Das Debüt "Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten" von Kristina Pfister ähnelt dem Sandstrand in einem reicheren Viertel. Jeder kennt diese Leute, die mit einem großen Metalldetektor größere Sandgebiete abgehen, um im Sand Schätze zu finden. Manchmal sind sie enttäuscht, ob der Banalität der gefundenen Schätze. Und dann wieder ist etwas besonderes dabei.
So ist das mit dem Buch. Manchmal findet man wirkliche Schätze hier. Poetische, wunderschöne Sätze oder solche, die einen zum Nachdenken anregen. Und dann ist man wieder unglaublich gelangweilt. Ich muss leider sagen, dass die langweiligen Sätze überwiegen. Das schreibe ich nicht gerne, weil ich die Poesie großartig fand. Aber es nützt nichts, weil ich mich größtenteils einfach gelangweilt habe. Schuld daran ist daran ist auch der Aufbau.
Es fängt damit an, dass sich Annika langweilt. Das Leben findet neben ihr statt. Und sie fühlt sich sooo wohl in dieser Langweile. Sie ist Generation Praktikum. Keine Ahnung, was sie machen will, aber sie muss ja.
Aber dann taucht Marie- Louise auf. Partymaus. Kann nicht eine Minute stillsitzen. Also das komplette Gegenteil von Annika. Und sie macht es sich zur Aufgabe Annika zu motivieren. Vielleicht sieht sie es als aufregendes Sozialprojekt.
Aber Annika zu motivieren scheint eine Mammutaufgabe zu sein und deswegen reist Marie- Louise am Schluss nach Frankreich. Wenn Annika endlich aufhört die lebende Tote zu spielen wird sie ihr schon nachreisen. Natürlich formuliert Marie- Louise das anders. Sie schreibt einfach eine Adresse in Frankreich auf ihren selbstgefalteten Origamidino.
Jetzt wirst du vielleicht sagen: Spoiler! Du hast das Ende verraten. Nö, kein Spoiler. Das Buch hat nämlich durch seinen schlechten Aufbau keine Geschichte. Ohne Geschichte keine Spoiler.
Ein guter Aufbau wäre meiner Ansicht nach gewesen: Annika macht sich auf den Weg nach Frankreich und auf dem Weg dahin erinnert sie sich daran, was es alles gekostet hat, sie von ihren Zombietagen wieder auferstehen zu lassen.
Das wäre ein Ziel. So aber fließt die Langweile wie ein Fluß dahin und nimmt auf ihrem Weg ein paar poetische Perlen mit. Nein, selbst ein Fluß hat ein Ziel. Es tut mir leid das schreiben zu müssen. Aber es gibt hier kein Ziel.
Ich würde es ja mit dem Leben vergleichen, aber auch, wenn ich mich schon furchtbar gelangweilt habe, hat es doch nie so lange angehalten. Irgendwann sucht man sich doch etwas mit dem man sich ablenken kann, oder?
Ich finde das Leben ist eher ein Bahnhof und manchmal muss man eben aussteigen und einen anderen Zug nehmen. Annika bleibt aber in ihrem Zug sitzen, denn da war sie ja schon immer drin. Sie traut sich einfach nicht auszusteigen. Ja, der Gedanke versetzt sie regelrecht in Panik. Ab und zu klopft mal eine ihrer früheren Freundinnen oder Marie- Louise gegen die Scheibe: Du wolltest doch früher vor einer Haltestelle aussteigen! Aber Annika bleibt hartnäckig sitzen in der Angst, dass beim Aussteigen der Zug sie unter sich begräbt.
Erst am Schluss ist sie vielleicht in der Lage mal auszusteigen.
Vielleicht.
Fazit: Empfehlen kann ich das Buch nur wegen mancher schöner Stellen. Mir reicht das nicht, um das Buch gut zu finden. Aber man kann es lesen und es hat ein extrem schönes Cover. Und die Rezension ist meine Meinung. Bitte, lest es und bildet euch eure eigene Meinung.
Mich erinnert das an Kunst. Kennt ihr diese Bilder die Farbverläufe, Schlieren oder Kästchen in verschiedenen Farben zeigen? Manche Leute finden sie großartig. Sie fragen sich: Was will der Künstler mir sagen und suchen den Sinn in sich selbst, weil das Werk eine Seite von ihnen zum Schwingen bringt. Andere hingegen fragen sich: Was will ich damit? Das Bild zeigt nicht mal künstlerische Raffinesse. Die einen verlangen von sich selbst, dass sie etwas in das Werk hinein interpretieren können und finden die universelle Anwendbarkeit großartig. Die anderen möchten, dass das Bild sie auf ein bestimmtes spezielles Thema anspricht.
Ich habe immer zu der zweiten Kategorie gehört. Das sind die Leute, die erwarten, dass die Künstler etwas ausdrücken wollen und dem Betrachter damit einen anderen Zugang zur Realität ermöglichen. Das liegt nicht daran, dass meine Fantasie nicht groß genug ist. Sondern, dass ich erwarte, dass jeder Mensch eigene Gedanken hat und diese deutlich ausdrücken kann. Damit ich in einen gedanklichen Dialog eintreten kann. Ich möchte mich mit einem Thema ausgehend von der Meinung des anderen auseinander setzen. Ich mag lieber einen René Magritte als einen Jackson Pollock. Wobei das Buch eher ein Mark Rothko ist.
Deswegen ist das Buch leider nichts für mich. Das bedeutet nicht, dass es keine Seinsberechtigung hat oder dass es dir nicht gefallen wird, sondern einfach, dass ich nicht zur Kategorie Leser gehöre, die mit dem Buch etwas anfangen können.
Ich schließe diese Rezension mit einer Stelle ab, die das Buch für mich gut zusammenfasst:
Sie sprach von Weizenfeldern und einem Soundtrack, der aus Radioliedern bestand oder aus den alten Platten, die sie drinnen irgendwo gesehen hatte. Sie sprach von lachenden Gesichtern mit Kriegsbemalung, um prasselnde Feuer herumtanzend, und von Füßen ohne Schuhe, die durch Bäche wateten, Fische fingen, von einem Lachen, das in den Himmel stieg wie unser Schrei, damals im Wohnheim. (…)
Ich sagte: „ Lass uns doch einfach mal kurz hier liegen bleiben. Es ist so angenehm.“
S. 159