover-Bild Frau im Dunkeln
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 188
  • Ersterscheinung: 11.02.2019
  • ISBN: 9783518428702
Elena Ferrante

Frau im Dunkeln

Roman
Anja Nattefort (Übersetzer)

Leda ist fast fünfzig, geschieden, sie unterrichtet Englisch an der Universität in Florenz. Die erwachsenen Töchter sind jetzt beim Vater in Kanada, und Leda muss sich eingestehen, dass sie statt der erwarteten Sehnsucht vor allem Erleichterung empfindet. Den heißen Sommer verbringt sie in einem süditalienischen Küstenort: Bücher, Sonne, das Meer, was könnte friedlicher sein? Am Strand macht sich neben ihr allerdings eine übermütig lärmende neapolitanische Großfamilie breit, darunter eine noch junge Mutter und deren kleine Tochter. Leda beobachtet die beiden über Tage, zunächst fasziniert, wohlwollend. Allmählich aber schlägt ihre Stimmung um, irgendwann folgt sie einem Impuls und tut dem kleinen Mädchen und der Familie etwas Unbegreifliches an. Und wird selber heimgesucht, von lange verdrängten Erinnerungen – an gravierende Entscheidungen, die sie zu treffen hatte, ganz zum Leidwesen ihrer eigenen Töchter ...

Was bedeutet es, eine Frau und Mutter zu sein? Mit frappierender Ehrlichkeit ergründet Elena Ferrante die widersprüchlichen Gefühle, die uns an unsere Kinder binden.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.05.2019

Frau im Dunkeln

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Klappentext:
„Leda ist fast fünfzig, geschieden, sie unterrichtet Englisch an der Universität in Florenz. Die erwachsenen Töchter sind jetzt beim Vater in Kanada, und Leda muss sich eingestehen, dass sie ...

Klappentext:
„Leda ist fast fünfzig, geschieden, sie unterrichtet Englisch an der Universität in Florenz. Die erwachsenen Töchter sind jetzt beim Vater in Kanada, und Leda muss sich eingestehen, dass sie statt der erwarteten Sehnsucht vor allem Erleichterung empfindet. Den heißen Sommer verbringt sie in einem süditalienischen Küstenort: Bücher, Sonne, das Meer, was könnte friedlicher sein? Am Strand macht sich neben ihr allerdings eine übermütig lärmende neapolitanische Großfamilie breit, darunter eine noch junge Mutter und deren kleine Tochter. Leda beobachtet die beiden über Tage, zunächst fasziniert, wohlwollend. Allmählich aber schlägt ihre Stimmung um, irgendwann folgt sie einem Impuls und tut dem kleinen Mädchen und der Familie etwas Unbegreifliches an. Und wird selber heimgesucht, von lange verdrängten Erinnerungen – an gravierende Entscheidungen, die sie zu treffen hatte, ganz zum Leidwesen ihrer eigenen Töchter ...
Was bedeutet es, eine Frau und Mutter zu sein?“

Die Meisterin der neuen Literatur, Elena Ferrante, taucht gemeinsam mit dem Leser in „Frau im Dunkeln“ tief in die weibliche Seele ab. Mit ihrer Protagonistin Leda hat Ferrante wieder eine sehr tiefgründige Person geschaffen die uns in ihr Innerstes mitnimmt. Ferrante schreibt wieder großartig eindringlich. Sie benutzt keine ausschweifenden Begriffe sondern bleibt immer auf dem Punkt. Ihr Schreibstil ist wieder sehr rund, selbstsicher und harmonisch. In Leda zeigt sie eine Frau die komplett zerrissen ist in ihrem Leben. Sie weiß nicht welche der beiden Lebensseiten sie mehr in Anspruch nimmt: das Mutter-sein oder die arbeitende Karrierefrau. Beides befriedigt sie bis zu einem gewissen Punkt und dann ist sie zur „Auszeit“, gezwungener Maßen, an diesem traumhaft schönen Küstenort um zu entspannen. Und es beginnt sich eine Seite in ihr zu zeigen die sie so noch nicht kannte. Ferrante zeigt dann, ohne zu viel zu verraten, das in uns allen etwas schlummern von denen wir nichts wissen, ahnen oder gar ausreizen wollen. Es brauch einen Funken der alles zum platzen bringen kann. Aber warum vergisst man trotz aller Verantwortung das „Frau-sein“?
Als großer Ferrante-Fan wurde ich auch hier nicht enttäuscht. Großartig von der ersten bis zur letzten Seite!

