Ein Buch, das nicht mehr loslässt
Jenna heuert auf der Suche nach ihrer Mutter einen alkoholsüchtigen Privatdetektiv und ein Medium an, das den Zugang zur Geisterwelt verloren zu haben glaubt. Virgil und Serenity sollen ihr helfen, Alice ...
Jenna heuert auf der Suche nach ihrer Mutter einen alkoholsüchtigen Privatdetektiv und ein Medium an, das den Zugang zur Geisterwelt verloren zu haben glaubt. Virgil und Serenity sollen ihr helfen, Alice aufzuspüren, die vor zehn Jahren verschwand, nachdem im Elefantenreservat, in dem sie arbeitete, eine Pflegerin tot aufgefunden wurde. Während Jenna alles daran setzt, mit ihrer Mutter wieder vereint zu werden, beginnt Virgil, Alice zu verdächtigen, und Serenity will ihre Gabe mehr denn je zurück. Mittendrin immer wieder: Elefanten, denn Alice war Elefantenforscherin.
Ich bin auch nach vier Tagen immer noch berauscht. Der Roman wächst unbemerkt zu solch eine Größe an, stilsicher, fesselnd und voller starker Figuren, dass die wirklich unerwartete Wendung des Endes einfach genial ist. Plötzlich erscheinen viele Details in einem anderen Licht, die Sichtweise verändert sich und es reizt mich, alles sofort noch einmal zu lesen, um es auch wirklich ganz zu verstehen. Ein Roman, der nicht so schnell loslässt.
Loslassen kann auch Jenna nicht. Während im ersten Lesedurchgang ein paar Ungereimtheiten auftreten, sind diese letztendlich Hinweise auf den Ausgang der Geschichte. Die einzelnen Kapitel sind jeweils aus den unterschiedlichen Blickwinkeln von Jenna, Alica, Virgil und Serenity erzählt, so dass die Figuren nicht nur durch ihr Selbstbild bestehen, sondern durch mehrere Fremdbilder ergänzt werden. Das verleiht viel Tiefe und erlaubt, Verknüpfungen zu erkennen und Hinweise zu entschlüsseln, bevor die Figuren es tun.
Interessant finde ich aus der Sicht der Forscherin zwei Dinge: Zum einen ist das Buch von einer Frau geschrieben. Eine Seltenheit bei Büchern, in denen eine Muttersuche fokussiert wird. Auch, dass die Suchende eine weibliche Figur ist, ist selten. Meist suchen männliche Protagonisten die Vorstellung der Erlösung durch das Wiederfinden der Mutter. Jenna aber sucht keine Erlösung. Sie sucht nicht sich selbst, viel mehr besteht sie nur aus dem Antrieb, ihre Mutter zu finden. Sie spart dafür ihr Geld, belügt ihre Großmutter, tritt mit Virgil und Serenity in Kontakt. Trotzdem wird sie dabei nicht erwachsen, denn ein „Danach“ gibt es für sie eigentlich nicht. Gleichzeitig ist sie keinesfalls naiv, sondern durchdenkt die Möglichkeiten, mit denen sie konfrontiert werden kann genau. Vielleicht ist es viel mehr der Abschluss, den Jenna sucht, um endlich ein Ich außerhalb der Muttersuche bilden zu können.
Ein wichtiges Element des Buches sind die Elefanten. Alice ist Elefantenforscherin und erzählt aus ihrem Leben in Afrika und ihrer Zeit im Reservat. Anhand der Elefanten arbeitet sie ihre eigenen Traumata ab. Hier zeichnen sich sehr eindrucksvoll ihr Weg zur Mutterschaft ab und ihr Interesse an der Forschung zur Trauer bei Elefanten. Alice aus diesen Berichten herauszulesen ist nicht immer leicht, gerade das finde ich aber wirklich interessant und gut gemacht. Eine Figur, die aus ihren Worten entsteht und nicht einfach nur beschrieben wird.
Die Spuren meiner Mutter ist ein sehr gutes Buch über Suche, Trauer, Sehnsucht, Liebe und Schuld. Ein Buch über Elefanten und über Menschen. Ich kann es nur empfehlen, ausnahmslos.
Ein kleiner Hinweis noch: Es gibt zum Roman zwei elektronische Kurzgeschichten, die Alice beziehungsweise Serenity noch einmal näher betrachten.