Jojo Moyes schwächstes Buch
Ich muss dieser Rezension voranstellen, dass ich ein ziemlich großer Fan von Jojo Moyes bin. Ich lese ihre Bücher immer wieder gerne, wenn ich an verregneten Novembertagen oder im Sommerurlaub eine Portion ...
Ich muss dieser Rezension voranstellen, dass ich ein ziemlich großer Fan von Jojo Moyes bin. Ich lese ihre Bücher immer wieder gerne, wenn ich an verregneten Novembertagen oder im Sommerurlaub eine Portion Herzschmerz mit gerade genug Seriösität brauche.
"Die Frauen von Kilcarrion" ist eine neue Übersetzung ihres ersten Romanes, den ich bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf dem Schirm hatte. Dass sich Jojo Moyes inzwischen weiterentwickelt hat, und dieses Buch nicht an den Maßstäben ihrer Welterfolge gemessen werden darf, dürfte klar sein. Es bleibt aber die Frage, ob der Verlag hier zurecht ein vergessenes Erstlingswerk wieder in die Schaufenster bringt, oder ob die Neuübersetzung dieses Buches der Versuch ist, aus der Marke Jojo Moyes noch ein paar extra Euro herauszuholen.
Aber fangen wir vorne an: Wir begleiten in diesem Buch drei Frauen, nämlich Sabine, ihre Mutter Kate und deren Mutter, Sabines Großmutter Joy. Der Haupthandlungsstrang spielt dabei aus Sabines Sicht. Die Geschichten von Joy und Kate werden uns hauptsächlich durch Rückblicke nahegebracht.
Joy wuchs im britisch geprägten Teil von Hong Kong auf, wo sie auf einer Party anlässlich der Krönung von Queen Elizabeth Edward, ihren späteren Ehemann kennenlernt. Deren Tochter Kate wird einige Jahre später ebenfalls in Hong Kong geboren, entfremdet sich aber von ihrer Familie und landet gemeinsam mit ihrer Tochter Sabine in London. Dort ist sie lange mit einem Mann namens Geoff zusammen. Als sie sich von ihm trennt, beschließt sie, Sabine für einige Zeit zu ihrer Großmutter Joy zu schicken, die nun (aus ungeklärten Gründen) auf einem altehrwürdigen Anwesen im irischen Kilcarrion lebt.
Sabine ist natürlich erstmal so gar nicht begeistert davon, ihr cooles Stadtleben gegen das eingestaubte Leben ihrer Großeltern einzutauschen. Aber sie findet bald neue Freunde, zum Beispiel den Stallburschen Thom oder die verstört wirkende Annie. Außerdem beginnt sie, die Geschichte ihrer Familie zu erforschen, die, wie sollte es anders sein, einige Überraschungen bereithält.
Vielleicht merkt ihr es schon, dieses Buch hat mich leider nicht überzeugt. Es kommt zwar schon eine gewisse Spannung auf, aber es fehlt der Sog der späteren Jojo Moyes Bücher. Die Charaktere sind entweder blass, oder komplett überzogen. Die Geschichte von Joy, die im ersten Kapitel wirklich spannend und interessant begonnen wird, wird nie richtig zuende erzählt, der Charakter der jungen Joy wird komplett fallen gelassen. Ebenso erfahren wir über Kate relativ wenig, außer der Tatsache, dass sie mehrfach den Partner wechselt und damit so gar nicht dem Ideal ihrer Eltern entspricht. Sie ist wohl eigentlich Autorin, aber wir wissen nicht einmal, was für eine Sorte Bücher sie schreibt.
Sabine ist wohl der stärkste Charakter der drei Frauen, aber auch hier gibt es so viele Logiklücken, alleine schon die Tatsache dass sie scheinbar mehrere Monate auf Kilcarrion ist. Wie lange sind denn die Sommerferien in England? Fragt von ihren Freunden in London denn niemand mal nach, wo sie eigentlich hinverschwunden ist?
Und an dieser Stelle muss ich auch noch einmal ein bisschen Spoilern, also überspringt den nächsten Absatz gerne:
Zwischen Thom und Sabine gibt es die Andeutung einer Verliebtheit, zumindest von Sabines Seite aus. Thom ist aber viel älter als sie und tatsächlich der erste Freund von Kate, Sabines Mutter gewesen. Das ganze entwickelt im letzten Drittel des Buches eine ganz merkwürdige Dynamik. Ich musste das Buch aus der Hand legen, mich schütteln, und dann zwingen die nächsten beiden Seiten zu lesen. Sehr sehr unangenehm und meiner Meinung nach unnötig. Aber gut, ist vielleicht Geschmackssache.
Spoiler ende.
Das Buch hat aber natürlich auch liebenswerte Momente, gerade die Nebencharaktere auf Kilcarrion sind zwar überzeichnet, aber auch freundlich, interessant und amüsant. In diese Welt habe ich mich gerne hereingelesen, auch wenn hier ebenfalls im letzten Drittel sehr dick aufgetragen wurde.
Insgesamt also ein Erstlingsroman, der schon durchscheinen lässt, was für tolle Geschichten ihm noch folgen würden, der aber wahrlich nicht zu Jojo Moyes Glanzstunden zählt. Ich persönlich finde das Marketing um diesen Titel nicht gerechtfertigt. Schön ist natürlich, dass wieder ein weiterer Titel mit kohärentem Cover für die Jojo Moyes Sammlung zur Verfügung steht. Ich würde ihn mir rückblickend aber tatsächlich nur der Vollstänsigkeit halber kaufen.