Unter dem Polarlicht
„Wie kam es, dass manche Menschen gleich mehrere herausragende Begabungen hatten, während andere – wie sie selbst – mit unscheinbaren Talenten auskommen mussten?
„Weil die außergewöhnlich begabten Personen ...
„Wie kam es, dass manche Menschen gleich mehrere herausragende Begabungen hatten, während andere – wie sie selbst – mit unscheinbaren Talenten auskommen mussten?
„Weil die außergewöhnlich begabten Personen womöglich darauf angewiesen waren, dass die mit den leisen und unscheinbar wirkenden Fähigkeiten sie im Hintergrund unterstützten, ihnen Halt und einen Rückzugsort boten, sie aufrichteten und voranbrachten, sie anleiteten und auch mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte.“
„Vermutlich gab es die einen ohne die andere nicht.“
Die dreiundzwanzigjährige Chiara Kilian hält nicht viel von ihrem Äußeren und sieht sich aufgrund verletzender Äußerungen ehemaliger Klassenkameraden und nicht zuletzt auch wegen ihres mangelnden Selbstbewusstseins selber als Pummelchen, nicht wert, geliebt zu werden. Die junge Frau mit den strahlend blauen Augen, dem weizenblonden Haar und der frechen Stupsnase lebt seit kurzem wieder in ihrer alten Heimatstadt Freiburg, in der sie jedoch kaum noch jemanden kennt. Als am letzten Tag vor Ende ihrer Probezeit in einer Bank unvermutet ihre Kündigung ausgesprochen wird, offenbart sich ihr in einem ungewöhnlichen Jobangebot eine neue Chance. Der bekannte und berühmte Autor Florian Forster verletzte sich bei einem Unfall beide Hände. Eine fristgerechte Abgabe seines aktuellen Manuskriptes war im Grunde nur noch durch die kurzfristige Einstellung einer Schreibkraft möglich, die Zeit drängte. Chiara überlegt nicht lange und nimmt das Angebot an. In einer einsamen Ferienhütte in den kanadischen Rocky Mountains tritt sie mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Zurückhaltung und Humor in das Leben des mürrischen Griesgrams und bietet dem schweigenden Einsiedler Paroli. Hartnäckig hält der wortkarge Eigenbrötler an seiner Distanziertheit fest, doch die unaufdringliche und natürliche, liebenswerte Art Chiaras bringt den Schutzwall um Forsters Herz nach und nach zum Einsturz. Dennoch schafft er es nicht, die düsteren Schatten aus seiner Vergangenheit zu vertreiben. Und plötzlich erfährt der Ehemann von Chiaras bester Freundin Einzelheiten über Forsters Vergangenheit und versucht mit allen Mitteln, Chiara vor diesem Mann zu warnen…
Wie auch in ihren anderen Romanen schaffte die Autorin es mit einer spielerischen Leichtigkeit, mich von der ersten Seite an vollständig an das Buch zu fesseln. Die wie gewohnt exzellente Charakterisierung der handelnden Personen, gepaart mit einer köstlichen Prise Humor in ihren Dialogen, machte „Unter dem Polarlicht“ zu einem wahren Lese-Highlight. Die Tatsache, dass bei der Besetzung der weiblichen Protagonistin kein Klischee bedient wurde und es sich bei Chiara nicht um eine makellose Schönheit mit Modelfigur handelt, empfand ich als echte Bereicherung. Elisabeth Büchles Figuren sind von Perfektion meilenweit entfernt, zeigen getrost auch Fehler und Schwächen, und zeichnen sich durch innere Werte wie Liebenswürdigkeit, Herzenswärme, Feinfühligkeit und Nähe aus. Auch die Darstellung der brummigen, eigenbrötlerischen Art des mürrischen Florian Foster empfand ich als höchst überzeugend, die Wortgeplänkel des Autors mit seiner Assistentin, die dessen Verhalten unerschrocken und manchmal sogar ungerührt kontert, waren höchst amüsant. Ich konnte nicht umhin, die beiden in Windeseile ins Herz zu schließen. Die wunderschön ausgearbeitete und feinfühlige Liebesgeschichte wartet zudem mit großer Tiefe auf, der Glaube an Gott und die Thematik von Schuld und Vergebung wurden geschickt in das Geschehen eingewoben. In leisen, unaufdringlichen Tönen führt Elisabeth Büchle ihre Protagonisten auf den Weg zur Verarbeitung der Vergangenheit, zur Vergebung, zum innerlichen Frieden. Ein weiter Weg, den zu begleiten ein sehr emotionales Erlebnis sein kann, sofern man dazu bereit ist, sich ganz auf diese Geschichte einzulassen. Nicht zuletzt zaubert die Autorin durch die akribische Beschreibung der atemberaubenden Landschaft ein klares Bild vor Augen, das einen bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt.
„Unter dem Polarlicht“ stellte für mich ein wundervolles Leseerlebnis dar, das ich aus ganzem Herzen weiter empfehle. Ein Buch, das zwar durch seinen einnehmenden Schreibstil leicht und locker zu lesen ist, jedoch ganz große Tiefe aufweist.
HUMORvoll, GEFÜHLvoll und WERTvoll – und mit unbedingten fünf Bewertungspunkten zu versehen!