Das lang erwartete Kingsbridge-Prequel
Inhalt
Südengland, 997: Dass sich an diesem Tag Edgars Leben für immer verändern sollte war von langer Hand geplant, doch dann läuft alles anders als vorhergesehen. Statt mit seiner Geliebten Sunni die ...
Inhalt
Südengland, 997: Dass sich an diesem Tag Edgars Leben für immer verändern sollte war von langer Hand geplant, doch dann läuft alles anders als vorhergesehen. Statt mit seiner Geliebten Sunni die Heimatstadt Combe zu verlassen, muss Edgar erleben, wie Wikinger die Stadt überfallen, Sunni sowie seinen Vater töten und die Werft und damit die Lebensgrundlage seiner Familie zerstören.
Als der Aldermann der Familie einen Hof in dem kleinen Weiler Dreng's Ferry anbietet, haben sie keine andere Wahl, als das Angebot anzunehmen und die Stadt zu verlassen.
Cherbourg, Normandie: Die zwanzigjährige Grafentochter Ragna ist trotz ihren fortgeschrittenen Alters recht wählerisch, was die Wahl ihres Gatten angeht. Doch dann tritt ein englischer Aldermann in ihr Leben...
Meine Meinung
Der walisische Autor Ken Follet gehört seit etlichen Jahren zu den ganz Großen im Bereich der historischen Romane. Kaum jemand kommt um ihn herum. Nach drei Romanen, die in dem fiktiven Ort Kingsbridge spielen, fügt Follet der Reihe nun ein Prequel hinzu, das in prä-normannischer Zeit spielt. Auf diesen Roman hatte ich mich sehr gefreut, habe ich doch meine große Freude an den ersten beiden Kingsbridge-Büchern wie auch dem ersten Band der Jahrhundert-Trilogie gehabt.
Den historischen Hintergrund bildet die Regierungszeit von Ethelred dem Unberatenen, die von Wikingerüberfällen und Ungehorsam gegenüber dem König geprägt war. Um einen Wikingerroman handelt es sich hier jedoch nicht, denn diese treten hauptsächlich im ersten Kapitel in Erscheinung, später werden sie nur gelegentlich mal erwähnt. Dies trifft auf fast den gesamten historischen Hintergrund zu, der über weite Teile des Romans zu vernachlässigen ist. Erst gegen Ende wird er wieder wichtiger, wobei Folletts Darstellung des Königspaares das genaue Gegenteil zu dem ist, was ich bisher über Ethelred und Emma wusste.
Wie man es von Follett schon kennt, gibt es auch hier wieder mehrere Hauptpersonen. Im direkten Vergleich zu Folletts historischem Erstling, Die Säulen der Erde, sind es jedoch deutlich weniger. Doch während zu Beginn des Romans die Anzahl der Personen noch überschaubar ist, werden dann urplötzlich immer mehr und mehr teilweise völlig unnötige Personen eingeführt, was die Übersicht erschwert, insbesondere, da auf ein Personenregister verzichtet wird.
Als Sympathieträger dienen hier wieder einmal ein Baumeister, eine junge Adelige und ein Mönch, denen ein Bischof und ein weltlicher Herrscher gegenüberstehen und ihnen aus Macht- und Habgier Steine in den Weg legen, wo sie nur können.
Die Einteilung in Gut und Böse ist von Beginn an deutlich und daran wird auch nicht gerüttelt. Nur sehr wenige Charaktere werden etwas ambivalent dargestellt und zeigen, obwohl sie eher den Antagonisten zugeordnet werden können, auch einige gute Seiten. Dies reicht mir jedoch nicht, denn die Gründe für die Taten der einzelnen Personen sind für mich zu oft einzig durch deren Gesinnung begründet. Zu oft legen die Antagonisten ihren Gegnern Steine in den Weg, um ihnen zu schaden, tatsächlich würden sie sich dadurch aber oft genug selbst deutlich mehr Schaden zufügen - was jedoch im Buch nicht thematisiert wird. Für mich einfach unglaubwürdig.
