Über die Autorin erfährt man, bevor man mit der Lektüre des als „Schwedenroman mit Herz“ apostrophierten Roman-Märchens „Herbstfrühling in Schweden“ beginnt, dass sie 'mit Herz, Humor und Gefühl' schriebe und 'den Figuren ihrer Geschichten so viel Leben' einhauche, 'dass man meint, sie schon seit Ewigkeiten zu kennen'.
Fein, dachte ich und freute mich auf unbeschwerte, entspannte Lesestunden, einfach zum Abschalten, als Ausgleich zur immer nerviger werdenden und sich ins Unendliche hinziehenden gegenwärtigen Situation, in unserer Gesellschaft und anderswo! Zum Glück war mein Anspruch kein hoher, ansonsten wäre Renas Schwedengeschichte, fern aller Realität, weshalb ich das Ganze oben auch als 'Märchen' bezeichnet habe, ein rechtes Ärgernis gewesen.
Von unverhofften, ungewöhnlichen Erbschaften hört man ja immer wieder einmal, meistens aus dritter Hand, denn jemand kennt jemanden, der gehört hat... - man kennt das! Und stellt sich nichtsdestotrotz vielleicht selber vor, eines Tages der eine unter 10 Millionen oder so zu sein, dem so etwas in den Schoß fällt. Eine Finca auf Mallorca? Oder womöglich ein Cottage in Cornwall? Oder ein kuscheliges rotes Häuschen im schönen Schweden, in der Heimat von Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga oder den Kindern aus Bullerbü? Nun, Lotta Josefsdotters Heldin Rena – Renate, wie man irgendwann einmal beiläufig erfährt – fällt das sagenhafte Erbe zu, von ihrem unbekannten schwedischen Vater, der aber – und davon ist wohl im Vorgängerband die Rede – gar nicht verblichen ist, sich im Gegenteil bester Gesundheit erfreut und obendrein auch noch wohlhabend ist. Testen wollte er die Tochter, die vor Jahren einem One-Night-Stand entsprossen ist. Oder sie einfach nur kennenlernen. Das werden diejenigen unter der Leserschaft wissen, die Rena und dem Vater bereits im ersten Band begegnet sind. Aber wichtig ist das nicht, wie ich auch nicht meine, dass es notwendig ist, besagten Band gelesen haben zu müssen, um der Handlung des hier zu besprechenden „Herbstfrühlings“ folgen zu können.
Denn hier bahnt sich eine neue Geschiche an: das Herrenhaus, das Rena gegen das ursprünglich geerbte und mit Mühen renovierte viel kleinere Häuschen im Walde eingetauscht hat, soll einem wohltätigen Zweck und die Besitzerin selbst offensichtlich einer Beschäftigung zugeführt werden – und auswanderungswillige Senioren des Kirchenchors aus Renas Heimatstadt Balve aufnehmen, um ihnen zu helfen, den Rest ihres Lebens sinnvoll zu gestalten. Na danke, dachte ich, über das, was sinnvoll ist oder nicht möchte ich schon gerne selbst bestimmen dürfen, auch noch im höheren oder gar hohen Alter! Also nein – ich hätte mich gewiss nicht angesprochen gefühlt, mit Rena, Arvid, Einar und wie sie alle heißen, meinen Lebensabend zu verbringen. Aber ich bin, man wird es schon gemerkt haben, schließlich auch nicht die geeignete Leserin für ein Buch wie dieses, das, da bin ich ganz sicher, mit Gewissheit ein begeistertes Publikum finden wird, respektive bereits gefunden hat.
Für meinen Geschmack ist die Geschichte zu konstruiert, zu weit hergeholt, die Figuren desgleichen. Sie erschienen mir zu keinem Zeitpunkt wie alte, liebgewonnene Bekannte, erfüllten zu viele Klischees, mit denen ich rein gar nichts im Sinn habe. Ja, drei der Rentner, natürlich alle mackenbehaftet, waren reizend, so gutherzig wie guten Willens. Ihnen zu begegnen ist ganz vergnüglich. Seniorin Lisbeth hingegen – naja, das Klischee schlechthin! Und was den eigentlich sympathischen Einar, Vater der Hauptperson, dazu bringt, sich in gerade diese Zimtzicke zu verlieben – nun, das verstehe einer. Die Wege der Liebe sind verschlungen und unergründlich, um ein bekanntes Zitat abzuwandeln...
Am wenigsten gefallen jedoch hat mir in der Tat Rena, Heldin des Romans und Ich-Erzählerin – mal abgesehen von ihrer schrecklichen Instagram-Mutter, die leider Gottes alsbald mit Renas Zweitvater auftaucht, sich häuslich niederlässt auf dem Gutshof und alles und jeden dirigieren möchte und anscheinend nicht gedenkt, je wieder nach Hause, zurück nach Deutschland, zu fahren um gefälligst dort zu bleiben! Diese Rena also, um meine Gedanken weiterzuführen, ist so romantisch, dass es wehtut. Ständig schwebt sie inmitten einer rosaroten Wolke, die regelmäßig zerfällt, um einer neuen Platz zu machen, die dann wieder nicht tragfähig ist, und so fort.
Gefühlsduselei der Art, die Rena zu eigen ist, ist mir unerträglich. So wie ich nicht erfassen kann, aus welchem Grunde die Neu-Schwedin, die ständig betont, mit Arvid das große, das unverhoffte Glück ihres Lebens gefunden zu haben, dieser ihrer ach so großen Liebe sofort misstraut, sobald der arme Bursche nur mal die Mundwinkel hängen lässt oder nicht die ganze Zeit plappert. - Und wenn ich mir ihre eigenen Platitüden durchlese, dann möchte ich es lieber mit dem Sprichwort halten, dass Reden Silber, Schweigen aber Gold ist. - Welch große, große Unsicherheit doch in der Romantikerin wohnt, und wie leid einem Arvid tun kann, mit dieser auf Dauerharmonie abonnierten Klette täglich aufs Neue klarkommen und ihre immerwährenden Zweifel zerstreuen zu müssen! Fürchterlich schmalzig und ganz und gar unerträglich wird es dann aber, als Rena guter Hoffnung ist, das Kind als Krönung ihrer und Arvids Liebe schließlich unter Mitwirkung all der adoptierten Senioren nebst Mutter und der beiden Väter gebärt und zwischenzeitlich auch noch das Rätsel um die schöne Eyvor, deren im Gutshaus hängendem Porträt sie sich so nahe fühlt, auf die sentimentalste und gleichzeitig unwahrscheinlichste aller Weisen löst.
Doch so ist das nun einmal in Märchen: Ende gut, alles gut – und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage! Wünschen wir Rena und ihrem Sammelsurium von verirrten, verwirrten, freundlichen und unausstehlichen Mitbewohnern und Anverwandten, dass sie auch weiterhin in einer Blase des Glückes schweben mögen, dort oben im schönen Schweden, über dessen Gepflogenheiten man übrigens – lobend sei es erwähnt – eine ganze Menge erfährt. Freuen wir uns an der von Lotta Josefsdotter geschaffenen heilen Welt mit der gelegentlichen, harmlosen Schlange im Paradies – gerade in unserer so unheilen Zeit!