spannend
Eins der besseren Bücher aus der Ostfriesenreihe. Ich lese diese Bücher total gerne, aber manchmal finde ich sie zu übertrieben und zu sehr auf Ann Kathrin Klaasen fokussiert. Reicht es nicht, dass sie ...
Eins der besseren Bücher aus der Ostfriesenreihe. Ich lese diese Bücher total gerne, aber manchmal finde ich sie zu übertrieben und zu sehr auf Ann Kathrin Klaasen fokussiert. Reicht es nicht, dass sie Ermittlerin ist und man über ihr Privatleben einiges erfährt ? Muß sie immer noch vom Täter gejagt werden ? Mich nervt das schon manchmal. Aber hier ist es endlich mal wieder erfrischend anders !
Bei einem Fahrradausflug auf Langeoog wird der junge Cosmo plötzlich ohnmächtig und stirbt kurz darauf in den Armen seiner Mutter. Diese ist davon überzeugt, dass der beste Freund ihres Sohnes daran Schuld ist. Beide waren You-Tube-Stars und nun will sie ihn zur Rechenschaft ziehen. Kurz danach taucht eine Leiche auf und der Junge ist verschwunden. Mit einem Großaufgebot wird er gesucht. Aber ist er Täter oder Opfer ? Hinzu kommt, dass er der Enkel des Innenministers ist. Und bald stellt sich raus, dass nicht nur die Polizei hinter ihm her ist. Spannend, wenn auch manchmal ein wenig langatmig, ohne große Überraschungen, aber dennoch eins der besseren Bücher. Die Charaktere sind sympathisch (außer Rupert. Erstaunlich, was er sich alles leisten kann, ohne Disziplinarverfahren). Es liest sich flüssig und man mag es kaum aus der Hand legen. Klare Leseempfehlung.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle eine Sache loswerden, über die ich mich sehr geärgert habe. Es war ein Satz, den die Ärztin auf Seite 240 gesagt hat. Entweder ist das schlecht recherchiert oder die Berater des Autoren haben keine Ahnung von ihrem Fach. Vor allem ärgert es mich, da ein so bekannter Autor von so vielen Leuten gelesen wird und dieser Irrglaube sich nun auch noch verbreitet. Und zwar geht es um die hirnrissige Aussage der Ärztin, die nach dem Suizidversuch von einem Mädchen dessen Vater nach Anzeichen fragt und dann tatsächlich meint "Wer es ernst meint redet meist wenig darüber. Bei denen, die damit drohen, hat der Selbstmordversuch oft Appellcharakter." NEIN ! Eigentlich alle Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie einen Suizidversuch machen, haben im Vorfeld mehrfach versucht, darüber zu sprechen und sich mitzuteilen. Aber wenn sie sagen, dass sie nicht mehr können oder etwas nicht mehr ertragen oder Bemerkungen machen wie "Ich geh daran kaputt", " Ich halte das nicht mehr aus", "Ich weiß nicht mehr weiter", "Ich habe keine Kraft mehr" etc, was passiert dann ? Genau. Sie werden nicht gehört. Man sagt ihnen Dinge wie: "Das wird schon wieder, du schaffst das, Kopf hoch, du hast schon ganz andere Sachen geschafft, durchhalten, morgen sieht die Welt schon wieder besser aus, stell dich nicht so an, reiß dich zusammen, davon geht die Welt nicht unter, du mußt nur mal wieder ausschlafen, grübel nicht so viel, anderen geht es viel schlechter und die jammern auch nicht, ich glaub an dich..." und ähnliche Phrasen oder Ermunterungen. Im Schnitt haben Menschen, die einen Suizidversuch unternehmen, versucht mit 7 Leuten zu sprechen und von ihrer inneren Not zu erzählen. Und darum finde ich diesen Satz der Ärztin im Buch so schlimm. Wenn ich den Verdacht habe, jemand ist verzweifelt oder am Ende seiner Kräfte, dann werde ich hellhörig und wenn mir derjenige dann auch noch sagt, dass er nicht mehr weiter weiß, dann frage ich ihn nach Suizidgedanken und die Menschen sind so erleichtert, dass sie endlich von ihrer Qual berichten können. (Beruflich baue ich dann eine Beziehung auf, schließe in akuten Fällen Antisuizidverträge ab, helfe dem Patienten, alternative Auswege zu finden und unterteile den Berg an Problemen in bearbeitbare Hügel, die wir dann gemeinsam angehen oder gebe bei einer Depression noch Antidepressiva dazu usw.).Wichtig ist mir aber, deutlich zu machen, dass Menschen, die zaghaft andeuten, dass sie etwas nicht mehr schaffen oder aushalten oder die auch deutlicher werden und aussprechen "Manchmal denke ich daran, mich umzubringen." oder " Ich wünschte ich wäre tot /weg/ nicht da", dass es dann eben nicht abgetan wird, wie hier im Buch "Wer drüber redet, macht es nicht" und diese Menschen in höchster Not allein gelassen oder nicht ernst genommen werden. Es wäre fatal und kann Menschenleben kosten, wenn jemand das liest (und glaubt) und dann einem Freund, der sich ihm anvertrauen will kein Gehör schenkt und das als aufmerksamkeitssuchendes Verhalten abtut. Und da sehe ich die Verantwortung des Autors. Vielleicht kann man in einer Neuauflage die Ärztin sagen lassen :"Manchmal sind die Anzeichen schwer zu entdecken." Das würde für die weitere Handlung völlig ausreichen und es würde keinen Schaden anrichten. Es gibt durchaus Suiziddrohungen mit Appellcharakter, jedoch sind die eher selten (im Verhältnis zu ernstgemeinten Suizidversuchen und Suiziden) und kommen eigentlich nur bei Menschen vor, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden (Borderline, Narzißsten) oder zumindest viele Züge einer solchen Störung haben. Aber auch diese Menschen können ernsthaft suizidal werden, was angesichts des Leids, was sie erlebt haben und der Flashbacks kein Wunder ist. Jede Suizidandeutung sollte man ernst nehmen. Und man braucht auch keine Angst zu haben, das Thema anzusprechen, denn ich bringe niemanden, der nicht suizidal ist, auf die Idee, sich umzubringen. Also, wenn jemand über suizidale Gedanken spricht oder dies auch nur andeutet, bitte unbedingt ernst nehmen und nachfragen ! "Wie meinst du das ? " "Was heißt das ? " Willst du dich umbringen ?" "Wie kann ich dir helfen ?" "Das macht mir Angst. Ich bringe dich jetzt in die Klinik, damit die dir helfen können" beispielsweise. Wir fragen dann genauer nach, z.B. nach vorherigen Versuchen, der Methode, ob es nur Gedanken sind, die sich aufdrängen oder schon konkrete Pläne und ob sie schon Tabletten dafür gesammelt haben oder einen Strick gekauft etc. um das ganz akute Suizidrisiko einzuschätzen und die Patienten sind in der Regel offen und ehrlich, froh, darüber reden zu können und die Verantwortung vorübergehend ein Stück an uns abgeben zu können. Die meisten suizidalen Patienten wollen, dass ihre Not und ihre Qual ein Ende hat und sehen keinen anderen Ausweg. Tot sein will keiner, aber sie wissen nicht, wie sie sonst ihr Leid beenden sollen, was sie nicht mehr ertragen können. Nur ein winziger Bruchteil (weniger als 1 %) sind Bilanzzieher, die niemandem etwas sagen. Also bitte nicht glauben, dass jemand, der sagt, er wolle sich das Leben nehmen ein Schwätzer ist, der nur Aufmerksamkeit will.