Cover-Bild In die Arme der Flut
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Luchterhand
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 04.10.2021
  • ISBN: 9783630876511
Gerard Donovan

In die Arme der Flut

Roman
Thomas Gunkel (Übersetzer)

Nebel steigt auf über dem Fluss bei Ross Point in Maine, und auch um die hohe Brücke vor der Mündung ins Meer wallen Nebelschwaden. Dort steht Luke Roy und wartet. Er will springen - schon öfter hat er an Selbstmord gedacht. Als der Himmel endlich klar wird, hört er vom Fluss her Schreie. Ein Ausflugsboot ist gekentert, und ein Junge wird von der Strömung Richtung Klippen und Meer getrieben. Luke zögert nicht: Der Außenseiter wird zum Helden wider Willen, und sein Leben ändert sich auf eine Weise, die er sich nie hätte träumen lassen …

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2021

Todessehnsucht

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Luke unterbricht seinen Weg zur Arbeit auf einer Brücke, er überlegt genau wie und wo er sich am besten hinunterstürzen kann, um zu sterben. Er wählt die Seite mit den großen Felsen, als Nebel aufzieht ...

Luke unterbricht seinen Weg zur Arbeit auf einer Brücke, er überlegt genau wie und wo er sich am besten hinunterstürzen kann, um zu sterben. Er wählt die Seite mit den großen Felsen, als Nebel aufzieht und ihn verharren lässt. Er sinniert über sein Leben und wie lange er dessen schon überdrüssig ist. Durch seine Erinnerungen erhält man tiefe Einblicke in seine Psyche, aber Verständnis für sein Vorhaben konnte ich nicht entwickeln, zu fern waren mir seine Schlüsse.
Letztendlich verlässt er die Brücke, um sich kurz danach doch noch die 35 Meter in die Tiefe zu stürzen, nun allerdings um einen ertrinkenden Jungen zu retten. Diese Heldentat wird von den Medien breit ausgeschlachtet. Auch die Politiker des Ortes möchten etwas von seinem Ruhm abhaben, schließlich ist es paar Tage vor der Wahl. So gerät Luke in einen Strudel, den er nicht steuern oder irgendwie beherrschen kann. Freud und Leid liegen hier nah beieinander und viele wollen an dem Ereignis verdienen.
Der gerettete Junge Paul ist zunächst nur eine Randfigur, was sich aber im letzten Drittel ändert. Er und sein Vater, ein Obdachloser, dem das Sorgerecht entzogen wurde, sind gut dargestellt.
Die Leben von Luke und Paul sind fortan auf besondere Weise miteinander verbunden, vor allem weil es noch andere Gemeinsamkeiten gibt. Das Leben dieser Beiden erfährt eine besondere Wendung, mit der nicht zu rechnen war.
Der Autor erzählt in einer schönen bildhaften, teils poetischen Sprache. In der ersten Hälfte gibt es einige Längen, die mir das Durchhalten erschwerten. Der Schluss ist überraschend, doch passend.
Das Buch gefiel mir nicht in allem Aspekten: die Emotionen der Protagonisten waren mir fremd und blieben es trotz der ausführlichen Darstellung. Der Shitstorm durch die Medien und die Hilflosigkeit der Betroffenen war gut ausgearbeitet, ebenso die Skrupellosigkeit der Politiker. Mir fehlte der Hinweis, dass das Buch für depressive Menschen oder Suizidgefährdete aufgrund der Inhalte nur bedingt geeignet ist.

Für Leser, die sich gerne in die Psyche Anderer hineinversetzen, eine interessante Lektüre

Veröffentlicht am 29.01.2024

In die Arme der Absurdität

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Während der Lektüre von „In die Arme der Flut“ ist mir etwas passiert, was bisher in der Form noch nie vorgefallen ist: Ich hatte eine Vorahnung, die mir nach den ersten 110 Seiten sagte, ich solle lieber ...

Während der Lektüre von „In die Arme der Flut“ ist mir etwas passiert, was bisher in der Form noch nie vorgefallen ist: Ich hatte eine Vorahnung, die mir nach den ersten 110 Seiten sagte, ich solle lieber jetzt aufhören zu lesen, wenn es am schönsten ist und das Buch weglegen. Natürlich habe ich das Buch bis zum Ende gelesen. Aber der überwiegende Teil von dem, was nach diesen ersten Seiten geschrieben steht, hat mich enorm enttäuscht. Tatsächlich konnte meines Erachtens der Autor im späteren Verlauf des Romans nicht mehr annähernd zu seiner anfänglichen Stärke zurückfinden.