Veröffentlicht am 04.04.2019

Über die Mutterschaft

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Leda, Englischprofessorin in Florenz und Mutter zweier erwachsener Kinder, beschließt in den Semesterferien alleine zu vereisen und fährt in den Süden Italiens an die Küste. Während sie sich Entspannung ...

Leda, Englischprofessorin in Florenz und Mutter zweier erwachsener Kinder, beschließt in den Semesterferien alleine zu vereisen und fährt in den Süden Italiens an die Küste. Während sie sich Entspannung erhofft, kommt es doch ganz anders, als sie eine junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter beobachtet und kennenlernt. Diese Begegnung löst etwas tief Verborgenes in ihr aus und bringt eine unschöne Seite in ihr zum Vorschein.

Das zentrale Thema dieses Buches ist die Mutterschaft und wie die Protagonistin Leda diese erlebt hat. Sie wird durch das Beobachten der Mutter-Kind-Beziehung von Nina und Elena an ihre eigene Zeit als Mutter und an ihre eigene Mutter erinnert und alles kommt wieder hoch. Die unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte, die konflikthaltigen Beziehungen zu ihrer Mutter und ihren eigenen Kindern.

Mir schien es oft als wäre sie nicht bereit für Kinder gewesen, da sie sich selbst und ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden hatte und die Selbstverwirklichung anstrebte. Dies funktionierte nicht mit Kindern, denen sie sich in gewisser Weise unterordnen musste. Dadurch war sie hin- und hergerissen zwischen eigenen Träumen und ihrer Verpflichtung als Mutter, in dessen Spannungsfeld sie sich früher oder später entscheiden musste. An Leda gefiel mir besonders ihre ehrliche und schonungslose Art. Die einen werden das als egoistisch und selbstsüchtig bezeichnen und ich gebe zu, dass ist es auch, aber dadurch wurden auch die Schattenseiten des Kinderhabens beleuchtet und eingehend analysiert. Es wird nicht nur das Bild vermittelt, dass mit Kindern immer alles toll ist, sondern wie schwierig und problematisch solche Beziehungen sein können.

Was mir seltsam und unheimlich erschien waren Ledas plötzliche Verhaltensänderungen. Meistens war sie kontrolliert und ging mit Bedacht vor und dann wurde sie plötzlich trotzig, impulsiv, handelte und dachte total albern und kindisch. Das führte dann zur unbedachten Handlungen mit negativen Konsequenzen. Ähnliches fiel mir bei der Beziehung zu ihren Kindern auf. In den Erinnerungen war sie oft ängstlich und wollte ihren Kindern die Welt zu Füßen legen und im nächsten verhielt sie sich egoistisch und teilweise sogar aggressiv. Komplett gegensätzlich. Das wirkte unstet und nicht kontinuierlich. Wie ein inaktiver Vulkan der plötzlich und unerwartet ausbricht. Richtiggehend unheimlich.



Die andersartige Perspektive auf die Mutterschaft und die Rolle als Mutter - auch im Vergleich zum Vater - sind erfrischend und innovativ geschildert und konnten mich vollkommen begeistern.

Veröffentlicht am 31.03.2019

Versuch einer Aufarbeitung der eigenen Persönlichkeit

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In diesem Roman geht es um Leda, die allein in einem italienischen Badeort Urlaub macht. Sie hat ihr Leben bislang gut gemeistert, so scheint es. Sie lehrt an einer Universität und hat zwei erwachsene ...