Gab es in Die Säulen der Erde noch einen deutlichen roten Faden, nämlich den Bau der Kathedrale, und ist ein solcher auch in Die Tore der Welt noch mehr oder weniger zu erkennen, so sucht man ihn hier vergebens. Wohin die Reise gehen sollte, was die zentrale Handlung des Romans ist, ist bis zum Ende unklar - am ehesten ist es die Wandlung des Weilers Dreng's Ferry zur Stadt Kingsbridge, doch ist darüber doch zu wenig vorhanden, um wirklich als Mittelpunkt des Romans gesehen zu werden. Vielmehr wird die Handlung von den Charakteren getragen und hangelt sich an deren Leben entlang, von einer Szene zur nächsten. Dies ist mir hier jedoch durch die bereits beschriebene Charaktergestaltung einfach zu wenig.
Alle paar Seiten gibt es eine weitere Wendung. Diese halten das Tempo des Romans hoch, Langeweile kommt dadurch kaum auf. Doch viele dieser Wendungen waren für mich einfach nicht stimmig, sie passten nicht so ganz in diese Zeit. Darunter fällt der Umgang mit Gewalt gegen Frauen, Rachepläne oder einfach die Darstellung einer Krankheit. Neben größeren Dingen sind es immer wieder Kleinigkeiten, die mich aus der Zeit gerissen haben, Personen, die so nie gehandelt hätten, weil es ihrem Stand nicht entspricht, merkwürdige Zufälle, die sich häufen. Alles in Allem sind es mir zu viele Unstimmigkeiten.
Auf eine Liebesgeschichte darf hier natürlich nicht verzichtet werden, doch auch diese hat eher Fragen aufgeworfen. Viel zu oft wird sie nur durch den Akt definiert, oder es wird per Holzhammer darauf hingewiesen, dass da mehr ist als nur körperliche Anziehung. Romantik, zarte Andeutungen und Ähnliches sollte man hier dagegen eher nicht erwarten.
Sprachlich ist der Roman sehr einfach gehalten. Es gibt kaum altmodische Begriffe, so dass der Roman durchgängig leicht zu verstehen ist. Und dies ist auch so beabsichtigt. Negativ aufgefallen ist mir jedoch, dass eben einige Orte oder Personen englische (Spitz-)Namen tragen, zu einer Zeit, zu der es doch noch gar keine englische Sprache gab. Im englischsprachigen Original mag dies so passen, hier jedoch hat es mich sehr gestört, dass der kleine Weiler auch in der Übersetzung Dreng's Ferry heißt, wenn er doch eher einen angelsächsischen Namen gehabt hätte. Selbst eine Übertragung ins Deutsche wäre besser gewesen. Ähnlich ergeht es mir mit dem Banditen Ironface, der so heißt, weil er einen eisernen Helm trägt. Daneben gibt es eine ganze Reihe Spitznamen, durch die schwer aussprechbare angelsächsische oder nordische Namen vereinfacht, aber auch verenglischt werden. Dies fängt bei Edgars Geliebter Sunni an, die eigentlich Sungifu heißt, und hört bei Edgars Nichte Wynswith nicht auf, die hier Winnie genannt wird. Dies mag der besseren Lesbarkeit dienen, aber nicht alle Namen erscheinen mir passend für diese Zeit.
Zusatzmaterial sucht man hier nahezu vergebens, was für einen modernen Roman eines so angesagten Autors eher ungewöhnlich ist. Neben einer Karte und netten Illustrationen zu Beginn der vier Abschnitte gibt es nur eine kurze Danksagung, aber keine Informationen zum historischen Hintergrund oder zu Wahrheit und Fiktion. Auch ein Personenverzeichnis sucht man vergebens.
Fazit
Leider konnte Kingsbridge - Der Morgen einer neuen Zeit meine Erwartungen kaum erfüllen. Zwar handelt es sich hier um einen typischen Follett mitsamt seiner Stärken und Schwächen, einer hoch gehaltenen Spannung mit vielen Wendungen und recht schwachen Charakteren, doch fehlt mir hier ein roter Faden, der die Handlung leitet und die Schwächen in den Hintergrund drängt. Wem dies nichts ausmacht, dem kann ich den Roman durchaus empfehlen, wer jedoch auf einen gewissen Grad an Glaubwürdigkeit besteht wird mit diesem neuesten Werk aus der Hand Ken Folletts wenig Freude haben.