Den Beginn dieser grotesken Geschichte stellt die ausführliche, wertfreie und sogar poetische Betrachtung eines Menschen dar, der im Begriff ist, sich das Leben zu nehmen. Luke will von einer Brücke springen, verweilt dort jedoch eine ganze Stunde. Wir erleben in Rückblicken, dass dies nicht Lukes erster Versuch ist, in messerscharfen Sätzen erfahren wir etwas über seine Kindheit und in ausufernden Beschreibungen verbinden sich diese Schilderungen mit den Naturgewalten, die sich unter der Brücke und in der Luft zusammenbrauen. Selten war ich so gepackt von einem Romanbeginn. Selten so überzeugt davon ein Meisterwerk vor mir zu haben. Und noch nie hatte ich die Vorahnung nach 110 Seiten: Hör auf zu lesen, alles was jetzt noch kommt, könnte dieses einmalige Lektüreerlebnis zunichte machen.

Vorahnungen sollte man vielleicht doch ab und an folgen. Bei diesem Roman wäre das im Rückblick eindeutig die ratsamste Entscheidung gewesen. Denn nun schwenkt der Roman von einem menschlichen, mitreißenden Drama zu einer Medien- und danach zu einer Plotgroteske. Donovan versucht äußerst plakativ mittels der bekannten Holzhammermethode die Gefahren von Social Media in Kombination mit aufgewühlten Menschenmengen aufzuzeigen. Dabei ist er sich nicht zu schade einen unnötigen Trump-Verschnitt auftauchen zu lassen, der per Twitter die Massen aufwiegelt. Der gezogene Vergleich zum Erstürmen des Kapitols in Washington scheint dabei im Rahmen dieser Kleinstadtposse jedoch anmaßend. Zwischendrin gibt es noch einmal eine richtig große Portion Kitsch, die es einem hochkommen und an jeglicher schriftstellerischer Ernsthaftigkeit des Autors zweifeln lässt und fast zuletzt muss man auch noch einem Kind bei seinem schrecklichen Selbstmord beiwohnen. Das ist der Punkt, der über die Grenze des Erträglichen hinausragt und einfach nur fehl am Platze ist. Das Buch wirkt an der Stelle meilenweit entfernt vom poetischen Anfang und eher wie ein billiger Snuff-Streifen. Der Plot verkommt zu einem himmelschreienden Unsinn mit Zufällen, die verzweifeln lassen ob der Absurdität. Insgesamt wird mit zunehmender Seitenzahl Subtilität immer kleiner geschrieben und ist teilweise gar nicht mehr vorhanden. Kurz flimmert am Ende des Romans noch einmal das Potential der Geschichte sowie des Autors über dem Horizont auf, bevor es sich selbst im Meer versenkt.

Zur Übersetzung ist darüber hinaus erwähnenswert, dass diese zwar grundsätzlich ganz gut gelungen ist, aber auch starke Schnitzer aufweist, namentlich wenn mindestens viermal im Laufe der Erzählung ein Auto irgendwohin „braust“. Das ist ein Wort, welches ich in einer literarisch anspruchsvollen Übersetzung einfach nicht lesen möchte. Punkt.

Somit muss ich die schwere Entscheidung treffen, diesem Roman, der für mich bei 2,5 Sternen liegt, eine auf 2 Sterne abgerundete Bewertung zu geben. Ich kann ihn leider nicht guten Gewissens weiterempfehlen, was den Ausschlag zu meiner Bewertungsentscheidung gibt.

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Veröffentlicht am 07.04.2022

Gelungener atmosphärischer und düsterer Anfang, der jedoch in einer schleierhaften und abstrakten Handlung mündet, die leider nur banale Charaktere aufweist

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Luke Roy steht hoch oben auf der Brücke, bereit zu springen. Bis er sich umentscheidet und dann nach einigen Minuten doch springt – jedoch nicht, um sich umzubringen, sondern, um jemand anderen zu retten. ...