In diesem Roman geht es um Leda, die allein in einem italienischen Badeort Urlaub macht. Sie hat ihr Leben bislang gut gemeistert, so scheint es. Sie lehrt an einer Universität und hat zwei erwachsene Töchter. Sie hat sich aus ihrer Ehe befreit, als die Enge der Familie ihr zu sehr zusetzte. Somit tritt sie selbstbewusst und emanzipiert auf.
Am Strand fällt ihr eine neapolitanische Familie auf, und sie beginnt deren soziale Beziehungen zu studieren. Da es sich um einen Familienclan handelt, gibt es einiges zu beobachten. Besonders eine junge Frau und ihre kleine Tochter wecken Ledas Interesse. Zunächst ist sie den beiden wohlgesonnen, beobachtet die Probleme in der Mutter-Kind-Beziehung und fühlt sich an eigene Erlebnisse mit ihren Kindern in der Vergangenheit erinnert. Jedoch entwickelt sich die Sympathie bald zu Neid, denn sie beobachtet ein sehr intensives Verhältnis zwischen Mutter und Kind, das sie nie zu ihren Töchtern hatte und vielleicht auch nie haben wollte. Sie erinnert sich an Erlebnisse mit ihren Töchtern, die keineswegs harmonisch waren, und ist so frustriert, dass sie aus niederen Beweggründen etwas sehr Gemeines macht, das für die neapolitanische Familie ein Drama bedeutet.
Das Buch zeigt uns die Zerrissenheit einer Frau, die gleichzeitig eine Familie betreut und Karriere machen möchte. Sie ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihren Kindern sowie dem Wunsch, sich ihnen zu widmen, und auf der anderen Seite dem Streben nach Selbstverwirklichung im Beruf, aber auch im Privatleben. Die Situationen, an die Leda sich erinnert, sind für mich sehr authentisch und haben mich an so manches in meinem eigenen Leben erinnert. Ich bekam dadurch viele Impulse zur Reflektion.
Sie beobachtet die junge Mutter am Strand und ihr warmherziges und vertrauensvolles Spiel mit ihrer kleinen Tochter. Für Leda entwickelt sich die bittere Erkenntnis, dass sie ihren Töchtern keine liebevolle Mutter war. Und noch etwas erkennt sie: dass auch sie selbst als Kind nicht in Geborgenheit aufwuchs. Kann nur ein Mensch, der in Liebe und Zuwendung aufwuchs, diese auch später weitergeben? Dies sind grundsätzliche Fragen, auf die es vermutlich keine klaren Antworten gibt.
Leda ist sicher keine sympathische Protagonistin, denn sie hat deutlich wahrnehmbare Charakterschwächen, aber diese Schwächen sind sehr authentisch beschrieben, und in der einen oder anderen Schwäche kann sich sicherlich jeder wiedererkennen.
Der Schreibstil der Autorin hat mich sehr beeindruckt, denn sie bleibt nicht an der Oberfläche, sondern beleuchtet bis in tiefste emotionale Schichten die Persönlichkeit dieser auf den ersten Blick perfekten Frau. Es ist sicher nicht mein letztes Buch von Frau Ferrante.
Das Cover hätte etwas mehr abgestimmt werden können, so dass das Bild der Dominanz des Familienclans am Strand besser abgebildet würde, aber das ist nur eine Kleinigkeit. Insgesamt hat mich das Buch sehr beeindruckt, mich zum Nachdenken angeregt und bleibende Gefühle hinterlassen. Eine eindeutige Empfehlung für Leser mit Vorliebe für tiefgründige Literatur.

Veröffentlicht am 09.03.2019

Kurzer, pointiert formulierter Roman, der eine Sogwirkung entfaltet und durch das vorweggenommene Ende spannend und raffiniert erzählt ist

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Leda ist 48 Jahre alt, Literaturprofessorin und Mutter zweier erwachsener Töchter, die bei ihrem Vater in Toronto wohnen. Sie verbringt den Sommer allein in einer Ferienwohnung in Kalabrien, wo sie sich ...

