Da Sarah dringend eine Auszeit nicht nur für ihren Heuschnupfen benötigt, nimmt sie dafür kurzfristig ein auf sechs Monate befristetes Jobangebot als Postbotin auf der Insel Föhr wahr. Schon die Überfahrt beschert ihr die erste Bekanntschaft mit dem Künstler Sven. Doch kaum auf der Insel, wird sie von den Einwohnern sofort herzlich aufgenommen. Ihre Kollegin Gertje und Mitbewohnerin Miri sind ebenso hilfsbereit wie Tierarzt Marten. Schnell lebt sich Sarah ein, doch ein Anruf aus der Heimat bringt die Dinge, vor denen sie geflohen ist, wieder auf ihre Tagesordnung. Gleichzeitig kümmert sie sich um Martens schwangere Schwester Fee, obwohl auch hier die Erinnerungen an die Vergangenheit stets sehr präsent sind. Während Sven und Marten um Sarah werben, hat diese mehr damit zu tun, sich endlich zu den Gespenstern ihrer Vergangenheit zu stellen…
Jette Hansen hat mit „Inselluft“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur den Besuch auf einer malerischen Insel spendiert, sondern diesen auch mit allerlei problematischen Themen konfrontiert, die das Buch auf den ersten Blick nicht offenbart. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser sofort an Sarahs Seite gleiten, um sie fortan nicht mehr aus den Augen zu lassen, während er ihre Gedanken- und Gefühlswelt hautnah mitverfolgen kann. Schon die farbenfrohen Beschreibungen der Anreise per Fähre und den Örtlichkeiten auf der Insel projizieren wunderschöne Bilder vor dem inneren Auge des Lesers und geben ihm ein Gefühl von Inselurlaub. Sarah, die sich von dem Tapetenwechsel nicht nur Linderung für ihren Heuschnupfen erhofft, findet schnell Anschluss auf Föhr, doch kann sie sich ihren neuen Bekanntschaften nur schwer öffnen aufgrund ihrer bewegten Vergangenheit. Die Handlung beschränkt sich allerdings nicht nur auf Sarahs Probleme, sondern thematisiert darüber hinaus auch die jedes einzelnen Protagonisten, so dass der Leser von dieser geballten Menge regelrecht erschlagen wird. Sarahs Schicksal wird dabei fast zu Nebensache, wie gut, dass es da die gute alte Freundin Isabel gibt, die Sarah immer wieder zur Seite steht. Von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Vergewaltigung, Schwangerschaft durch einen One-Night-Stand bis hin zu Selbstmord ist in dieser Handlung alles vertreten und vertreibt damit leider auch die Leichtigkeit, die der Roman eigentlich verspricht. Obwohl flüssig zu lesen, sind es gerade diese vielen zum Teil nur angeschnittenen, aber nicht weiter ausgeführten Themen, die die Lektüre dann recht unbefriedigend gestalten. Hier wäre weniger auf jeden Fall mehr gewesen.
Die Charaktere sind leider recht oberflächlich ausgestaltet, so dass der Leser mehr als Statist und stiller Beobachter fungiert als mit den Protagonisten zu fiebern und zu fühlen. Sarah ist eine zurückhaltende und hilfsbereite Frau, die mit sich selbst hadert. Sie muss erst lernen, sich endlich freizuschwimmen. Freundin Isabel ist eine Frau, die die Dinge in die Hand nimmt und mit Rat und Tat zur Seite steht. Tierarzt Marten ist ein ernsthafter, feiner Kerl, der viel Feingefühl besitzt. Sven ist ein rastloser Mann, der selbst noch an einem Schicksalsschlag knabbert. Martens Schwester Fee benimmt sich oft wie ein Teenager, der andere benötigt, um die Kohlen für sie aus dem Feuer zu holen.
„Inselluft“ ist ein kurzweiliger Unterhaltungsroman, der Inselflair verströmt, während seine Protagonisten einiges an Problemen zu wälzen haben. Ganz nett zu lesen, aber mehr auch nicht. Eingeschränkte Leseempfehlung.