Das mächtigste Reich, von dem Sie noch nie gehört haben
So bezeichnen die Autoren im Vorwort die Kultur des Aunjetitz, aus der wohl die inzwischen weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra stammt. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie wenige populärwissenschaftliche ...
So bezeichnen die Autoren im Vorwort die Kultur des Aunjetitz, aus der wohl die inzwischen weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra stammt. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie wenige populärwissenschaftliche Abhandlungen es zur mitteleuropäischen Bronzezeit gibt.
Schon deshalb ist dieses Buch sehr interessant.
Der erste Teil widmet sich der Himmelsscheibe als solches und hier zunächst den dramatischen Ereignissen, welche ihre Entdeckung begleiteten – und die allein schon Stoff für einen Krimi bieten würden. Einer der Autoren war damals sogar teilweise hautnah mit dabei.
Doch auch die Rekonstruktion der in verschiedenen Phasen ablaufenden Herstellung der Himmelsscheibe sowie der Herkunft der Metalle, aus denen sie besteht, lieferte einige spannende Erkenntnisse.
Nach all dem stellt sich natürlich die Frage, welcher Kultur dieses Artefakt entstammt und dieser wird im zweiten Teil nachgegangen. Dabei werden eine Reihe beeindruckender Funde vorgestellt, die in Mitteldeutschland und darüber hinaus gemacht wurden, und Einblicke in die Arbeit der sie untersuchenden Forscher gegeben.
Tatsächlich kann die Epoche von ca 1900 bis ca 1600 vor Chr. mit allerlei Bemerkenswertem aufwarten: Großartige Schmiedekunst, beeindruckende Grabbeigaben, monumentale Bauwerke (sowohl für die Lebenden als auch für die Toten) oder rätselhafte Mythologien – alles Dinge, die gemeinhin mit sogenannten Hochkulturen verbunden werden.
Die Autoren ziehen denn auch den Schluss, dass es sich bei dem Reich von Aunjetitz um das erste Staatsgebilde Mitteleuropas gehandelt habe, das hier nur aufgrund ganz besonderer Umstände entstehen und sich immerhin einige Jahrhunderte halten konnte. Auch stellen sie Vermutungen an über mögliche Verbindungen nicht nur nach Stonehenge, sondern auch nach Mesopotamien oder Ägypten.
Nun kann ich nicht beurteilen, ob sie damit immer recht haben. Manchmal hatte ich schon den Eindruck, dass sie in manche Funde zu viel hineininterpretieren oder sich auf zu weitgehende Spekulationen einlassen.
Nichtsdestotrotz finden sich hier zahlreiche faszinierende Gedanken, nicht nur über die Himmelsscheibe und ihre mutmaßlichen Schöpfer. Die Autoren halten beispielsweise auch fest, dass die Entstehung von Staaten für die große Mehrheit der Bevölkerung eine Verschlechterung der Lebensbedingungen bedeutete oder überlegen, was der in Europa herrschende Individualismus mit den geologischen und klimatischen Bedingungen zu tun hat.
Auch über sein eigentliches Thema hinaus bietet dieses Werk daher einigen Stoff zum Nachdenken.