Leda ist 48 Jahre alt, Literaturprofessorin und Mutter zweier erwachsener Töchter, die bei ihrem Vater in Toronto wohnen. Sie verbringt den Sommer allein in einer Ferienwohnung in Kalabrien, wo sie sich ganz den Büchern und der Vorbereitung ihrer Seminare widmen möchte. Am Strand trifft sie auf eine neapolitanische Familie, die sie an ihre eigene Familie erinnert. Angezogen fühlt sie sich dabei von Nina, einer jungen Mutter eines dreijährigen Kindes. Die kleine Elena ist eines Tages verschwunden und wird panisch am Strand gesucht. Leda findet das Mädchen und bringt sie zurück zu ihrer Familie. Dabei steckt sie allerdings ihre geliebte Puppe ein, ohne die Elena nicht sein kann. Und auch als Leda täglich sieht, wie die Kleine leidet und die Urlaubsstimmung für die neapolitanische Familie abhanden gekommen ist, gibt Leda die Puppe nicht zurück.

Das Buch handelt von der Rolle der Frau und dem Konflikt zwischen Karriere und Mutter-Dasein, zwischen individueller Freiheit und Familie. Leda hat sich in der Vergangenheit von ihrem Mann getrennt und damit auch ihre beiden kleinen Töchter verlassen und sogar drei Jahre ganz den Kontakt zu ihnen abgebrochen. Dieses Verlassen hat die Mutter-Tochter-Beziehungen entscheidend geprägt und nachhaltig erschüttert. Mit dem Beobachten der Familie am Strand kehrt die Erinnerung daran, aber auch an ihre eigene Kindheit und das Verhältnis zu ihrer Mutter zurück.

Der kurze Roman, der schonungslos ehrlich geschrieben ist, schockiert und man fragt sich aufgrund der Namensgebung des Kindes, wie viel Autobiographisches in der Novelle steckt. Es ist kaum vorstellbar, dass eine studierte Frau, die auf den ersten Blick mit sich selbst im Reinen und selbst Mutter ist, einem fremden Kleinkind das Spielzeug stiehlt und anschließend zusieht, wie das Mädchen und die ganze Familie leiden.

Leda ist keine sympathische Protagonistin. Sie polarisiert, ist exzentrisch und handelt egoistisch, bösartig und gemein. Elena Ferrante traut sich Dinge zu beschreiben, die tabu sind: Eine Frau mit zwei Töchtern, die ihre Erfüllung nicht in der Mutterrolle findet und sich und ihre persönlichen Interessen an die erste Stelle rückt. Leda konnte ihren Töchtern nie die Liebe entgegenbringen, die ihr von der fremden neapolitanischen Familie am Strand vorgelebt wird und die sie nie von ihrer eigenen Mutter erfahren hat. Neid und Eifersucht kommen in ihr auf, was sich letztlich in ihrem niederträchtigen Handeln niederschlägt.

"Frau im Dunkeln" ist ein kurzer, pointiert formulierter Roman, der eine Sogwirkung entfaltet und durch das vorweggenommene Ende spannend und raffiniert erzählt ist.

Veröffentlicht am 27.02.2019

Ein eindringlicher Roman und eine nachdenkliche Parabel über das Leben moderner Frauen.

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Elena Ferrante, Frau im Dunkeln, Suhrkamp 2019, ISBN 978-3-518-42870-2

Nach dem großen Erfolg der „Neapolitanischen Saga“ veröffentlicht der Suhrkamp Verlag nun auch die früheren Romane der von Anfang ...

Elena Ferrante, Frau im Dunkeln, Suhrkamp 2019, ISBN 978-3-518-42870-2

Nach dem großen Erfolg der „Neapolitanischen Saga“ veröffentlicht der Suhrkamp Verlag nun auch die früheren Romane der von Anfang unter dem Alias Elena Ferrante schreibenden italienischen Schriftstellerin.

Ihr 2006 in Italien erschienener Roman „La figlia obscura“ wurde schon 2007 unter dem Titel „Frau im Dunkel“ von DVA einem deutschen Publikum vorgestellt, mit wenig Resonanz. Dies wird nun nach der Saga anders sein, wenn Suhrkamp nach „Lästige Liebe“ auch „Frau im Dunkeln“ präsentiert.

