„Marmorkuss“ stand vor allem wegen der Autorin, Jennifer Benkau, auf meiner Wunschliste, von der ich bereits eine Dilogie gelesen hatte, die mir sehr gut gefallen hat. Ach ja, und wegen des vielversprechenden Klappentextes.
Es fängt schon mal ganz interessant an und wenn es nur deswegen ist, weil ich es so nicht erwartet hätte. Man bekommt nämlich einen Einblick in das Leben der beiden Hauptpersonen, Jarno und Klara. Da kann ich nur sagen: Toll von der Autorin, dass sie die beiden Sichtweisen so unterschiedlich gestaltet. Jarnos Perspektive zeigt dieses moderne Leben in ärmeren Verhältnissen, bei Klara, die schließlich aus dem Jahre 1903 kommt, merkt man richtig, dass man jetzt in einer anderen Zeit angekommen ist. Der Unterschied der Dialoge und Beschreibungen ist richtig, richtig gut dargestellt! Auch an sich ist der Schreibstil mega gut. Jennifer Benkau hat so eine coole Art zu schreiben, dass man die Seiten schnell und leicht lesen kann.
Also, wie schon gesagt erfährt man erstmal, wie die beiden, Jarno und Klara, unabhängig voneinander leben. Jarno in der jetzigen Zeit, Klara 1903. Mir hat es dann aber doch ein wenig zu lange gedauert, bis Klara wachgeküsst wird. Wenn man sich den Klappentext durchliest, erwartet man das sehr bald, wohingegen es eigentlich ziemlich lange dauert, bis die beiden Protagonisten aufeinandertreffen. Es ist zwar ganz gut zu wissen, wie die beiden vorher gelebt haben, vor allem Klara - bei ihr ist es mega interessant, weil man so erfährt, wie sie über 100 Jahre später als Statue in einer Villa endet, aber es geht mir einfach zu lang, deswegen war ich dann auch ein wenig genervt... Was mir an diesem ersten Teil der Story allerdings richtig gut gefallen hat, sind die Übergänge zwischen den Sichtweisen. Da macht die Autorin das so, dass sie einen Satz zum Beispiel bei Klara anfängt und Jarno zu Ende denken lässt. Richtig coole Idee! Schade, dass sie das später nicht aufrechterhält.
Was auch ziemlich schade ist, ist, dass ab dem Moment, als Jarno Klara wachküsst, Jarnos Sichtweise ein bisschen vom Modernen und Umgangssprachlichen verliert. Keine Ahnung, ob das unbewusst von der Autorin war oder absichtlich, aber ich fand das irgendwie nicht so gut, dass Jarnos Beschreibungen auf einmal förmlicher und hochgestochener klingen. Ich mochte diesen Kontrast zwischen der doch in ziemlich wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsenen Klara und dem unkonventionellen Jarno. Der ist zwar immer noch da, aber nicht mehr so stark wie am Anfang.
Andererseits nimmt die Geschichte natürlich Fahrt auf, nachdem Klara und Jarno aufeinandertreffen. Es ist unglaublich spannend zu sehen, wie Klara sich in der für sie neuen Welt zurechtfindet. Man kauft es ihr einfach ab, dass sie aus einem anderen Jahrhundert kommt und daraus entstehen dann authentische und gleichzeitig auch unglaublich komische Situationen, weil sie manchmal die Redewendungen nicht versteht und so etwas^^ Dazu kommt dann noch die Liebesgeschichte, die sich langsam entwickelt, aber zum Glück nicht im Vordergrund steht! Das macht Jennifer Benkau meiner Meinung nach auch völlig richtig :)
Wieder etwas, das mir nicht so gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass Elise, die "böse Zauberin", in diesem Märchen, eine eher kleine Rolle einnimmt. Dabei stellt sie doch die Hauptbedrohung dar! Aber nein, stattdessen fürchtet sich Klara zwar vor ihr, der eigentliche Kampf gegen sie ist jedoch kurz, da hatte ich irgendwie mehr erwartet, nachdem sie doch so viel Platz in Klaras Gedanken eingenommen hat... Na ja, das Hauptthema in dem Buch ist eben nicht die Magie und die Bedrohung, sondern das "Wie laufen Märchengeschichten in unserer Zeit ab?" und "Wie geht es weiter, wenn der Prinz die Prinzessin wachgeküsst hat?". Was die Autorin meiner Meinung nach auch richtig gut beantwortet hat!
Zu den Charakteren: Klara ist mir ja super sympathisch! Man könnte denken, dass sie total verschüchtert sein muss, nachdem sie diesen riesigen Zeitsprung hingelegt hat, die Unterschiede sind ja auch deutlich und dann wurde sie auch noch versteinert von einer Zauberin, was viele total aus der Bahn geworfen hätte. Aber so ist es gar nicht! Klar, manchmal hat sie verständlicherweise Angstzustände und Verfolgungswahn, doch sie ist auch neugierig, mutig und gibt dem Buch richtig Frauenpower, weil nicht immer der Kerl das Mädchen retten muss. Klara kommt oft auch alleine klar, will es zumindest versuchen und das macht sie echt sympathisch. Jarno hingegen war nicht ganz so mein Fall. Nicht falsch verstehen, so an sich ist er in Ordnung, bleibt meiner Meinung nach aber total hinter Klara zurück. Außerdem hat er diese "Ich muss Klara und alle meine Lieben um jeden Preis beschützen"-Einstellung, was schon ziemlich an diese Über-Helden erinnert, die ich nicht ganz so leiden kann. Abgesehen von den beiden bleiben die Charaktere allerdings ein bisschen blass: Jarnos Familie, Elise, Daniel, Ben... Einzig Seval, Jarnos Mitbewohnerin und Freundin kommt etwas mehr vor als die anderen, aber das reicht eben auch nicht aus, um sie von einem Nebencharakter, der einfach nur okay ist zu jemandem zu machen, den man mag.
Das Ende der Story fand ich dann richtig gut, vor allem in vielen Punkten überraschend. Es ist auf jeden Fall keins dieser kitschigen Happy Ends, sondern hat auch seine Schattenseiten und etwas Wehmütiges an sich.