Hervorragend ausgearbeitet, komplex und durchweg fesselnd.
„Für sein Schweigen musste ich schreien.“
Storys, die im Thrill- und Crime Bereich eingeordnet werden, entfachen mittlerweile bei mir immer häufiger Müdigkeit, was vor allem an platten Stilen, denen weder ...
„Für sein Schweigen musste ich schreien.“
Storys, die im Thrill- und Crime Bereich eingeordnet werden, entfachen mittlerweile bei mir immer häufiger Müdigkeit, was vor allem an platten Stilen, denen weder Wortgewandheit noch Talent beiwohnen, liegt, zusätzlich zu einer Handlung und Charakterzeichnungen, so vorhersehbar wie die Tageszeiten. Dann schlug ich „Meine Lüge ist Deine Wahrheit“ auf. Weckte das erste Kapitel kurzzeitig Irritation, die sich im anspruchsvollen Verlauf löst, überraschte mich Kerstin Ruhkieck sogleich mit ihrer Art, zu schreiben.
Melancholisch, öfter bedrückend, gar beklemmend, mit einem Hauch Poesie ging die komplexe Handlung voran, die stetig neue Fragen samt Vermutungen aufwirft, in die Irre und zugleich dazu führt, keinen der drei Protagonistinnen wirklich zu vertrauen.
Im Fokus befinden sich Elena, Teresa und Miriam, die unglückliche Ereignisse, deren Zusammenhänge lange im Dunklen bleiben, nach elf Jahren wieder zueinander führt. Untermauert von einer einnehmenden Grundstimmung, von interessanten psychologischen und sensiblen Themen lernen wir die Figuren kennen, bekommen einen Eindruck ihrer Persönlichkeiten.
Während Teresa und Miriam jegliche Erinnerung tief in sich eingesperrt haben, vergessen durch den Mechanismus, der Trauma und Schuld auszulösen vermag, ist Elena seit jenem Sommer auf der Flucht, nie wirklich weggekommen von Camp und Insel. Doch nun wird es Zeit, die Vergangenheit abzuschließen und zu beenden, was auch immer damals begann …
Obgleich keine der Frauen mental wirklich gesund schien, jede eine gewisse Falschheit ausstrahlte, war es die Initiatorin, Elena, der durch Egoismus, Gleichgültigkeit und Gefühlsschwankungen eine durchdringende Bedrohlichkeit, etwas Unberechenbares anhaftete. Im Verlauf ergibt sich ein Bild der Dynamik, die vor all den Jahren zwischen den mittlerweile Erwachsenen herrschte, über die Rolle der einzelnen – lediglich Miriam weckte den Eindruck, sich positiv entwickelt zu haben. Teresa, heute gefangen in einer toxischen Beziehung, noch immer nicht bereit, Rückgrat zu beweisen, ist es, die die zurückhaltende Schriftstellerin überredet, gemeinsam mit Elena nach Seelvlieth zu fahren. Nur die Ahnung im Kopf, dass dieser Ausflug vielleicht alle drei ins Verderben stürzt.
Nach und nach kristallisieren sich vage, ungute Vorahnungen darüber heraus, was einst passierte, eine unterschwellige Gefahr begleitet pausenlos die durchdacht konstruierte Geschichte, die die Frauen zurück an jenen Ort führt, an dem keine je wieder sein wollte. Nervenkitzel und Anspannung sind allgegenwärtig, und trotz des malerischen, atmosphärischen Stils, trotz der unterschiedlichen Blickwinkel, durchbrochen von Erinnerungen, büßt „Meine Lüge ist Deine Wahrheit“ nichts an Tempo und Spannung ein. Manipulation, Lügen und Intrigen, Halbwahrheiten und immer neue Puzzleteile, Verstrickungen, die langsam aufgedröselt werden und einen perfiden Plan entblößen, der durch Twists und Offenbarungen mehrfach neu zusammen gesetzt wird.
Die LeserInnen tauchen in Geheimnisse ein, durchbrechen Verdrängung und mühsam errichtete Mauern, begegnen erschreckenden Abgründen, bis sie zu einem Finale gelangen, welches ebenso überraschend wie schockierend, so emotional wie bewegend ist.
Am Ende war es nur eine Postkarte, die Licht in einen Sommer bringt, der zahlreiche Leben zerstört, beendet hat, Menschen traumatisierte und die wahren Monster enthüllt …
Dieser Psychothriller hat mich mitgerissen, eingefangen, schockiert und tief bewegt – und das nicht nur, mit moralisch fragwürdigen Themen und Reaktionen.
„Reue ist nie genug.
Schuld vergeht nicht.“