Für geduldige Leser
Wer bei diesem Buch einen spannenden Krimi oder gar Thriller erwartet, wird ziemlich enttäuscht sein. Zwar ist der Autor für kriminalistische Literatur bekannt, doch ,,Der Fall Kallmann“ ist eher ein ruhiger ...
Wer bei diesem Buch einen spannenden Krimi oder gar Thriller erwartet, wird ziemlich enttäuscht sein. Zwar ist der Autor für kriminalistische Literatur bekannt, doch ,,Der Fall Kallmann“ ist eher ein ruhiger Roman, ein literarisches Puzzle rund um den Tod des Lehrers Kallmann.
In einer Art Tagebuchform erzählen verschiedene beteiligte Personen aus der Ich-Perspektive, wie sie der Fall Kallmann beschäftigt.
Zunächst steht der Lehrer Leon Berger im Mittelpunkt. Er verlor seine Frau und seine Tochter bei einem Schiffsunglück und zieht, auf Anraten seiner früheren Studienkollegin Ludmilla, in die schwedische Kleinstadt K., um dort ein neues Leben zu beginnnen. Dort tritt er die Nachfolge des sehr beliebten, doch auch sehr exzentrischen Lehrers Eugen Kallmann an. Dieser war am Ende des letzten Schuljahres tot in einem verlassenen Haus aufgefunden worden. Ein Unglücksfall?
Als Leon Berger im Pult seines Vorgängers Tagebücher findet, die erkennen lassen, dass Kallmann sich mit alten und ungelösten Kriminalfällen beschäftigte und sogar behauptet, als Elfjähriger seine eigene Mutter ermordet zu haben, beginnt Berger zu recherchieren. Dabei wird er von Ludmilla Kovacs und seinem Kollegen Igor Masslind unterstützt, was die drei einander näher bringt.
Eine weitere involvierte Figur ist die fünfzehnjährige Schülerin Andrea Wester, die Leon Berger stark an seine verschollene Tochter erinnert. Andrea vermutet schon lange, dass ihr Vater nicht ihr biologischer Vater ist. Auch ihre Suche hängt in irgendeiner Form mit Kallmann zusammen. Interessant ist, wie der Autor jeder Figur eine ganz eigene Sprache gibt. So sind die Kapitel aus Sicht des Lehrers Igor sehr intellektuell, fast schon gestelzt, während die Schülerin Andrea im jugendlichen Jargon erzählt. Dabei wirken alle Figuren authentisch und unverwechselbar. Die Geschichten der verschiedenen Figuren kreisen zwar um den Fall Kallmann, schweifen aber auch gelegentlich weit ab, sodass nicht der Kriminalfall im Mittelpunkt steht, sondern eher die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten. Für diese klärt sich ,,Der Fall Kallmann“ erst 20 Jahre später tatsächlich auf.
Für geduldige und literarisch interessierte Leser empfehlenswert.