Denken ist alles
Aufbauend auf einer Biografie von Elisabeth Young-Bruehl, gespickt mit Eigeninterpretation und überlieferten Gedankensätzen aus Hannah Arendts Werken hat der Karikaturist und Autor Ken Krimstein ein mitreißendes ...
Aufbauend auf einer Biografie von Elisabeth Young-Bruehl, gespickt mit Eigeninterpretation und überlieferten Gedankensätzen aus Hannah Arendts Werken hat der Karikaturist und Autor Ken Krimstein ein mitreißendes und humorvolles Graphic Novel über eine der größten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts geschaffen. Keines mit Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit, aber eines mit viel Persönlichkeit und jeder Menge Menschen, die Hannah begegnet sind und viel Raum für ihren eigenen Denker- und Charakterkopf.
Aufgeteilt in drei Teilen zieht sich der Graphic Novel entlang an den drei Leben oder wagemutigen Fluchten von Hannah. Als Kind in Königsberg werden ihre Sorgen skizziert: der kranke Vater, der Judenhass und später schon der Hang zum eigenen Denken und in Marburg die schicksalsweisende Begegnung mit Heidegger, von dem sie lange nicht loskommen wird. Die erste Flucht führt sie über Tschechien nach Paris, nachdem man im Berliner Romanischen Café schon die ersten großen Charaktere kennengelernt hat. In Frankreich findet sie nie richtig ihren Frieden, natürlich auch kriegsbedingt und durch schreckliche Ereignisse. Doch sie lernt Heinrich Blücher, ihren zukünftigen Ehemann kennen. Der Leser macht Begegnung mit Walter Benjamin und ist im nächsten rasanten Schritt auch schon mit Hannah in New York - ihrem dritten Leben. Dort wird sie Dozentin in Princeton, verfaßt wichtige Werke und die Eichmann-Reportagen der Philosophin zum Prozess , "Banalität des Bösen", werden sie lange verfolgen.
In "Denken ohne Geländer" kommen dann viele Thesen von Hannah Arendt zur Geltung, hier wird philosophisches Mitdenken gefordert. Der Autor gibt der Ausführung zu ihren Theorien zu Pluralität und Natalität viel Platz.
Insgesamt ist es Krimstein gelungen, mit seinen bleistifthaften, präzisen Skizzen sowohl den persönlichen Eigenarten als auch dem Denken von Hannah Arendt eine tolle Komposition zu geben. Er öffnet den Zugang zu diesem komplexen, philosophischen Thema mit Wort und Bild. Weiteren wissenschaftlichen Input kann man sich über Biografien oder natürlich über ihre Werke holen. Wichtige Weggefährten kommen zu Wort - Menschen, die Hannah geprägt haben. Im schwarz-weißen Kontext bleibt Hannah immer mit grünem Detail und somit sehr gut erkennbar. Perfekt formulierte in Grün gehaltene Überschriften liefern dem Leser die notwendige Orientierung, wo er sich in Hannahs Leben gerade befindet.
Hannah Arendts streitbares und komplexes Denken hat Ken Krimstein anhand gewisser prägender Eckpfeiler ihres Lebens mitreißend und durchaus auch humorvoll nacherzählt. Und "Leben und Denken sind ein und dasselbe". (S. 232)