Zurück in der Speicherstadt
Mittlerweile sind ein paar Jahre vergangen und Mina ist mit Frederik verheiratet und die Beiden haben eine gemeinsame Tochter. Die Folgen des Großen Krieges spüren auch die Dehardes. Es gibt kaum mehr ...
Mittlerweile sind ein paar Jahre vergangen und Mina ist mit Frederik verheiratet und die Beiden haben eine gemeinsame Tochter. Die Folgen des Großen Krieges spüren auch die Dehardes. Es gibt kaum mehr Kaffee und Mina muss sich etwas einfallen lassen um die Firma zu retten. Täglich geht sie gemeinsam mit ihrer Schwester Agnes ins Kontor. Sie ist es auch, die die rettende Idee hat und Mina vorschlägt ihren Schwiegervater in Guatemala zu benachrichtigen. Schließlich hat dieser eine Kaffeeplantage und nachdem der Krieg nun beendet ist, könnte er seine Schwiegertochter beliefern. Während des Krieges begannen die meisten süd- und mittelamerikanischen Plantagenbesitzer einen regen Handel mit den Vereinigten Staaten, wo sie bessere Konditionen erhielten. In der Speichertstadt hat niemand mehr Kaffeevorräte und Mina wittert ein gutes Geschäft. Ihr Schwiegervater hilft aus, doch Frederik, der sich noch immer in Berlin herumtreibt, ist nicht damit einverstanden. Er ist seit Jahren mit seinem Vater zertsritten. Nur mit Frederiks Einverständis kann Mina einen Kredit für die neue Kaffeelieferung aufnehmen und nur er hat die Möglichkeit in der Zukunft an der Kaffeebörse zu handeln....
Die Charaktere sind - bis hin zu den Nebenfiguren - wieder wunderbar lebendig und vielschichtig. Mit Frederik haben wir im zweiten Band eine Figur, die mein Blut öfters in Wallung brachte. Seine Agressivität Mina gegenüber und seine blinde Wut machen aus ihm einen unberechenbaren Charakter, der vor nichts zurückschreckt. Seine Leidenschaft für jegliche Glücksspiele und Wetten treiben Mina und ihre Familie fast in den Ruin.
Sein Vater Paul ist hingegen ein herzensguter Mensch, der Mina und seine kleine Enkeltochter sofort ins Herz schließt.
Mina trägt die ganze Verantwortung für die Familie und Firma ganz alleine auf ihren Schultern. Sie ist stark, kann aber nicht immer alles alleine stemmen. Bis sie das einsieht dauert es allerdings so einige Zeit.
Agnes wird in diesem zweiten Teil erwachsen und die Schwestern sind sich näher, als im ersten Band. Auch die quirlige Irma, die einer meiner Lieblingscharaktere aus "Der Duft der weiten Welt" war bleibt uns erhalten. Ebenso Heiko, der Mina immer zur Seite steht. Hiltrud führt ihr strenges Regiment weiter, zeigt aber diesmal mehr menschliche Züge und unterstützt Mina, wo sie nur kann.
Neue Figuren, von denen manche ein bisschen rätselhaft bleiben, werden eingeführt und geben dem Roman noch weitere Brisanz.
Neben den bildhaften Beschreibungen von Hamburgs Speicherstadt wird auch das herrschende Gesellschaftsbild wunderbar eingefangen. Frauen sind weder geschäfts- noch handlungsfähig. Sie sind auf ihre Ehemänner angewiesen. Die Zeit nach dem Großen Krieg ist geprägt von Not und Warenknappheit. Während die Armen hungern, fürchtet Mina um ihren Lebensunterhalt. Fenja Lüders gelingt uns nicht nur mit den lebengigen Bildern in dieser Zeit zu begeistern, sondern auch mit unerwarteten Wendungen zu überraschen.
Der Schreibstil ist bildhaft, gefühlvoll und lässt sich sehr flüssig lesen. Man fliegt förmlich durch die Seiten und möchte am liebsten das Buch in einem Satz verschlingen.
Erst im letzten Drittel haben mich einige Ungereimtheiten und offene Stränge die Stirn runzeln lassen. Besonders ein Vorkommnis, das ich leider hier nicht erklären kann ohne zu spoilern., fand ich sehr unwahrscheinlich. Aber auch wichtige ungeöffnete Briefe und einige Handlungen von Mina werden nicht auserzählt. Vorallem die letzten Seiten haben mir so gar nicht gefallen. Es gibt zum Ende hin einen großen Zeitsprung und keinerlei nähere Erklärungen zu wichtigen Themen, über die vorher lang und breit geschrieben wurde. Ich hätte viel lieber eine genauere Erklärung zu einem einzigen Handlungstrang gelesen, als plötzlich irgendwelche Fakten, die 1 1/2 Jahre später spielen und nicht wirklich aufgekärt werden. Man fühlt sich als Leser damit völlig im Stich gelassen und hängt in der Luft.
Sicherlich wird in Band 3 einiges weitergeführt werden, aber ich denke nicht, dass auf genau diese Themen noch näher eingegangen wird, sondern ein neuerlicher größerer Zeitsprung die Geschichte fortsetzt. Das ist mein großer Minuspunkt an Band 2, der bis zu den ersten zwei Dritteln des Romans noch die vollen 5 Sterne bekommen hätte. Danach gab es leider zu viele offene Stränge und einige Ungereimtheiten. Deshalb vergebe ich noch gerade 4 Sterne, da mich die Geschichte wieder richtig gefesselt hat.
Fazit:
Eine gelungene und spannende Fortsetzung, die jedoch im letzten Drittel einige Schwächen hat. Die letzten Seiten sind zu gerafft und lassen zu viele Fragen offen. Auch ein paar Ungereimtheiten haben mich gestört. Abgesehen davon waren die ersten zwei Drittel des Buches wieder großartig, was mich mit Vorfreude auf den letzten Band der Trilogie hoffen lässt.