Dies ist der 4. Fall der Grazer Inspektorin Willa Stark, die über Interpol zur Kripo Köln gelangt. Auch dort waren ihre engagierten Ermittlungen sehr erfolgreich, aber auch folgenreich, denn der finale Abschluss ihres letzten Falles „Anton zaubert wieder“ versetzt Willa in ein längeres Koma. Während ihre Mutter und ihre Kollegen bangend und zitternd ihr Erwachen erwarten, sitzt der Leiter der Kölner Rechtsmedizin Dr.Harro deNärtens Abend um Abend an ihrem Krankenhausbett und versucht sie ins hier und jetzt zurück zu holen. So auch, als ein Schrei durch das evanglische Krankenhaus im Weyertal gällt. Er stürzt zur Tür heraus, doch für die erdrosselte Krankenschwester kommt jede Hilfe zu spät.
Ein Jahr später hat Willa noch immer an den inneren und äußeren Verletzungen nach Erwachen aus dem Koma zu kämpfen. Auf Harros Rat hin, sucht sie eine Privatklinik in Saarbrücken auf. Eine Krankenschwester mit österreichischem Einschlag spricht sie auf ihre gemeinsame Grundschulzeit an, an die Willa sich nicht mehr zu erinnern vermag. Auch, daß sie einen Todesengel in der Klinik beobachtet hat, vertraut sie ihr an. Damit werden sämtliche Ermittlerinstinkte in Willa wieder geweckt, die derzeit in den Innendienst versetzt ist. Sie setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um diesen Vorgängen in der exklusiven Privatklinik auf den Grund zu gehen. Dabei soll ausgerechnet Kollege Zauber, der die Ermittlungen in der Kölner Klinik vermasselt haben soll, als ihr Kontaktmann dienen. Beide lechzen nach Rehabilitation.
Ganz nah am Geschehen, und doch keine Hilfe bei der Ermittlungen, dank des Komas. Für Willa eine komische Situation, nicht so sehr jedoch, wie der Unwille ihres Körpers ordentlich zu funktionieren. Die Schmerzen quälen sie ständig und beim Laufen versagt ihre Hüfte auch immer wieder den Dienst. Die junge Ermittlerin fühlt sich gestrandet, um ihren Elan und ihren Biss gebracht. Doch ihre Instinkte erwachen wieder, auch wenn sie die „Schulfreundin“ noch nicht einmal mag, oder sich überhaupt an sie zu erinnern vermag.
Eine sehr interessante Perspektive, mit einer Ermittlerin im Koma und einer offensichtlich psychisch gestörten Person, die in ihrer unmittelbaren Umgebung einen Mord begeht. Einer, der erkaltet und nicht aufgeklärt wird. Ein derartiger Vorfall wiederholt sich dort nicht nochmal, der Täter scheint davonzukommen. Aber es ist nicht Willas Fall, anders, als der saarländische Todesengel, den sie unbedingt zu Fall bringen will, sie spürt es ganz tief in sich drin, das da was nicht stimmt und so steigt sie in den Klinikalltag mit all seinen Intrigen, Klatsch und Tratsch ein und tritt auf der Stelle! Erst mal zu ihrem Bedauern nur als externe Beraterin.
Man spürt ihre Frustration richtig, daß nicht klar ist, ob überhaupt ein Fall vorliegt, oder ob sie riskiert sich vollends lächerlich zu machen. Dies macht einen Teil des Spannungsbogens aus. Verbrechen oder Hirngespinnst? Die Autorin spielt mit der Erwartungshaltung der Leser. Immer wieder hat sie mich an einem Punkt erwischt, an dem ich denke „och nö!“ und dann dreht sich der Plot und ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen, denn ich fühle mich in meiner Voreingenommenheit ertappt! Ein herrliches Spiel mit unseren Vorurteilen und Klischees. Obwohl lange Zeit kein offizieller Fall vorliegt, ist man doch in den Bann des Klinikgeschehens und der „Vielleicht-Ermittlungen“ gezogen. Dieser Fall liest sich leicht und flüssig, aber ohne die humorigen Elemente, die andere Krimireihen von ihr haben. Der Gedanke, daß eventuell ein Mord geschehen sein könnte, den noch nicht einmal erfahrene Pathologen feststellen können, ist auch ein wenig gruselig. Es nagt an unseren Manifesten der Wissenschaftsgläubigkeit. Gibt es den perfekten Mord etwa doch? Während die eigenen Gedanken Karrussel fahren, versteht man langsam Willas verzweifelte Verbissenheit. Sie will sich beweisen, aber auch auf keinen Fall einen Täter oder eine Täterin ungeschoren entwischen lassen.
Willa ist ein kantiger Charakter, keiner bei dem man sofort denkt, daß man mit der unbedingt mal Kaffee trinken gehen muss. Aber sie ist interessant, selbstkritisch und wächst einem mit der Zeit ans Herz. Ihr Verhältnis zu Männern scheint etwas kompliziert zu sein. Da wir uns noch nicht so lange kennen (es ist mein erster, aber sicher nicht letzter Fall von ihr) weiß ich nicht warum, oder was dahinter steckt. Eine Ermitterin mit Persönlichkeit und Profil, das mag ich gerne, ebenso wie ihr Gewissen, daß sie immer mal wieder daran hindert, die eine oder andere Dummheit zu begehen, oder eben gerade deswegen. Ein Krimi mit dem man gut ohne Vorkenntnisse in die Reihe starten kann, der aber auch nicht zuviel über die Vorgängerbände verrät.
Ein sehr ungewöhnlicher Krimi, den ich gerne weiterempfehle, nicht nur für Saarländer, Kölner oder steirische Sturköpfe ;)