Mit Familie und Job ist Charlotte mehr als ausgelastet, so dass sie selbst eigentlich immer zu kurz kommt. Doch dann steht in dem Chaos plötzlich ihre Mutter Barbara vor der Tür, die sie lange nicht mehr gesehen und ihr noch immer nicht verziehen hat, dass sie vor 20 Jahren einfach nach Lanzarote abgehauen ist und ohne einen Blick zurück ihren Vater und sie verlassen hat. Nun aber erfährt Charlotte, dass Barbara krank ist und ihre Hilfe benötigt. Obwohl es in Charlotte rumort, gibt sie sich einen Ruck und kümmert sich neben sämtlichen anderen Verpflichtungen auch um Barbara. Je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, umso mehr muss Charlotte erkennen, dass nicht immer alles so war und ist, wie es scheint…
Katrin Lankers hat mit „Kleine Wunder überall“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit einer emotionalen Geschichte aufwartet, sondern dem Leser während der Lektüre auch so manche Einsicht mitgibt. Der flüssige und warmherzige Erzählstil der Autorin lädt den Leser ein, sich in Charlottes Reich einzunisten, um als Zaungast den dort stattfindenden Ereignissen hautnah beizuwohnen und sich währenddessen eigene Gedanken zu machen, wie man selbst in der einen oder anderen Situation handeln würde. Sehr realistisch und empathisch zeichnet die Autorin Charlottes vollgepackten Alltag, den diese nur gut organisiert gewuppt bekommt. Allerdings zeichnet sich Charlotte auch dadurch aus, dass es ihr nie jemand gut genug macht und sie förmlich alles an sich reißt. So wird auch schnell offensichtlich, warum sie für eigene Träume keinerlei Zeit erübrigen kann. Der Auftritt ihrer Mutter ruft nicht nur unschöne Erinnerungen hervor, sondern lässt auch nach für nach erkennen, dass Charlotte ihre Mutter über die Jahre sehr vermisst hat, ohne sich dies einzugestehen. Das nötige Aufeinanderzugehen und die Einsicht, verzeihen zu müssen, um sein eigenes Leben in Ordnung zu bringen, wird ebenso gefühlvoll transportiert wie die alltäglichen kleinen Wunder, die man in seinem Trott nur noch selten wahrnimmt und denen man viel mehr Beachtung schenken sollte. Die Autorin schickt den Leser durch eine wahre Achterbahn der Gefühle, die ihn am Ende erkennen lässt, wie wichtig Selbstreflektion, Aufmerksamkeit und Dankbarkeit sind.
Die Charaktere sind liebevoll und mit menschlichen Ecken und Kanten sehr authentisch inszeniert, so dass der Leser das Gefühl hat, alle Beteiligten schon seit langem zu kennen. Da fällt das Mitfühlen und –fiebern leicht. Charlotte ist eine Perfektionistin, die sich oftmals selbst im Weg steht. Der frühe Verlust der Mutter hat sie hart und auch etwas unsicher gemacht, was sie mit ihrer perfekten Art zu übertünchen sucht. Barbara ist eine liebevolle und sympathische Chaotin mit viel Humor. Sie ist zwar ein Freigeist, doch auch sie hat unter der Trennung zur Tochter gelitten. Aber auch Charlottes Ehemann Markus sowie die Kinder Finja und Merle spielen wichtige Rollen in der Handlung und geben ihr zusätzliches Gewicht.
„Kleine Wunder überall“ ist eine tiefgründige, mitten aus dem Leben gegriffene Geschichte über Familie, Liebe, Verlust, Entscheidungen und Vergebung. Die Autorin gibt dem Leser durch ihre Handlung zu verstehen, dass er sich daran erinnert, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und vor allem die kleinen Dinge des Lebens mehr schätzen zu lernen. Sehr gelungen und lesenswert!