Im Jahr 2016 findet ein Angler Reste einer Frauenleiche. Handelt es sich um die sterblichen Überreste der vor 34 Jahren spurlos verschwundenen Christel Heinze? Heinze war ehemalige DDR-Bürgerin und KGB-Agentin. Sie war außerdem sehr gut mit Arvid Storholt, einem bekannten Doppel-Agenten, befreundet. Als dieser kurz nach dem Auffinden der Frauenleiche ermordet wird, beginnt Tommy Bergmann für den norwegischen Geheimdienst zu ermitteln. Bergmann stößt auf ein altes Geheimnis und schon bald weiß er nicht mehr, wem er eigentlich vertrauen kann.
"Die stille Tochter" ist bereits der vierte Band der Reihe um Tommy Bergmann. Da der Fall in sich abgeschlossen ist, kann man dem Geschehen auch dann problemlos folgen, wenn man noch keinen Teil der Serie gelesen hat. Wenn man allerdings an den beruflichen und privaten Weiterentwicklungen der Hauptcharaktere interessiert ist, dann empfiehlt sich, wie bei jeder anderen Bücherserie auch, die Einhaltung der Reihenfolge.
Beim Einstieg in diesen Thriller sollte man konzentriert lesen, um die unterschiedlichen Perspektiven, die zeitlichen Wechsel und die Vielzahl der Charaktere, der jeweiligen Handlungsstränge, richtig zuzuordnen und miteinander in Verbindung zu bringen. Im aktuellen Geschehen in der Gegenwart, beobachtet man Tommy Bergmann bei seinen Nachforschungen. Schon bald ahnt man, dass er einem alten Geheimnis auf der Spur ist und dass es auf keinen Fall ans Tageslicht kommen soll. Dabei weiß man schon bald nicht mehr, wem Tommy glauben und vertrauen kann. Diese Ungewissheit sorgt dafür, dass sich die Spannung recht früh einstellt. Diese Perspektive wird regelmäßig durch Rückblicke in die Vergangenheit unterbrochen. In diesen Rückblicken beobachtet man Christel Heinze, der als junge Sportlerin die Flucht aus der DDR gelang. Wenn Christel Heinze vorher geahnt hätte, welche Auswirkungen diese Flucht auf ihr Leben nehmen wird, hätte sie wahrscheinlich länger darüber nachgedacht. Man beobachtet fasziniert, wie sie in die Fänge des KGB gerät und durch ihre in der DDR verbliebene Familie erpressbar wird. Beide Handlungsstränge sind durchgehend interessant und verknüpfen sich im Verlauf der Handlung.
Die Atmosphäre dieses Agenten-Thrillers ist schon beinahe typisch für skandinavische Autoren. Denn sie wirkt düster, unheilvoll und etwas schwermütig. Doch diese Atmosphäre passt hervorragend zum Geschehen und erhöht den Reiz dieses Thrillers. Handlungsorte und Protagonisten werden so lebendig beschrieben, dass man sie beim Lesen sofort vor Augen hat und dadurch ganz in das spannende Katz- und Mausspiel der Geheimdienste eintauchen kann. Allerdings sollte man beim Lesen durchgehend konzentriert bleiben, da es sonst passieren kann, dass man den roten Faden verliert.
Ich habe diesen skandinavischen Agenten-Thriller innerhalb eines Tages verschlungen. Denn die düstere und bedrohliche Atmosphäre hat dafür gesorgt, dass ich früh in den Sog der Ereignisse geraten bin. Die Ungewissheit, wer zu den Guten oder Bösen gehört und wem man eigentlich glauben oder vertrauen kann, hat diesen Sog-Effekt bei mir noch unterstützt. Obwohl ich bisher keinen Band der Reihe gelesen habe, hatte ich nicht das Gefühl, dass mir Vorkenntnisse fehlen.