Verlorengegangen im Ethik-Dschungel
„Dunkle Momente“ von Elisa Hoven, erschienen 2025 im S. Fischer Verlag, kann für mich leider nur im Mittelfeld der Frühjahrsneuerscheinungen mitspielen. Hoven stellt uns hier ein solides Buch vor, auf ...
„Dunkle Momente“ von Elisa Hoven, erschienen 2025 im S. Fischer Verlag, kann für mich leider nur im Mittelfeld der Frühjahrsneuerscheinungen mitspielen. Hoven stellt uns hier ein solides Buch vor, auf der Grenze zwischen Erzählung und Episodenroman tanzend, das zwar grundsätzlich gut geschrieben und sauber konstruiert ist, mich aber leider zu keinem Zeitpunkt überraschen und in den Bann ziehen konnte.
Protagonistin des Romans ist Eva Herbergen, die als Strafverteidigerin immer wieder mit schwierigen Fällen konfrontiert ist und aufgrund eines Traumas dabei in ihren Dunklen Momenten immer wieder die Professionalität verliert und deshalb weit über ihren eigentlichen Auftrag hinaus in ihre Fälle eingreift bzw. sich hineinziehen lässt. Das Buch ist unterteilt in neun solcher Fälle, erst der letzte wird Aufschluss darüber geben, warum Eva sich verhält wie sie sich verhält. Das ist kein Spoiler, denn Hoven wird nicht müde am Ende eigentlich jeden Falles auf den Fall „Stefan Heinrich“ zu verweisen – und das Inhaltsverzeichnis zeigt uns diesen als neunten und abschließenden Fall des Buches auf.
Die neun Fälle haben für mich persönlich nichts Neues erzählt, was daran liegen kann, dass ich mich als Theaterschaffende permanent mit den Grenzen des menschlichen Handelns beschäftige, so waren mir viele der Themen sehr vertraut. Auch die Fragen, für die sich Hoven zu Recht interessiert, wie schnell kommt der Mensch mit Moral an seine Grenzen, gibt es Recht und Unrecht denn überhaupt und wer legt das fest, rechtfertigt Leid, das man selbst erfahren hat, das Leid, das man anderen antut, darf man Menschen das Recht auf Wahrheit und Erkenntnis verweigern, wenn man glaubt, dass sie mit den Erkenntnissen nicht gut umgehen könnten, ist Tötung auf Verlangen auch dann okay, wenn man selbst einen Lustgewinn daraus zieht – um nur einige der Fragen zu nennen – diese Fragen sind für mich leider auch ein alter Hut, und Hoven macht einen Fehler im Grundkonstrukt, der bei mir dazu führt, dass die Antwort auf die Fragen irrelevant wird.
Denn die Strafverteidigerin Eva Herbergen ist eine Figur, die dringend therapiebedürftig ist und jegliche professionelle Distanz, die sie in ihrem Job bräuchte, längst verloren hat. Da dieses so ist, kommt zum einen keinerlei Spannung auf, alle Fälle verlaufen nach dem gleichen Muster, so dass wir nach den ersten zwei Fällen immer schon wissen, wie der Verlauf sein wird. Zum anderen werden die Fragen nie bei klarem Verstand gestellt, sondern sind immer durch ein Trauma (das ich persönlich auch nicht nachvollziehen konnte) geprägt, weshalb ich Eva Herbergen leider nicht ernst nehmen konnte. Die einzige Frage, mit der ich aus diesem Buch ging, war die, wie wir unser Rechtssystem davor schützen können, dass labile Personen auf verantwortlichen Positionen arbeiten. Insgesamt habe ich das Buch auch als sehr redundant erlebt.
Positiv möchte ich festhalten, dass es in der Leserunde, in der ich das Buch las, auch andere Stimmen gab, die fanden, durch die Fälle und die Position der Verteidigerin würde eine Debatte über Recht und Ethik angestoßen. Mir selbst ging das nicht so, aber ich möchte dem Buch gern zugutehalten, dass es diese Perspektive gibt. Hoven schreibt auch gut und flüssig, ich finde ihr dramaturgisches Grundkonzept nicht sinnvoll, in diesem schreitet sie aber konsequent und logisch voran. Es mag also meiner Bubble und meiner eigenen Biografie geschuldet sein, dass dieses Buch bei mir so gar nicht geklickt hat. Der Vergleich zu Büchern des Autors Ferdinand von Schirach drängt sich auf, die erzeugen bei mir etwas ganz anderes, da dieser nüchtern und neutraler schreibt.
Ein Lob noch für das Cover! Dieses ist schlicht, aber eindringlich und das Motiv ergibt am Ende des Romans noch einmal einen tieferen Sinn. Wer sich also vielleicht noch nicht so viel mit der Frage nach Recht und Unrecht und den Grenzen von Ethik auseinandergesetzt hat, könnte hier ein Buch zum Lesen gefunden haben. Mich selbst hat es leider nicht überzeugt.