Cinderella mit dystopischen Elementen und queeren Aspekten
Inhalt
Vor zweihundert Jahren hat Cinderella ihren Traumprinzen auf einem Ball kennengelernt und ein glückliches Leben mit ihm geführt. Cinderella ist gestorben, aber ihre Geschichte lebt in dem Königreich ...
Inhalt
Vor zweihundert Jahren hat Cinderella ihren Traumprinzen auf einem Ball kennengelernt und ein glückliches Leben mit ihm geführt. Cinderella ist gestorben, aber ihre Geschichte lebt in dem Königreich noch weiter. Sie ist die Grundlage eines jeden Lebens und jedes Mädchen kennt sie auswendig. In diesem Reich bietet die Geschichte von Cinderella die Grundlage für den jährlichen Ball. Auf diesen müssen junge Frauen gehen und hoffen, dass sie dort von einem Mann gewählt werden. Einem Mann, der ab diesem Zeitpunkt über ihr Leben bestimmen und sie behandeln kann, wie er möchte. Wird eine Frau nicht gewählt, so wird sie aus dem Königreich verstoßen.
Sophia lebt in Cinderellas Königreich. Als sie alt genug ist, um auf den Ball zu gehen, möchte sie aber gar nicht gewählt werden. Am liebsten würde sie mit der Frau, die sie liebt, Lille verlassen, aber das ist gar nicht so einfach. Nach ihrem Ball findet Sophia sich in einer Situation wieder, von der sie nie geglaubt hätte, dass sie so geschehen könnte. Sie flieht und versucht, die Gesellschaft, in der sie aufgewachsen ist, zu verändern.
Meine Meinung
Als erstes hat mich bei diesem Buch ganz klar das Cover angesprochen. Die Farben, die Atmosphäre, der Stil. Mich hat einfach alles daran magisch angezogen. Ein Blick auf den Klappentext zeigte mir aber schnell, dass hinter dem schönen Cover auch eine sehr interessante und vielversprechende Geschichte steckt. Eine Neuerzählung von Cinderella, die dystopische Elemente und Fantasy beinhaltet? Das hörte sich so gut und einfach nach einer ganz neuen und interessanten Mischung an. Und als ich dann gehört habe, dass es auch noch um queere Liebe geht, war mein Interesse endgültig geweckt.
Die Atmosphäre, die Kalynn Bayron durch ihren Schreibstil und das gut durchdachte Setting erzeugt, hat mich von Seite eins an total in den Bann der Geschichte gezogen. Ich konnte mir das fiktive Königreich sehr gut vorstellen und die ersten Kapitel waren eine richtig gute Einführung in das politische System, in dem die Geschichte spielt. Früher habe ich sehr gerne Dystopien gelesen und "Cinderella ist tot" hat in mir wieder genau das Gefühl hervorgerufen, das ich bei anderen Dystopien immer gemocht habe. Total beklemmend und mit einer ganz großen Portion Wut. So wird die ganze Welt anfangs als einigermaßen schön und der Ball als romantisch dargestellt, aber man merkt schnell, dass er vielmehr ein Instrument ist, um Frauen zu unterdrücken. Sophias Wunsch, das System zu verlassen und ein unabhängiges Leben zu führen, konnte ich schon auf den ersten Seiten gut nachvollziehen. Die Welt hat mir aber nicht nur wegen ihren dystopischen Elementen gefallen. Es handelt sich um eine Welt, die auf einem Märchen voller Magie beruht und so glaubt ein großer Teil der im Königreich lebenden Personen weiterhin an Magie. Die Art, in der Fantasy-Elemente in die Geschichte eingebunden wurden hat mir sehr gut gefallen. Ich mochte besonders, dass die Magie hier eher im Verborgenen stattfindet und weniger Teil der offensichtlichen Welt ist.
Als Protagonistin hat mir Sophia sehr gut gefallen. Sie ist sympathisch, stark, nicht naiv und vertritt ihre eigenen Ansichten. Schon vor ihrem eigenen Ball blickt sie hinter die Kulissen des Systems, in dem sie ihr ganzes Leben lang gelebt hat. Sie sieht die Probleme, die sich aus der Abhängigkeit der Frauen ergeben und hat Mitgefühl mit Frauen, die von einem Mann gewählt wurden, der sie nicht gut behandelt. Dieses Mitgefühl zeigt sie in einer Welt, in der die meisten lieber wegschauen als etwas zu verändern. Sophia wünscht sich ein freies Leben und ist bereit, etwas für Veränderungen zu tun.
Auch die weiteren Charaktere der Geschichte mochte ich sehr gerne. Constance ist eine Rebellin, die aus dem Verborgenen heraus versucht, mit Sophia das System zu verändern. Dabei ist sie sehr direkt und ich mochte die Dynamik, die ihre Art der Geschichte gibt. Der Prinz ist der Prototyp eines bösen Herrschers, hat mir in dieser Geschichte aber auch gut gefallen. Vor allem, weil er eine eigene Vorgeschichte hat und wir so gegen Ende der Geschichte auch etwas über ihn erfahren.
"Cinderella ist tot" enthält eine sehr dezente Liebesgeschichte, die nicht zu sehr in den Vordergrund rückt. Dieser Teil der Geschichte hat mir sehr gut gefallen und mich an der einen oder anderen Stelle zum Lächeln gebracht. Aber auch sonst blieb die Geschichte bis zum Ende hin spannend. Gerade in den letzten Kapiteln passierte alles so schnell, dass ich gar nicht bemerkt habe, dass das Buch schon fast vorbei ist. Die Autorin schafft es, durch die Einbindung der Erzählung von Cinderella, der ganzen Geschichte einen roten Faden zu geben und ich wollte immer wissen, was als nächstes passiert. Was ist wahr und was wurde durch das System nur erfunden. Während der Geschichte enthält das Buch einige Wendungen, die ich so nicht kommen gesehen habe, sodass es nie zu vorhersehbar war. Die Wendungen haben mir größtenteils gut gefallen. Manchmal dachte ich, dass einige Aspekte etwas zu weit hergeholt sind, aber am Ende hat alles doch ein sinnvolles Gesamtbild ergeben.
Fazit
Eine Mischung aus einer Nacherzählung eines Märchens, Fantasy, dystopischen Aspekten und queerer Liebe? Das hörte sich fast zu gut an um wahr zu sein. Aber "Cinderella ist tot" hat mich nicht enttäuscht. Die Geschichte mit ihren tollen Charakteren hat mich von der ersten Seite an begeistert und auch nach dem Lesen für einige Tage nicht losgelassen. Die hier erschaffene Welt hat mir sehr gut gefallen und die Atmosphäre war düster und hat sich durch das ganze Buch gezogen. Zwischendurch gab es aber trotzdem immer wieder schöne Momente. Zudem werden gesellschaftlich relevante Themen, wie Gleichberechtigung der Geschlechter oder queere Aspekte, behandelt. Dies wirkt aber nicht gezwungen, sondern bildet eine gute Grundlage für das Worldbuilding. Die ganze Geschichte ist spannend aufgebaut und steuert ganz am Ende auf ein großes Finale zu. Ich würde total gerne erfahren, wie es in dem Königreich weitergeht und was als nächstes mit Sophia passiert, aber einen zweiten Teil gibt es ja leider nicht.