Die gute alte Zeit - Ha! Was für ein Witz!
Wer sich gelegentlich vorstellt, ob es nicht schön gewesen wäre, im 19. Jahrhundert gelebt zu haben, in der Zeit der großen Erfindungen und Neuerungen, die oder der sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen. ...
Wer sich gelegentlich vorstellt, ob es nicht schön gewesen wäre, im 19. Jahrhundert gelebt zu haben, in der Zeit der großen Erfindungen und Neuerungen, die oder der sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen. Ich vermute jedoch, Gedanken dieser Art werden nach dem Lesen keine Chance mehr haben
Die Autorin Lindsey Fitzharris wirft ein helles Licht auf diese dunklen Zeiten, in denen die Elektrizität noch in den Kinderschuhen steckte. Im Mittelpunkt steht Joseph Lister, der Sohn einer Quäkerfamilie, der Chirurg wurde und sich sein gesamtes Leben der Frage widmete, wie die hohe Sterberate in den britischen Krankenhäusern verringert werden könnte. Voller Hingabe und Leidenschaft beschäftigte er sich neben seinem eigentlichen Beruf, der Chirurgie, mit den wissenschaftlichen Untersuchungen, wie Infektionen nach Operationen entstehen und wie sie verhindert werden können. Mit seinem Können und seiner Überzeugungskraft gelang es ihm, nach und nach in vielen Ländern seine antiseptischen Methoden zu etablieren.
Doch dieses Buch ist keine reine Biographie, auch wenn der Umschlagtext sowie mein oben Geschriebenes dies suggerieren mögen. Denn sicherlich die Hälfte der 240 Seiten ist den Schilderungen der damaligen medizinischen Verhältnisse gewidmet. Dass es nicht schön war, ahnte ich schon vor dem Lesen - gewissen Historienfilmen sei Dank. Aber dass es sooo entsetzlich zuging! Fitzharris breitet einzelne Fälle derart präzise aus, dass ich fast das Gefühl hatte, ihre Freude am Detail zu spüren Nun gut, sie ist Medizinhistorikerin - also kein Wunder. Aber auch ihre Beschreibungen der Lebensverhältnisse der Bevölkerung ließen mich beim Lesen heftig schlucken; und bei der Darstellung damaliger Operationen habe ich zwischendurch gelegentlich eine Pause eingelegt.
Ob Lindsey Fitzharris eine gute Autorin ist, wage ich nicht zu beurteilen, denn dieses Buch ist eher eine Fleißarbeit. 23 Seiten weist der Anhang auf, äußerst kleingeschrieben, der in normaler Schriftgröße sicherlich den doppelten Platz eingenommen hätte. Es müssen Unmengen an Literatur gelesen worden sein, wovon die unzähligen Zitate im Buch zeugen.
Alles in allem eine unterhaltsam zusammengefasste Beschreibung einer Zeit und eines Mannes, der dem Überleben vieler Menschen (auch heute noch) einen großen Dienst erwiesen hat und zu Unrecht fast vergessen wurde. Zumindest bei uns. Dabei erinnert uns Listerine jeden Tag an ihn