Macht nachdenklich
Im Nachfolgeband von "Die Stunde der Mütter" begleiten wir Marias und Vivians Töchter Anna und Antonia in der zweiten Hälfte der 50iger Jahre, die Jahre des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders. Die ...
Im Nachfolgeband von "Die Stunde der Mütter" begleiten wir Marias und Vivians Töchter Anna und Antonia in der zweiten Hälfte der 50iger Jahre, die Jahre des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders. Die jungen Frauen haben sich aus den Augen verloren und sehen sich nach vielen Jahren wieder. Anna versucht ihr Glück am Residenztheater in München, nachdem sie am Theater an der Wien seit Jahren als "das Naturtalent" gehandelt wird, aber die großen Rollen immer wieder ausbleiben. Sie zieht bei Antonia ein, die ihr Medizinstudium abgebrochen hat und als Krankenschwester arbeitet. Die Cousinen, die gemeinsam aufgewachsen sind, verstehen sich auch nach all den Jahren hervorragend.
Maria und Vivian unterstützen nach wie vor Menschen die Hilfe benötigen. Maria engagiert sich vor Ort in der Flüchtlingshilfe, Vivian wird Schuldirektorrin an der örtlichen Schule. Im kleinen Dorf werden Besatzungskinder und ihre Mütter ausgegegrenzt und auch Vivian, "die Engländerin" spürt Gegenwind, weil sie sich dafür einsetzt, dass Mädchen Beruf und Ehe sehr wohl vereinbaren können. Die rechte Partei "Freunde der Heimat" sorgen immer wieder für Ausschreitungen. Auch Daniel ein kleiner schwarzer Junge wird zur Zielscheibe von Ausländerhass. Seine aus Ostpreußen geflüchtete Mutter Veronika arbeitet Tag und Nacht und muss unter der Intoleranz ihrer Mitmenschen leiden. Daniel nutzt die Zeit, die er unbeaufsichtigt ist, um am Bahnhof auf seinen amerikanischen Vater zu warten. Dabei trifft er eines Tages auf Vivian, die sich seiner annimmt und damit einen weiteren Grund liefert, dass sie nicht die Richtige für den Direktorposten an der Schule ist...
Währenddessen versuchen Anna und Antonia ein Treffen der Frauen zu organisieren, die Vivian und Maria zu Kriegsende aus dem Lager retteten. In einem weiteren Strang lernen wir noch Marie-Luise kennen, die in einem Klosterr eine abgeschiedene Kindheit erlebt, wo sie von der Außenwelt abgeschirmt wird, denn ihr Vater war im örtlichen KZ-Lager der Anführer.
Mit ihrem neuen Roman weist Katja Maybach auf die Intoleranz und auf den Fremdenhass hin, der auch in der heutigen Zeit wieder vermehrt auftritt. Die Brisanz des Themas könnte genauso gut im Heute spielen und macht einem sehr nachdenklich!
Besonders ins Herz geschlossen habe ich den kleinen Daniel, der so voller Lebensfreude und mit offenen Augen durch die Welt geht. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sein Vater heimkehrt und er einen Freund findet und muss gegen so viele Vorurteile und Gemeinheiten ankämpfen. Sein Schicksal hat mich zu Tränen gerührt.
In wechselnden Perspektiven lesen wir abwechselnd aus der Sicht von Vivien, Maria, Antonia und Anna und auch von Veronikas Schicksal, die von den Russen aus Ostpreußen vertrieben wurde und dabei nicht nur ihre Heimat verloren hat. Diese Perspektivwechsel halten die Spannung aufrecht, die besonders durch die lauernde Präsenz der Gefahr spürbar ist.
Trotz des Buchtitels standen meiner Meinung eher Vivian und Anna im Vordergrund, wobei Maria eher im Hintergund blieb und mir Antonia zu blass erschien. Ihren Einsatz für Marie-Luise fand ich ein bisschen bedenklich. Auch ihre Liebesgeschichte konnte ich nicht nachvollziehen, die einfach viel zu schnell und unglaubwürdig dargestellt wurde. Hingegen fesselte mich Vivians Schicksal und ich litt und fieberte mit ihr mit.
Es ist nicht zwingend nötig den Vorgängerband zu kennen und trotzdem würde ich empfehlen ihn vorher zu lesen, weil in diesem zweiten Band doch viele Anpielungen auf Band Eins zu finden sind und die Geschichte abrundet.
Schreibstil:
Katja Maybach erzählt direkt und mit viel Einfühlungsvermögen aus der Sicht ihrer Protaginisten. Dabei nimmt sie sich vieler Themen an und führt die Geschichte von Vivian und Maria weiter. Ich war entsetzt, traurig, wütend und überrascht und konnte mit ihren Charakteren, die mich nicht alle überzeugten, mitfühlen. Trotzdem hat mich dieser Roman sehr berührt und wird noch länger nachhallen.
Fazit:
Eine Geschichte, die mich berührt und sehr nachdenklich gemacht hat und die die Nachkriegszeit nicht nur als die Zeit des Wirtschaftswunders, sondern auch deren Schattenseiten aufzeigt. Parallelen zur Gegenwart erzeugen Gänsehaut und lassen den Roman noch nachhallen. Ich empfehle den Vorgängerband zu lesen, auch wenn "Die Zeit der Töchter" alleinstehend gelesen werden kann.