Wo Liebe ist, wird das Unmögliche möglich (Buddha)
Hera Lind hat einen neuen Tatsachenroman veröffentlicht, der viele wunderschöne Bilder fürs Kopfkino enthält, aber auch schreckliche Szenarien aus dem deutschen Geschichtsbuch. Der Beginn ihre Buches ist ...
Hera Lind hat einen neuen Tatsachenroman veröffentlicht, der viele wunderschöne Bilder fürs Kopfkino enthält, aber auch schreckliche Szenarien aus dem deutschen Geschichtsbuch. Der Beginn ihre Buches ist erschütternd und geht unter die Haut, vermischen sich doch die Erinnerungen ihres Protagonisten Dieto mit den aktuellen furchtbaren Bildern aus der Ukraine. Der Krieg hält mit all seinen Schrecken Einzug und lässt das brennende Dresden nur allzu plastisch aus den Seiten steigen. Das Heulen und Pfeifen der Bomben, der Geruch nach Tod und Verbranntem und die Angst, die sich wie eine eiserne Kralle um das Herz legt, sind allgegenwärtig. Die Bilder aus den Erinnerungen des kleinen Jungen ätzen sich regelrecht auf der Netzhaut ein.
Umso schöner ist es zu lesen, dass Dieto zwischen Ruinen, Trümmern und Schutt immer wieder kleine Lichtblicke erlebt. Die Flucht aus Dresden ist der Beginn eines Lebensweges, der immer wieder von dramatischen Szenen, Entscheidungen aus Liebe und ganz viel Mut geprägt wird. Es gelingt der Autorin, die erste Begegnung zwischen Dieto und seiner großen Liebe Jo mit ganz viel Herz und Gefühl zu schildern, sodass der Moment, als sich beiden kennenlernen und wissen, dass sie mit der jeweils anderen Person das Leben teilen möchten, etwas ganz Besonderes ist.
Das Leben in der DDR ist mit vielen Einschnitten verbunden ,auch wenn Dieto durch seine Tätigkeit als Artist nicht ganz so eingeschränkt in seiner Entfaltung ist, wie viele andere. Doch mit dem Mut der Verzweiflung wächst in dem Liebespaar ein Plan heran, der wagemutig und kühn ist. Die Flucht in den Westen wird geplant, muss aufgrund einiger unschönen Zufällen verschoben werden und gelingt schließlich in einem nervenaufreibenden und kräftezehrenden Vorhaben.
So dramatisch diese Flucht auch ist, so wenig kommen das Herzklopfen, die Angst und die Panik bei den Leser:innen an. Hier hätte ich mir von Lind gewünscht, dass sie die Gefühle von Dieto und Jo wirklich erlebbar macht. Die Szenen lesen sich zwar flüssig, aber mit fehlt die innere Aufruhr, die unweigerlich mit dieser brenzligen Situation verbunden ist und schließlich die Erleichterung, als der erste Schritt in Freiheit getan ist.
Die Liebesgeschichte von Jo und Dieto steckt voller Gefühl und Vertrauen und ist der Beweis dafür, dass auf den Flügeln der Liebe alle Grenzen überwunden werden können. Aber auch hier versäumt es Lind, diese innige Verbundenheit auch erlebbar zu machen. Zwar ist die erste Begegnung der beiden wirklich schön beschrieben (ich bereits in einem oberen Abschnitt darauf eingegangen), aber im Verlauf der Erzählung geht dieses Besondere, was die Liebe zwischen den beiden ausmacht, leider literarisch verloren.
Die Lebensgeschichte von Dieto und seiner Jo ist lesenswert und erzählt ein Stück deutsch-deutscher Geschichte. Ich finde es richtig und wichtig, dass die Zeitzeug:innen diesen Schritt an die Öffentlichkeit gehen, um den nachfolgenden Generationen zu vermitteln, dass ein Leben in Liebe und Freiheit das kostbarste Geschenk ist, was wir erhalten. Allerdings schleicht sich manchmal ein etwas zu nüchterner Schreibstil ein, der das Gelesene in seiner Eindringlichkeit beschneidet.