Charmant und überraschend
Manchmal wird es Zeit für emotionale Modernisierungsmaßnahmen, deren Wurzeln fest in uns verankert sind.
Um was es geht:
Isa hat den alten Dorfkrug ihrer verstorbenen Oma geerbt. Die Reise dorthin führt ...
Manchmal wird es Zeit für emotionale Modernisierungsmaßnahmen, deren Wurzeln fest in uns verankert sind.
Um was es geht:
Isa hat den alten Dorfkrug ihrer verstorbenen Oma geerbt. Die Reise dorthin führt sie tief in die Vergangenheit und bricht nie vollständig verheilte Wunden auf. Was sich für Isa wie ein Abschluss anfühlt, kann der Beginn von etwas Neuem sein. Wird sie die Kraft haben, sich ihren dunkelsten Ängsten zu stellen?
Hier tummeln sich einige Figuren:
Isa Petersen ist Sterneköchin und lebt in London. Ursprünglich stammt sie aus dem kleinen Dorf Nordernby in Schleswig-Holstein. Im Dorfkrug hat sie sich früher zusammen mit ihrer Oma Luise in der Küche „Seestern“ ausgetobt und die leckersten bodenständigsten Mahlzeiten gezaubert. Heute ist sie überzeugt, es anders als ihre Oma machen zu müssen. Im Rückblick auf alte Koch-Erinnerungen fühlen sich Omas Gerichte für Isa rückständig und festgefahren an. Sie ist ein natürlicher Typ, der engagiert seine Ziele verfolgt. Leider verliert Isa das Wesentliche aus den Augen.
Tim ist Isas alter Schulfreund und immer für Isa da. Er hat vor einigen Jahren München den Rücken gekehrt und ist wieder zurück nach Nordenby gekommen. An ihm hat mir sein unerschütterlicher Humor gefallen und das er in sich ruht. Tim ist angekommen und das springt mir aus jeder seiner Zeilen entgegen. Ein tolles Gefühl, das ich beim Lesen absolut genieße.
Weitere charmante Figuren:
Mutter Jette kocht ebenso leidenschaftlich wie ihre Tochter Isa. Sie wirkt gehetzt, unglücklich aber sehr sympathisch. Dann ist da der raubeinige und herzliche Momme, mit seiner unvergleichlichen Mutter Meta, die stets einen Flachmann mit sich herumträgt und einige weitere gelungene Nebenfiguren.
Die Umsetzung:
Der Schreibstil liest sich flüssig, gehaltvoll und bildhaft. Die spröde Art und Wortkargheit der Nordlichter spiegelt Bartels gekonnt wider. Sie verliert nie den Blick für das Wesentliche und so liest sich das Buch rund. Ein Highlight sind die liebevoll gestalteten Kapitelanfänge, die mit passenden Zitaten untermalt sind und mich Lächeln lassen. In der Geschichte stecken unzählige Geheimnisse, deren Aufdeckung mir viel Lesespaß bereiten. Es gelingt mir sofort, mich in Isa hinein zu fühlen, und so begegne ich Jette reserviert, doch das hält sich nicht lange.
Im Vordergrund steht die Beziehungen von Isa und ihrer Mutter Jette, die zum Beginn des Buches praktisch nicht existent ist. Die anbandelnde zarte Lovestory verblasst etwas, aber das macht die Autorin mit dem Kern der Geschichte wett. Sie schildert die Geschehnisse aus Sicht der 3. Person, von Jette und Isa. Das starke Grundgerüst bietet den Nebensträngen den nötigen Halt, um sich unaufdringlich daran entlang zu ranken. Sämtliche Sinne werden bei mir angesprochen und die Thematik des Kochens lässt aufgrund des bildhaften Schreibstils mir mehr als einmal das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Liebe zum Kochen spüre ich in jeder Zeile.
Für meinen Geschmack kommt das Ende etwas abrupt.
Mein Fazit:
Bartels überrascht und verwöhnt mich gleichermaßen. In Nordernby fühle ich mich sofort wohl. Ich verliebe mich in seine Bewohner und den Dorfkrug samt Seestern, dass ein Haus mit Charme und unzähligen Erinnerungen ist, die das Leben der Dorfgemeinschaft ausmachen. Das Buch erinnert mich augenblicklich an die Filme mit Polizeihauptmeister Krause mit seinen liebenswerten Schwestern und es versprüht mindestens genauso viel Flair und Wohlfühlatmosphäre. Bartels gelungenes Setting vermittelt mir ein vertrautes Gefühl für das entzückende Dorf und die Umgebung. In „Der kleine Gasthof an der Schlei“ geht es um verpasste Chancen und Fehler, die nur schwer gutzumachen sind und natürlich um die Liebe. Am Ende erwarten mich leckere Rezepte die ich ausprobieren werde.
Von mir erhält „Der kleine Gasthof an der Schlei“ 4,5 liebenswerte Sterne von 5 und eine absolute und unbedingte Leseempfehlung. Wo keine halben Sterne möglich sind, runde ich auf.