Wieder erzählt eine Frau im mittleren Alter aus ihrem Leben. Leda ist 49 Jahre alt, ist geschieden und unterrichtet Englisch an der Universität in Florenz. Ihre schon erwachsenen Töchter leben seit etlicher Zeit beim Vater in Kanada, wo er seit langem arbeitet und lebt.

Schon kurz nachdem sie zum Vater und zum Studieren nach Kanada gingen und sich von der Mutter trennten, spürte diese nicht die erwartete Sehnsucht nach ihren Töchtern, sondern hauptsächlich und vor allem große Erleichterung, etwas Schweres endlich losgeworden zu sein.

Die ich-erzählende Leda verbringt ihre Sommerferien in einem süditalienischen Küstenort und freut sich auf Sonne, Meer und viel Erholung mit ihren Büchern.

Doch schon bald macht sich am Strand ganz in ihrer Nähe eine aus Neapel (!) stammende Großfamilie breit, mit all den Geräuschen und dem Lärm, den das mit sich bringt. Teil dieser Großfamilie sind eine junge Mutter und deren kleine Tochter. Tagelang nun wird Leda tagsüber am Strand diese beiden beobachten und sich ihre Gedanken dazu machen. Zunächst sind diese wohlwollend, stellenweise sogar fasziniert von der innigen Beziehung zwischen Mutter und Tochter, etwas was Leda, sich immer wieder an ihre Vergangenheit erinnernd, so nicht kannte in ihrer Kindheit und dann in ihrem eigenen Mutterdasein. Nach einigen Tagen jedoch spürt sie, wie ihre Stimmung umschlägt, wie sich eine Mischung aus Neid, Zorn und Enttäuschung Bahn bricht und einem unverständlichen Impuls folgend tut Leda dem kleinen Mädchen und mit ihm der ganzen Familie etwas an. Unbegreiflich für sie selbst und erst recht den Leser, wächst sich ein zunächst wie eine Lappalie aussehender Vorgang zu einer regelrechten Katastrophe aus.

Wie ist es dazu gekommen? Die schöne junge Mutter Nina ist für Leda ein Sinnbild für ihre eigene, nie erlebte Mutter. Und deren kleine Tochter Elena, die Nina über alles liebt, ist quasi Ledas Alter Ego. Und die Puppe Elenas, die Leda verschwinden lässt und Tochter und Mutter damit unendlichen Kummer zufügt, ist sozusagen das entscheidende Bindeglied.
Elena Ferrante spielt in ihrem neuen Roman mit dem aus der Psychologie bekannten mehrgenerationalen Konflikt. Überzeugend zeigt sie am Beispiel Ledas, wie negative Verhaltensmuster aus der Vergangenheit sich zwanghaft wiederholen können und dabei das eigene Glücksempfinden verhindern und Beziehungen zerstören.

Zirkulär erzählend, den Anfang des Buches als Fortsetzung des Endes beschreibend, lässt Elena Ferrante mit einer unglaublichen emotionalen Kraft ihre Protagonistin die Erlebnisse ihrer Vergangenheit berichten, die die junge Mutter und ihre Tochter in ihr auslösen. Es ist nicht leicht für sie, wie sie am Anfang sagt: „Die Dinge, die wir selbst nicht verstehen, sind am schwierigsten zu erzählen.“

Und was zu Beginn ihres Urlaubs voller Zuversicht begonnen hat, endet dramatisch: Elena Ferrante beschreibt Leda, die doch so vernünftige scheinende intellektuelle Frau, als eine psychisch zutiefst gestörte Persönlichkeit.

Der bewegende, ja erschütternde Roman stellt ohne Rücksichtnahme die Frage, was es eigentlich bedeutet, eine Frau und Mutter zu sein. Mit großer Ehrlichkeit geht Ferrante in die Tiefe und ergründet die widersprüchlichen Gefühle, die eine Mutter an ihre Kinder binden können.

Von Leda und ihre literarischen Schöpferin unkommentiert, denkt der Leser/die Leserin lange über den letzten Satz des Buches nach, als Leda sagt: „Ich bin tot, aber es geht mir gut.“

Ein eindringlicher Roman und eine nachdenkliche Parabel über das Leben moderner Frauen.