Luke Roy steht hoch oben auf der Brücke, bereit zu springen. Bis er sich umentscheidet und dann nach einigen Minuten doch springt – jedoch nicht, um sich umzubringen, sondern, um jemand anderen zu retten. Plötzlich steht er im Rampenlicht der gesamten Stadt und muss sich mit der neu gewonnenen Aufmerksamkeit herumschlagen, die er nie wollte.

Sobald man zu lesen beginnt, wird man von dieser düsteren Atmosphäre gefangen genommen. Ich habe selten Sätze in Romanen gelesen, die so präzise gewählt scheinen und so auf einen einwirken, als würde man einen geschützten Raum betreten, in dem diese melancholische Stimmung eisern und bestimmt herrscht.

Nach ein paar Seiten erwartete ich jedoch, dass sich in dieser Atmosphäre ein Weg abzeichnet, sich eine Handlung daraus entwickelt. Ich wartete zwar nicht vergeblich, aber lange.

Ich verstehe vollkommen, was der Autor mit dem bedachten Heranführen an den Protagonisten erreichen wollte: Wir sollten in seinen Kopf eintauchen und seine Gründe verstehen. Suizidgedanken und Nahtoderfahrungen sind kein leichtes Thema. Und vor allem bei Luke sind diese Gedanken sehr präsent und finster.

Aber ich habe noch immer einen Roman und keinen Lyrikband vor mir. Ich wollte, dass endlich etwas ausserhalb seines Kopfes passiert.

Irgendwann nimmt die Geschichte dann Fahrt auf, als Luke vom Stadtrat, der Presse und alten Freunden bedrängt wird. Sein Leben gerät aus den Fugen und er scheint die Kontrolle darüber zu verlieren. An den Medien wird hier die grösste Kritik geäussert: Sie drängen sich in Lukes Leben und ab diesem Moment wird sein Leben eigentlich fremdbestimmt.

Aber so richtig packen konnte mich dieses innere Zerwürfnis nie. Dafür war ich – trotz dessen, dass ich Lukes intime Gedanken zu Beginn lesen durfte – zu weit vom Protagonisten entfernt. Ich konnte weder ihn noch die anderen Charaktere richtig einschätzen. (Die meisten Nebencharaktere konnte ich ehrlich gesagt nicht einmal voneinander unterscheiden, weil sie irgendwie so inhaltsleer wirkten.) Und eigentlich ist das etwas Gutes, weil es Spannung erzeugt, wenn ich als Leserin nicht sicher bin, welchen Schritt Luke als nächstes tätigt. Aber in dieser Geschichte ist alles von einem einheitlichen grauen Filter überdeckt, sodass jeder Schritt einfach verklingt. Auch graue Filter werden mal dreckiger und sauberer oder müssen ab und zu ausgewechselt werden; es brauchte etwas Abwechslung.

Ich hätte diese poetische Erzählart akzeptiert, wenn sie sich durch das gesamte Buch gezogen hätte, ich hätte sogar nichts als Positives darüber zu sagen gehabt. Aber ab der Mitte ist es, als hätte der Autor sein unfertiges Manuskript einfach weitergegeben: Die Charaktere zerfallen förmlich, die Handlung entwickelt sich in eine wirklich merkwürdige, abstrakte Richtung und der Schreibstil – dieser wunderschöne, atmosphärische und eindrückliche Schreibstil verschwindet. Einfach so.

Gegen Ende war von Spannung oder zumindest der zu Beginn kreierten Stimmung nichts mehr zu spüren. Die Message passt meiner Meinung nach nicht mit der eigentlichen Geschichte zusammen und ich verstehe nicht ganz, was ich aus diesem Buch genau mitnehmen soll, obwohl ich die Kritik an den Medien sehr wichtig in der heutigen Zeit finde.

Ein wirklich wunderschöner, ergreifender Anfang, der sich weder gut durchsetzen noch im Verlauf der Geschichte weiterentwickeln konnte.

Fazit
Der Anfang nimmt einen mit seiner melancholischen Stimmung und dem wunderschönen Schreibstil gefangen. Jedoch schreitet die Handlung nur langsam voran und schlägt eine sehr abstrakte Richtung, der ich nicht immer folgen konnte. Die Spannung zerfällt mir jeder Seite und auch die Charaktere konnte mich leider nicht begeistern. Ein vielversprechender und einzigartiger Anfang, mit dem der Rest der Geschichte leider nicht mithalten konnte.

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